Durch die russische Aggression gegen die Ukraine sind die
Rohstoffmärkte empfindlich getroffen worden. Teilweise – wie etwa beim Gas – müssen dreistellige
Preiserhöhungen verkraftet werden. Für die Unternehmen war es in der ersten Phase wichtig, überhaupt die wichtigsten Rohstoffe und Zukaufteile zu erhalten, unabhängig vom Preis. Ab der zweiten Jahreshälfte 2022 geht es darum, wie die
Preissteigerungen der eigenen Inputfaktoren weitergegeben werden können.
Die Preise haben eine überragende Bedeutung für die Gewinne der Unternehmen. Dies gilt für beide Richtungen. Insofern sollten die Unternehmen im Wettbewerbsumfeld sorgfältig analysieren, wie sich eventuelle
Preisänderungen auswirken würden. Preissteigerungen, die lange Zeit kaum möglich waren, sind inzwischen durchsetzbar, wobei aber das Ausmaß zwischen Markenartikelindustrie und Handel stark umkämpft ist. So gibt es Klagen zwischen Edeka und Coca-Cola, weil einerseits die
Preiserhöhungen im vollen Umfang nicht akzeptiert werden und andererseits der Markenartikler bei zu geringen Preisen nicht liefern will.
Die Schlacht um die richtigen (akzeptablen) Preiserhöhungen wird sich über die nächsten Jahre hinziehen, weil die Inflation nicht so schnell nachlassen wird. Das liegt auch daran, dass die hohen
Preissteigerungen insb. der fossilen Energiearten sich durch alle Unternehmen ziehen, so dass fast alle ihre Preise erhöhen müssen, wenn sie ihr Ergebnis halten wollen. Es ist somit zu fragen, in welchem Umfang die Unternehmen die Kostensteigerungen ihrer Inputfaktoren weitergeben sollen. Es geht also um die Frage der richtigen Preiserhöhungen. Letztendlich müssen die Unternehmen eine neue
Preisstrategie finden, um gut auf die sich schnell ändernden Marktgegebenheiten reagieren zu können.
1. Grundlagen Preispolitik
Insbesondere in Zeiten der Inflation steht mit der Preispolitik ein mächtiges Instrument zur Verfügung, um einen Gewinneinbruch zu vermeiden (vgl. z. B. Simon/Fassnacht, S. 1 ff.). Die Standardantwort der Betriebswirtschaftslehre auf die Frage nach der besten Preissetzung beinhaltet im ersten Schritt die Nutzung von
Preisabsatzfunktionen (
PAF). Im Folgenden wird der Preis als Nettopreis p
N angegeben, um deutlich zu machen, dass wirklich alle Erlösschmälerungen inklusive eventueller Finanzierungskosten abgezogen sein müssen. Die PAF beginnt mit dem Prohibitivpreis p
PH für eine Menge von 0 (Schnittpunkt auf der Y-Achse).
pN = pPH + a * x mit UG < x < OG in GE/ME
pN
|
Nettopreis in GE/ME
|
pPH
|
Prohibitivpreis in GE/ME
|
a
|
Steigungsparameter, üblicherweise negativ
|
x
|
Fakturierte Menge in ME/Pet
|
UG
|
Untergrenze der fakturierbaren Mengen in ME/ Pet
|
OG
|
Obergrenze der fakturierbaren Mengen in ME/Pet
|
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Als erstes sei als Beispiel eine Situation vor dem Einsetzen einer
höheren Inflation betrachtet. Das Unternehmen erhält einen Nettopreis von 50 €/ME für jede der 40.000 Stück. Durch die Inflation möge für die nächste Periode t+1 eine neue Preis-Absatz-Funktion erwartet werden, die sich durch ein höheres Preisniveau auszeichnet:
pN = 100 - 0,001 * x in €/ME mit 20.000 <= x <= 80.000 ME/Pet+1
Bei einem
Prohibitivpreis von p
PH = 100 €/ME ist laut den Parametern dieser Preisabsatzfunktion ein Preisniveau erreicht, bei dem niemand mehr kauft. Die Menge ist Null. Für jede Mengeneinheit, die das Unternehmen nun absetzen will, muss es den Nettopreis jeweils um 0,001 €/ME reduzieren. Wenn es im Extremfall 100.000 ME/Pe
t+1 verkaufen will (außerhalb des Gültigkeitsbereichs), müsste es den Preis auf 100 – 0.001 * 100.000 = 0 senken. Diese Menge, die sich bei einem Preis von 0 ergibt, wird Sättigungsmenge genannt. Mit dieser geschätzten Preisabsatzfunktion kann nun die Reaktion des Marktes simuliert werden.
1.1. Preiserhöhung zur Wahrung der Deckungsspanne
Die naheliegende Preiserhöhung fällt so aus, dass die
Deckungsspannen gleich bleiben. In Abb. 1 ist in der ersten Zeile (Situation alt) die Lage in der Periode vor einer möglichen Preiserhöhung aufgeführt. Bei einem Nettopreis von 50 €/ME betrug die Deckungsspanne (Nettopreis abz. aller variablen Kosten) 25 €/ME, was für die Periode t gilt.
Doch nun verteuern sich für die nächste Periode t+1 die
Inputfaktoren (siehe Abb. 1). Die Rohstoffkosten mögen um 40 %, die Personalkosten um 10 % und die Energie um 50 % steigen, so dass die gesamten variablen Stückkosten um über 20 % wachsen. Durch die Preiserhöhungen der Inputfaktoren würde die Deckungsspanne um 6,8 €/ME auf 18,2 €/ME fallen (siehe Zeile 2):
Einheit
|
Nettopreis
€/ME
|
Rohstoff-kosten
€/ME
|
Personal var.
€/ME
|
Energie
€/ME
|
So var Ko
€/ME
|
Summe v Ko
€/ME
|
Deckungs-spanne (DSP)
€/ME
|
Situation alt
|
50,0
|
10,0
|
8,0
|
2,0
|
5,0
|
25,0
|
25,0
|
Neu ohne PE
|
15,0
|
14,0
|
8,8
|
3,0
|
6,0
|
31,8
|
18,2
|
Variante 1
|
56,8
|
14,0
|
8,8
|
3,0
|
6,0
|
31,8
|
25,0
|
[PE: Preiserhöhung]
Abb.1: Situation vor und nach der Preiserhöhung
Daher könnte das Unternehmen beschließen, genau diese Kostensteigerung weiterzugeben, was naheliegend ist. Dies wäre aber vorschnell, weil damit die Möglichkeit der Optimierung vergeben wird. Zudem muss die Mengenreaktion einbezogen werden, was im nächsten Absatz untersucht wird.
1.2. Optimale Preis-Mengen-Kombination
Die Zielgröße besteht im nachhaltigen
Gewinn der betrachteten Periode. Die Einflüsse auf folgende Perioden seien ausgeklammert, so dass nur der
Periodengewinn maximiert wird. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Arten von Preisabsatzfunktionen einige Probleme aufweisen (vgl. dazu Hoberg (2018b), S. 1937 ff.). Für die Zwecke dieser Untersuchung sind sie nicht so wesentlich, zumal auch nur ein begrenztes Preisintervall zwischen 20.000 und 80.000 ME/Pe
t+1 betrachtet werden soll. An den Rändern – also bei extremen Preisen – tauchen häufiger Abweichungen auf, so dass die Funktion nur für diesen mittleren Bereich als relevant definiert sei.
Für die Optimierung wird noch der
Grenzkostensatz benötigt, welcher für die neue Periode mit durchgängig 32,8 €/ME im relevanten Bereich angenommen wird. Es gilt somit die Linearitätsannahme (vgl. Varnholt/Hoberg/Gerhards/Wilms/Lebefromm), S. 423 ff.).
Degressionseffekte im
Stückkostensatz, z. B. aufgrund höherer Einkaufsmengen, seien somit nicht betrachtet.
Die
Fixkosten für Verwaltung, Mieten, Produktentwicklung, PR, Zentralfunktionen, zeitlich bedingten Abschreibungen usw. mögen in der betrachteten Periode unverändert bleiben, so dass sie bei der Optimierung herausfallen werden. Aber sie müssen in der späteren Argumentation gegenüber dem Kunden eine Rolle spielen, wenn sie gestiegen sind. Auf dieser Basis kann die
Gewinnfunktion G wie folgt aufgestellt werden:
G = (pPH + a * x) * x - kv * x – Kfix in GE/Pet+1
G
|
Gewinn in der betrachteten Periode in GE/Pet+1
|
kv
|
Variabler Stückkostensatz in €/ME
|
Kfix
|
Periodenfixkosten in €/Pet+1
|
Nach Ableitung der Gewinnfunktion und Nullsetzung erhält man (vgl. ausführlicher zu den Arbeitsschritten Hoberg (2013), S. 322 ff.):
xopt = (pPH - kv) / (-2*a) in ME/Pet+1
x
opt Gewinnoptimale Menge in ME/Pe
t+1
Diese Bedingung für das Mengenoptimum wird in die PAF eingesetzt. Nach Umformung ergibt sich:
popt = (pPH + kv) / 2 Preis in €/ME
P
opt Gewinnoptimaler Preis in €/ME
Mit den obigen Daten ergibt sich der optimale Preis zu:
Popt = (100 + 32,8) / 2 = 66,4 €/ME
Die gewinnoptimale Menge beläuft sich dann auf:
Xopt = (100 – 32,8) / (-2* -0,001) = 33.600 ME/Pet+1
Die optimale Menge liegt mit 33.600 ME/Pe
t+1 im zulässigen Intervall von 20.000 bis 80.000 ME/Pe
t+1.
Mit dieser Vorgehensweise müssen nun permanent – also bei jedem Inflationsschub oder anderen Marktänderungen – alle Produkte analysiert werden. Bevor die Ergebnisse jedoch in die Praxis übertragen werden können, muss der Nettopreis zurück gerechnet werden in den Listenpreis unter Berücksichtigung des
Konditionensystems mit den vielen
Rabattarten. Dieser wird dann den Kunden angeboten.
2. Preisanpassungsstrategien
Für das Unternehmen besteht nach jedem Inflationsschub die Aufgabe, die richtige Preiserhöhung zu ermitteln und dies auch in der Kommunikation zu den Kunden (Handel und Endverbraucher) gut zu verargumentieren. Dass Preiserhöhungen in den meisten Produktkategorien notwendig sind, dürfte unstrittig sein. Es geht im ersten Schritt um die richtige Höhe.
Verschiedene
Erhöhungsmöglichkeiten sind in der Abb. 2 dargestellt. In der ersten Zeile wird die aktuelle Periode t aufgeführt. Danach folgt dann die Periode t+1, für welche die Preisstellung optimiert werden muss. In der Basisperiode t wurde ein
Deckungsbeitrag von 1 Mio€/Pe
t erzielt (an dieser Stelle ist die Einheit der Spaltenüberschrift nicht präzise).
|
Nettopreis in €/ME
|
Summe v Ko in €/ME
|
DSP in €/ME
|
DSP Marge
|
Menge ME/Pet+1
|
DB ME/Pet+1
|
Situation alt
|
50,000
|
25,0
|
25,0
|
50,0 %
|
40.000
|
1.000.000
|
Alt ohne PE
|
50,000
|
32,8
|
17,2
|
34,4 %
|
50.000
|
860.000
|
Variante 1
|
57,800
|
32,8
|
25,0
|
43,3 %
|
42.200
|
1.055.000
|
Variante 2
|
56,600
|
32,8
|
32,8
|
50,0 %
|
34.400
|
1.128.320
|
Variante 3
|
60,000
|
32,8
|
27,2
|
45,3 %
|
40.000
|
1.088.000
|
Variante 4
|
55.044
|
32,8
|
22,2
|
40,4 %
|
44.956
|
1.000.000
|
Variante Opt.
|
66,400
|
32,8
|
33,6
|
50,6 %
|
33.600
|
1.128.960
|
Abb. 2: Unterschiedliche Preiserhöhungsansätze
Für die Periode t+1 steigen die variablen Stückkosten von 25 auf 32,8 €/ME. Bei unverändertem Preis von 50 €/ME würde in der neuen Marktsituation zwar die Menge stark auf 50.000 ME/Pe
t+1 anwachsen, aber die Deckungsspanne würde einbrechen und damit auch die oberste Zielgröße, der
Deckungsbeitrag. Er würde auf 860.000 €/Pe
t+1 fallen (siehe letzte Spalte). Das wäre sehr negativ, weil neben dem nominalen Rückgang noch zu beachten ist, dass die Kaufkraft des neuen Deckungsbeitrags um eine Jahresinflation gefallen ist. Eine Preiserhöhung muss somit unbedingt geprüft werden.
Als erstes wird
Variante 1 durchgespielt, in der die stückbezogene Erhöhung der variablen Stückkosten exakt im Preis aufgeschlagen wird, so dass ein Preis von 50 + 7,8 = 57,8 €/ME resultiert. Auch wenn die Deckungsspanne (DSP) wie geplant gleich bleibt, sinkt die Marge von 50 % auf 43 %. Der absolute Deckungsbeitrag liegt aber um 5% höher.
Die
Variante 2 beinhaltet einen Preis, welcher die Deckungsbeitragsspanne von 50% gleich lässt, was bei einem Preis von 65,6 €/ME der Fall ist. Diese kräftige Preiserhöhung schlägt sich trotz der reduzierten Mengen in einem höheren Deckungsbeitrag nieder.
In
Variante 3 wird eine gleiche Menge von 40.000 ME/Pe
1 angestrebt. Aber der Deckungsbeitrag liegt niedriger als in Variante 2. Zudem dürfte dieses interne Ziel dem Kunden nur schwer zu verkaufen sein.
In
Variante 4 schließlich wird ein Preis gewählt, der exakt zum gleichen Deckungsbeitrag wie in der Vorperiode führt. Dies ist auch deswegen unbefriedigend, weil Deckungsbeiträge in t+1 kaufkraftmäßig weniger wert sind als in Periode t.
Zum Schluss sei das oben berechnete optimale Ergebnis von 66,4 €/ME mit einer Menge von 33.600 ME/Pe
t+1 ins Gedächtnis gerufen. Der Deckungsbeitrag würde gemäß der letzten Zeile in Abb. 2 einen Betrag von 1.128.960 €/Pe
t+1 aufweisen. Der Anstieg von fast 13 % gegenüber der Vorperiode sieht nur auf den ersten Blick gut aus, weil wieder die allgemeine Inflation herausgerechnet werden muss. Aber angesichts der Daten stellt diese Variante eine befriedigende Lösung dar.
Für alle Ansätze gilt, dass noch der Anstieg der Fixkosten in der Argumentation gegenüber den Kunden verwendet werden kann, auch wenn er keine Rolle spielt für die optimale
Preis-Mengenkombination. Es handelt sich somit nicht um entscheidungsrelevante Fixkosten, aber um kommunikationsrelevante. Diese Analysen müssen nun regelmäßig durchgeführt werden.
3. Preisanpassungspolitik
Die Inflation stellt die Unternehmen vor neue Herausforderungen, weil die Preise permanent angepasst werden müssen. Dies kann aber auch als Vorteil gesehen werden, weil Preiserhöhungen leichter durchsetzbar werden. In früheren Jahren hatte der Handel Preiserhöhungen fast kategorisch ausgeschlossen. Einmal gegebene
Preissenkungen – unabhängig auf welcher Stufe im Konditionensystem – wurden vom Handel sofort als Besitzstand deklariert, so dass schon kleine Fehler der Hersteller schwerwiegende langfristige Folgen haben konnten.
Auch am
Point of Sale (
PoS) war der Widerstand gegen Preiserhöhungen groß, weil die Verbraucher zumindest für die Eckartikel ein gutes Preiswissen hatten. Das Gleiche gilt für den BtB-Bereich (Business to Business), in dem der Einkauf hart gegen alle Preiserhöhungen verhandelt hat.
Mit Beginn der hohen Inflationsraten im Jahre 2022 hat sich die Situation stark verändert. Es ist nicht ungewöhnlich, dass bekannte
Markenartikler ihre Preise zweistellig erhöhen, wobei teilweise auch 30 % überschritten wurden. Der Verbraucher ist ziemlich verwirrt, weil fast alle Artikel zweistellig teurer geworden sind und die Abstände teilweise nicht mehr stimmen. So wird er nun den Abstand zwischen Markenartikeln und Handelsmarken genau beobachten. Da die
Einkaufroutinen dadurch gestört werden, entstehen neue Chancen für Hersteller, sich ins Bewusstsein der Konsumenten zu bringen.
Die Implikationen für die Unternehmen sind eindeutig: Die Ermittlung der richtigen Preiserhöhungen wird zur
Daueraufgabe. In kurzen Abständen müssen/können die Preise angepasst werden. Frei nach Sepp Herberger muss man formulieren: Nach der Preiserhöhung ist vor der Preiserhöhung! Man darf bezweifeln, ob die Unternehmen darauf eingestellt sind. Denn der Bedarf an Daten und deren Verarbeitung steigt kräftig an und es müssen permanent neue Preisentscheidungen getroffen werden.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die
juristische Seite. Hier tobt ein harter Kampf, weil sich die Hersteller angesichts der unsicheren Kostenseite die Möglichkeit von weiteren Preiserhöhungen vorbehalten wollten. Der Handel besteht hingegen auf Festpreisen für einige Monate, um damit das Risiko auf den Hersteller abzuwälzen und sich zusätzliche Ergebnischancen zu eröffnen. In einigen Fällen kann man von Übergewinnen reden, wenn die Preise am PoS bereits erhöht wurden, die Waren aber noch zum alten geringen Preis bezogen werden können.
Für einige Unternehmen, etwa aus der Energiebranche, bedeuteten das Fehlen von
Preisanpassungsklauseln das Ende, wenn Verträge noch bis zum Jahresende zu alten niedrigen Preisen bedient werden müssen, aber der Einkauf explodiert ist. Beim Gasanbieter Uniper zahlt der Steuerzahler einen zweistelligen Milliardenbetrag. Stadtwerke werden gestützt, damit sie ihre Verträge einhalten.
Noch ein weiterer Aspekt eröffnet neue
Handlungsmöglichkeiten im Einkauf. Wenn die drohenden Preiserhöhungen wie bei den meisten Artikel wesentlich sind, lohnen sich häufig große
Vorratsbestellungen, zumal die Zinssätze zwar gestiegen sind, aber noch nicht einmal die Inflationsrate erreichen.
Die Supply Chains müssen/können also neu organisiert werden. Das Ziel der möglichst geringen Lagerhaltung darf nicht mehr absolut gesehen werden. Denn neben der schwierigen Verfügbarkeit können auch Chancen durch die noch nicht erhöhte Preise wahrgenommen werden.
Dies gilt selbstverständlich auch für die Hersteller auf ihrer Produktionsseite. Rohstoffe und Zukaufteile mit unsicherer Versorgungslage sollten gelagert werden bzw. kontrahiert werden. Allerdings zeigt der wieder abgestürzte Gaspreis, dass nicht übertrieben werden darf. Auch die Preise für Aluminium sind seit dem Maximum stark gefallen. Einige Unternehmen haben sich auf das glatte Parkett der
Termingeschäfte begeben und müssen nun feststellen, dass sie sich zu Preisen nahe dem Maximum in der Jahresmitte 2022 eingedeckt haben. Hohe Wertberichtigungen können die Folge sein.
Es sei noch darauf hingewiesen, dass die hohe Inflation auch einen Vorteil hat. Wenn sich herausstellt, dass ein Unternehmen bei den Preiserhöhungen übertrieben hat (z. B. aufgrund falsch geschätzter Parameter in der Preisabsatzfunktion), so ist dies nur ein vorübergehendes Problem, weil sich das allgemeine Preisniveau weiter nach oben entwickeln wird. Die Probleme lösen sich also tendenziell. Allerdings ist dann zu prüfen, warum die Marktreaktion falsch eingeschätzt wurde.
4. Schlussfolgerungen
Aus verschiedenen Gründen können sich Unternehmen gezwungen sehen, ihre Preise zu erhöhen:
- Preissteigerungen bei Rohstoffen und Halbfertigfabrikaten
- Vervielfachung der Energiepreise
- Personalkostenerhöhungen
- Neue Umweltvorschriften
- Konkurrenzaktionen
- Verringerung der Kaufkraft durch Inflation
- Wechsel der Konsumentenpräferenzen
- Usw.
Die dadurch ausgelösten Preiserhöhungen treffen auf Kunden, die durch die Preissteigerungen verunsichert sind. Denn sie müssen ihr Preiswissen neu kalibrieren, wobei neue
Präferenzreihenfolgen entstehen können. Das kann für die bisherigen Marktführer zum Problem werden, weil aktuell vorhandene Einkaufsgewohnheiten auf den Prüfstand gestellt werden. Umgekehrt kann dies für kleinere Wettbewerber als Chance aufgefasst werden, weil die Verbraucher ihre Präferenzen inkl. des Preiswissens modifizieren müssen.
Die Unternehmen sollten angesichts der wohl noch länger anhaltenden Inflation immer wieder ihre Preise optimieren, wozu Preisabsatzfunktionen eingesetzt werden sollten, (die aber immer nur für einen kurzen Zeitraum gültig sind). Besondere Aufmerksamkeit ist notwendig, wenn Preiserhöhungen dazu führen, dass bestimmt Preisschwellen überschritten werden, wenn z. B. der alte Preis bei 0,99 €/ME lag. Aber was früher ein großes Problem war, ist nicht mehr so dramatisch, was viele Produkte zeigen, deren Preise 2022 von 0,99 auf 1,29 €/ME erhöht wurden.
Zum Schluss sei noch ein Problem in der finanziellen
Berichterstattung (
Reporting) erwähnt. Durch die permanente Entwertung des Geldes können Aussagen für ein komplettes Kalenderjahr kaum noch getroffen werden, weil die Verhältnisse am Jahresanfang ganz anders waren als am Jahresende. Und wenn dann ein Unternehmen seinen Gewinn gehalten hat, ist das – ceteris paribus – keine gute Nachricht, weil der neue Gewinn durch die Inflation gemindert ist.
Die Aufgaben des Controllers werden in diesem schweren Umfeld somit immer vielseitiger und interessanter.
letzte Änderung P.D.P.H.
am 08.03.2023
Autor:
Dr. Peter Hoberg
Bild:
Bildagentur PantherMedia / Andriy Popov
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Autor:in
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Herr Prof. Dr. Peter Hoberg
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms. Seine Lehrschwerpunkte sind Kosten- und Leistungsrechnung, Investitionsrechnung, Entscheidungstheorie, Produktions- und Kostentheorie und Controlling. Prof. Hoberg schreibt auf Controlling-Portal.de regelmäßig Fachartikel, vor allem zu Kosten- und Leistungsrechnung sowie zu Investitionsrechnung.
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