Die Zukunft von Unternehmen hängt nicht zuletzt von dem Erfolg ihrer Investitionsprojekte ab. Dabei wird die Entscheidung schwierig, wenn aus mehreren Handlungsmöglichkeiten mit unterschiedlicher Laufzeit die beste herausgesucht werden soll.
1. Einleitung
Handlungsmöglichkeiten sind isoliert betrachtet dann vorteilhaft, wenn ihre
Kapitalwerte oder Endwerte
positiv sind (vgl. z. B. Götze, S. 78 ff.). Die jeweilige Aussage gilt allerdings immer nur für das betrachtete
Szenario, so dass die letztendliche Entscheidung nur durch Abwägung der Kapital- und Endwerte der unterschiedlichen Szenarien getroffen werden kann.
Der einfachste Fall liegt vor, wenn nur entschieden werden muss, ob eine Handlungsmöglichkeit HM1 (Projekt, Investition, Alternative, Option usw.) durchgeführt werden soll oder nicht. Es wird dann gegen die
Null-Alternative verglichen (vgl. zu dieser
Differenzmethode z. B. Götze, S. 91 oder Brealey / Myers / Marcus, S. 135 ff.). Die Nullalternative (Unterlassungsalternative, Do Nothing usw.) muss aber nicht darin bestehen, dass nichts zusätzlich gemacht wird, sondern es sind bei ihr z. B. Wartungsarbeiten, Ersatzinvestitionen, gesetzlich notwendige Produktänderungen, Konkurrenzaktionen usw. zu berücksichtigen. Dies nennt man dann
fortgeführte Null-Alternative. Die Zahlungsströme der zu untersuchenden Handlungsmöglichkeit werden dann im Unterschied zur fortgeführten Null-Alternative abgeleitet (vgl. zur dieser erweiterten Differenzmethode Hoberg (2015), S. 132 ff.).
Schwieriger wird es, wenn
mehrere sich ausschließende neue Handlungsmöglichkeiten beurteilt werden sollen. Denn sie werden fast immer unterschiedliche Laufzeiten aufweisen. Damit entsteht das Problem, wie kurz laufende Handlungsmöglichkeiten in den Jahren bewertet werden, in denen sie eigentlich schon beendet sind, während die länger laufenden konkurrierenden Handlungsmöglichkeiten noch weiterlaufen. Als Beispiel seien zwei Handlungsmöglichkeiten betrachtet. Eine von ihnen möge über drei Jahre laufen, die zweite über vier Jahre. Somit stellt sich die Frage, was mit HM1 im vierten Jahr passiert. Je nach Annahme kann es zu einer wesentlichen
Verbesserung oder Verschlechterung der Vorteilhaftigkeit von HM1 kommen.
Ein sehr wichtiges Anwendungsfeld, in dem der Unterschied der Laufzeiten zu großen Problemen führen kann, besteht bei der Stromerzeugung. Hier hat sich die
LCoE-Methode (Levelized Cost of Electricity) durchgesetzt, welche eine
modifizierte Barwertbildung umfasst. Da die Laufzeiten z.B. 20 Jahre oder aber auch 60 Jahre betragen können, ist die unbeantwortete Frage von höchster Bedeutung, was von Jahr 21 bis 60 bei der kürzer laufenden Variante passieren soll (vgl. nicht nur zu diesem Problem der LCoE Hoberg 2019, S. 977 ff.).
Auch bei
Ersatzentscheidungen haben sich ausschließende Handlungsmöglichkeiten fast immer unterschiedliche Laufzeiten, weil die zu ersetzende Anlage oft schon seit geraumer Zeit läuft, so dass die neue Anlage deutlich länger läuft.
Die unterschiedlichen Verfahren der
Investitionsrechnung haben zum Teil erstaunliche implizite Prämissen zur Lösung dieser Probleme. Diese werden dargestellt und dann daraufhin untersucht, unter welchen Umständen sie zu
falschen Entscheidungen führen können. Im ersten Schritt wird der häufige Fall betrachtet, dass sich die Handlungsmöglichkeiten nicht wiederholen lassen.
Letzte Änderung W.V.R am 12.04.2023
Autor(en):
Dr. Peter Hoberg