Ersatzinvestitionen: Maschine ersetzen oder weiterproduzieren? (Teil 1)

Prof. Dr. Peter Hoberg
Unternehmen stehen immer wieder vor der Frage, ob sie mit dem vorhandenen Maschinen- und Fahrzeugpark weiterproduzieren sollen oder ob es besser ist, einzelne oder mehrere Maschinen zu ersetzen, was dann hohe Investitionen auslösen würde. Auch wenn die Fragestellung auf Fahrzeuge, Anlagen, Computer, Gebäude usw. angewendet werden kann, wird im Folgenden hauptsächlich Bezug auf Maschinen genommen. Die Erkenntnisse können jedoch auf viele andere Bereiche übertragen werden. Die Überprüfung, ob eine neue Maschine eine alte ersetzen sollte, stellt eine Daueraufgabe für die Produktion, inkl. der Produktionscontroller dar.

Einige der folgenden Vorteile werden von der neuen Maschine erwartet:
  • Höhere Zuverlässigkeit (weniger Reparaturen) 
  • Geringerer Wartungsbedarf
  • Größere Präzision 
  • Erweiterte Flexibilität 
  • Höhere Automatisierung 
  • Verringerter Personalbedarf 
  • Gesteigerte Produktivität (z. B. gute Stück pro h)

Der Controller muss sorgfältig prüfen, ob die Vorteile nur auf dem Papier stehen oder ob sie auch in der Praxis eintreten werden. Die möglichen Vorteile können allerdings durch die folgenden Nachteile beeinträchtigt werden:
  • Kompliziertere Technik 
  • Häufig höhere Ansprüche an das Bedienungspersonal 
  • Ev. größerer Platzbedarf insb. bei höherer Leistung/Automatisierung 
  • Hohe Investitionen zu Beginn 
  • Abbruch/Abbau/Verkaufskosten der alten Maschine 
  • Häufig Anlaufprobleme 
  • Teilweise Produktionsunterbrechungen beim Wechsel

Im ersten Schritt muss geklärt werden, welche Maschinen für den Einsatz im Planungszeitraum überhaupt geeignet sind. Denn Maschinen im Unternehmen müssen bestimmte Anforderungen (Spezifikationen oder kurz Specs) erfüllen. An dieser Stelle kann bereits eine Vorentscheidung fallen, wenn z. B. von wichtigen Kunden bekannt ist, dass sie eine Genauigkeit fordern, welche mit der alten Maschine nicht zu schaffen ist. Bei Fahrzeugen können es die Reichweite und die Nutzlast sein.

Umgekehrt ist es möglich, dass die neue Maschine ein steuerungstechnisches Knowhow erfordert, welches im Unternehmen nicht vorhanden ist. Wenn nach Prüfung der obigen Fragen sowohl ein Weiterbetrieb als auch ein Er-satz möglich ist, muss im Weiteren geklärt werden, wie lange die jeweiligen Anlagen genutzt werden können (vgl. zur Nutzungsdauer Varn-holt/Hoberg/Wilms/Lebefromm, S. 110 ff.).

Im konkreten Fall wird die Restnutzungsdauer der alten Anlage als Ausgangspunkt gewählt. Gegenüber den insb. finanziellen Konsequenzen der alten Maschine für diese Nutzungsdauer müssen die Zahlungsströme der neuen Anlagen gerechnet werden.

Im Grundmodell wird davon ausgegangen, dass sich die alte und die neue Maschine nicht oder kaum unterscheiden, also weder qualitativ noch qualitativ. Konkret können für die Beschaffung z. B. von Gabelstaplern unterstellt, dass das unterschiedliche Alter keinen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Stapler nimmt. Wenn sich diese Annahme nicht halten lässt, muss in einer erweiterten Analyse auch der zusätzliche Nutzen z. B. der neueren Maschinen modelliert werden.

Oben wurde die übliche Vorgehensweise beschrieben. Die Praxis zeigt jedoch, dass diese erweitert werden muss. Denn häufig geht es nicht um eine Entweder- oder Entscheidung, sondern um eine sinnvolle Ergänzung des Maschinenparks. Wenn der Platzbedarf kein oder kein großes Problem darstellt, kann die alte Ma-schine ev. weiter installiert bleiben (alle Aufwendungen für Ingangsetzung und Ein-lernen sind ja angefallen). Die alte Maschine kann auch als Reserve dienen, wenn die neue Maschine nicht (sofort) funktioniert. Zudem kann sie bei Spitzennachfrage eingesetzt werden.


Grundlagen

Die Ausgangssituation

Die neue Maschine kann sich in Ausbringungsmenge (Quantität) und Qualität von der alten Maschine unterscheiden, wobei üblicherweise eine Verbesserung angestrebt wird.

  Quantitative Leistungsfähigkeit
geringer gleich höher
Qualitative
Leistungsfähigkeit
geringer 1) Sonderfall 1
Ersatz ist langsamer
und niederwertiger
2) Sonderfall 2
Ersatz ist gleichschnell,
aber niederwertiger
3) Sonderfall 3
Ersatz ist schneller,
aber niederwertiger
gleich 4) Sonderfall 4
Ersatz ist langsamer,
aber niederwertiger
5) Standardfall 1
Ersatz durch
gleichwertiger Anlage
6) Standardfall 2
Ersatz durch schnel-
lere Anlage
höher 7) Sonderfall 5
Ersatz ist langsamer,
aber hochwertiger
8) Standardfall 3
Ersatz durch
höherwertige Anlage
9) Standardfall 4
Ersatz ist schneller 
und hochwertiger
Abb. 1: Typen von Ersatzentscheidungen, Quelle Hoberg (2019), S.1228.

Grundsätzlich sind also insb. 2 Dimensionen beim Wechsel von alter zu neuer Anlage zu unterscheiden:
  1. Qualitative Komponente: Die neue Anlage ist besser, gleich gut oder schlechter 
  2. Quantitative Komponente Die Ausbringungsmenge ist höher, gleich oder geringer

Die Kombination dieser Faktoren ergibt die obige Matrix. In der Literatur findet man praktisch immer den Fall 5: = Standardfall 1). Üblicherweise wird dann unterstellt, dass alte und neue Anlagen im Wesentlichen gleich sind. Auch der Fall 6 = Standardfall 2 mit einer schnelleren neuen Anlage wird behandelt. Schon seltener sind die Fälle 8) und 9), wenn die neue Anlage eine höhere Qualität liefert. Dies muss ggf. über höhere Nettopreise und Mengen abgebildet werden.

Da sowohl die Leistung als auch die Qualität differieren können, ergeben sich zahlreiche unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten:
  1. Weiterbetrieb nur der alten Maschine
  2. Neue Maschine mit gleicher Leistung/Qualität anstelle der alten 
  3. Weiterbetrieb der alten Maschine plus neue Maschine mit gleicher Leistung/Qualität 
  4. Neue Maschine mit besserer Leistung/Qualität anstelle der alten 
  5. Weiterbetrieb der alten Maschine plus neue Maschine mit besserer Leistung/Qualität

In diesem ersten Beitrag wird die häufig dargestellte Variante betrachtet, in der sich die bestehende Maschine und die geplante Nachfolgemaschine in ihrer technischen Leistungsfähigkeit nicht (wesentlich) unterscheiden (vgl. z. B. Götze, S. 254). Die Gleichheit bezieht sich auf die Qualität des Outputs und auf die quantitative Leistungsfähigkeit.

Wenn diese (weitgehende) Gleichheit gegeben ist, kann auf Basis der Auszahlungen entschieden werden. Dann kann die Wirkung auf den Absatzmarkt zunächst vernachlässigt werden.

Generell wird mittels Differenzmethode (vgl. z. B. Götze, S. 91 oder Brealey/Myers/Allen, S.135 ff.) oder noch besser mit der fortgeführten Differenzmethode (vgl. Hoberg (2015), S. 132 ff.) ermittelt, welche zusätzlichen Zahlungen durch die Handlungsmöglichkeit (HM) "Wechsel auf die neue Maschine" ausgelöst werden, also durch die Wahl von Handlungsmöglichkeit b) statt a).

Die Modelle zur Ersatzentscheidung ermitteln häufig, wie hoch die periodische Belastung (z. B. jährlich) oder Entlastung sein wird, wenn die neue Maschine beschafft wird. Dabei tritt häufig ein schwer lösbares Problem auf. Es geht um die Nutzungsdauern der alten und neuen Maschinen. Teilweise wird dieses Problem gar nicht erwähnt, so dass der Leser mühselig die impliziten Prämissen ableiten muss, um danach abschätzen zu können, ob die angenommenen Nutzungsdauern sinnvoll sind.

Die Problematik der Nutzungsdauern führt teilweise zur Annahme von Ketten von Folgeinvestitionen. Bei diesen wird dann aber i.d.R. unterstellt, dass es sich um identische Anlagen handelt, was nach einigen Jahren aufgrund des technischen Fortschritts kaum sinnvoll sein kann. Hier müssen passendere Ansätze gefunden werden.

Bestimmung der Zahlungsströme

Um die Handlungsmöglichkeiten für den Ersatz einer Anlage bewerten zu können, müssen zunächst die Zahlungsströme abgeleitet werden. Denn auch die besten Verfahren, die Vollständigen Finanzpläne (vgl. Varnholt/Lebefromm/Hoberg, S. 509 ff.), führen nur zu guten Ergebnissen, wenn die Zahlungsströme korrekt bestimmt wurden.

Dies bringt in der Praxis nicht selten Probleme mit sich. Dabei ist nicht nur daran zu denken, dass erwartete Umsätze und Kosten falsch in Zahlungen und Zahlungsänderungen übersetzt werden, sondern es gibt auch häufig Missverständnisse, wie hoch die relevanten Zahlungen und Zahlungsänderungen voraussichtlich sein werden. Es müssen genau diejenigen Zahlungsänderungen berücksichtigt werden, die allein durch die Handlungsmöglichkeit – in diesem Fall den Austausch der alten Anlage durch eine neue - ausgelöst werden.

Damit sind die Fehlermöglichkeiten klar: Einmal besteht die Gefahr, dass Konsequenzen übersehen werden und zum anderen kann es passieren, dass Änderungen eingerechnet werden, die auch ohne die Handlungsmöglichkeit auftreten würden.

Für die Frage der Relevanz ist zu unterscheiden, ob über die Zahlungsänderungen bereits entschieden wurde oder ob dies noch offen ist. Wenn die Entscheidungen schon getroffen sind, liegt häufig die sogenannte Sunk Cost Problematik vor, die teilweise auch Sunk Cost Fallacy genannt wird. (vgl. z. B. Brealey/Myers/Allen, S. 137 oder Hoberg (2017), S. 1 ff.).

Zahlungen, die nicht mehr beeinflusst werden können, sind danach nicht mehr entscheidungsrelevant. Dies kann auch für Zahlungen und Zahlungsänderungen gelten, die in der Zukunft liegen.

Die Sunk Cost sind bei Ersatzentscheidungen besonders wichtig, weil die historischen Investitionsauszahlungen für die bestehende Maschine keinerlei Rolle spielen dürfen. Sie sind nicht mehr beeinflussbar. Relevant sind nur noch die erzielbaren Netto-Marktpreise. Auch der Ansatz von Restbuchwerte kann in die Irre führen.

Die zusätzlichen, durch eine eventuelle Ersatzentscheidung ausgelösten Zahlungen und Zahlungsänderungen, müssen hinsichtlich ihrer Höhe und ihres zeitlichen Anfalls geschätzt werden.

Der Theorie nach müssten auch die weiteren Folgeinvestitionen betrachtet werden (vgl. z. B. Götze, S. 260 ff.). Aber da es in der Praxis kaum möglich ist, auch nur die übernächste Maschinengeneration exakt zu planen, wird auf die Diskussion dieses Aspektes verzichtet.

Bewertung bei gleichen Maschinen

Analyse der Maschinen vor dem ersten Kauf

Im ersten Schritt sollen die hochgerechneten Daten der zurzeit geplanten (aber noch nicht gekauften) Maschine analysiert werden. Dann wird in einem weiteren Schritt herausgearbeitet, wie bei einer bereits gekauften Maschine vorzugehen ist. Es wird zunächst eine Standardmaschine untersucht, welche jederzeit verkauft werden kann.

Es sei angenommen, dass die die Maschine einen Kaufpreis inkl. aller Nebenkosten von 100 T€0 zum Startzeitpunkt t=0 aufweist. Dieser Zeitpunkt ist auch durch den Index "0" in der Einheit "€0" abgebildet (vgl. zu dieser Darstellungsform Hoberg (2018), S. 468 ff.). Dies ist wichtig, weil die Zeitpunkte in den statischen Modellen der Ersatzentscheidungen falsch abgebildet werden. Dies gilt teilweise auch für die dynamischen Verfahren, was im Folgenden korrigiert wird.

Erstaunlicherweise empfehlen einige Autoren trotzdem die Modelle der statischen Investitionsrechnung, wobei dann der Restbuchwert der bestehenden Anlage aus der Buchhaltung (vgl. z. B. Stopka/Urban, S. 99 ff.) statt des marktorientierten Restwertes angesetzt wird. Dies ist falsch, weil beim Verkauf am Markt nur durch Zufall der Restbuchwert erzielt werden kann. In fast allen anderen Fällen sollte der Buchwert für die Entscheidung unerheblich sein. Eine minimale Zins-Wirkung hat er über die ev. Vorziehung einer außerordentlichen Abschreibung bzw. eines a. o. Ertrages aus steuerlicher Sicht.

Die Verfahren der statischen Investitionsrechnung werden somit im Folgenden nicht mehr betrachtet (zu den Details und insb. den Problemen vgl. Hoberg (2023), S. 1 ff.).

Es werden somit die dynamischen Verfahren eingesetzt (vgl. Hoberg (2024), S. 1). Eine ihrer wichtigen Stärken besteht darin, dass die Zeitpunkte des Anfalls von Zahlungen exakt erfasst und verarbeitet werden. Da dieser Vorteil in der Literatur nicht immer richtig ausgenutzt wird, müssen die eingesetzten Verfahren modifiziert werden.

Nach der erfolgten Schätzung der Zahlungsänderungen einschließlich der Zeitpunkte ihres Anfalls tritt das Problem der intraperiodischen Verzinsungen auf. Dies bedeutet, dass die Rohdaten nicht sofort weiterverarbeitet werden können, weil praktisch alle Verfahren der Investitionsrechnung davon ausgehen, dass die Zahlungen jeweils am Ende des Jahres eintreffen (vgl. z. B. Götze, S. 80). Diese Annahme trifft aber in der Realität offensichtlich fast nie zu.

Die Lösung liegt in der intraperiodischen Verzinsung, mit der alle Zahlungen, die innerhalb des Jahres anfallen, auf einen einheitlichen Vergleichszeitpunkt verzinslich bezogen werden (vgl. z. B. Varnholt/Hoberg/Wilms/Lebefromm, S. 32 ff.).

Die Anwendung sei für die Anschaffungsauszahlung der neuen Anlage gezeigt. Es sei angenommen, dass der tatsächliche Kaufpreis von 102.411 €M3 erst nach 3 Monaten bezahlt werden muss. Die Einheit €M3 wird verwendet, um zu zeigen, dass der Zeitindex monatlich läuft und nicht jährlich wie in den späteren Ausführungen. Um die Zahlung auf den Zeitpunkt t=0 zu beziehen, muss sie somit um 3 Monate abgezinst werden. Es ergibt sich ein Betrag von 102.411 €M3/(1,1(3/12)M3 / €M0) = 100.000 €M0 (gerundet) per t=0.

Die weiteren Daten für den Maschinentyp sind in der folgenden Tabelle angegeben und dann auch weiter verarbeitet:

Kalkulationszinssatz effektiv: 10% p.a.
      J A H R E S E N D E t=
    Einheit 0 1 2 3 4 5
1 Markt-Restwert t 100.000 80.000 60.000 40.000 20.000 1.000
2 Nebenkosten Verkauf t   1.000 1.000 1.000 1.000 1.000
3 Nettorestwert t   79.000 59.000 39.000 19.000 0
4 Barwert Restwert 0   71.818 48.760 29.301 12.977 0
5 Wertverzehr in 0 0
–28.182 –51.240 –70.699 –87.023 –100.000
6 Wartung/Reparatur t   –1.000 –2.000 –3.000 –8.000 –10.000
7 Zus. variable Kosten t   0 –1.000 –1.500 –2.000 –3.000
8 Saldo Kosten t   –1.000 3.000 4.500 –10.000 –13.000
9 Barwert Saldo 0
–909 –2.479 –3.381 –6.830 –8.072
10 kumuliert 0   –909 –3.388 –6.769 –13.599 –21.671
11 Summe BWs 0
–29.091 –54.628 –77.468 –100.622 –121.671
12 WGF jährlich 1;t / €0   110,00% 57,62% 40,21% 31,55% 26,38%
13 Jährliche Annuität 1;t   –32.000 –31.476 –31.151 –31.743 –32.097
WGF jährlich:   Jährlicher Wiedergewinnungsfaktor (Kehrwert des Barwertfaktors)
Abb. 2: Beispielsfall für die Daten einer Maschine

In diesem sehr einfachen Fall gelten die erhobenen Daten (weitgehend) unverändert auch für eine eventuelle neue Maschine. Und es geht dabei um eine marktgängige Maschine, für die es einen Gebrauchtmarkt gibt. Daher existieren gute Gebrauchtpreise, die in Zeile 3 der Abb. 2 aufgeführt sind. Bei Sondermaschinen kann es vorkommen, dass die Restwerte sehr schnell gegen Null tendieren. Explizit ausgewiesen sind die Nebenkosten des Verkaufs.

Alternativ könnte auch ein Leasingvertrag angenommen werden, der dann aber - insb. bei großer Flexibilität - deutlich teurer wäre.

Die Abb. 2 berechnet nun die durchschnittlichen jährlichen Auszahlungen (nachschüssig) für den Fall, dass die Laufzeit 1, 2, 3, 4 oder 5 Jahre beträgt. Dazu wird ein 2-stufiges Verfahren angewendet. Im ersten Schritt werden sämtlichen Auszahlungen für die jeweilige Laufzeit nach Abzinsung auf den Vergleichszeitpunkt t=0 (Barwertbildung) gesammelt und addiert. Die entstehende Barwertsumme wird dann mit Wiedergewinnungsfaktoren auf die jeweilige Laufzeit verteilt.

Im Einzelnen werden folgende Rechnungen durchgeführt. Zunächst wird ermittelt, welcher Restwert jeweils am Jahresende erzielt werden könnte. Nach einem Jahr wären es netto 79.000 €1, wie es auch Zeile 3 zeigt. Der Zeitindex "1" in der Einheit €1 weist darauf hin, dass dieser Wert natürlich erst nach einem Jahr zur Verfügung stehen würde. Durch die einjährige Abzinsung ergibt sich bei einem Zinssatz von 10% ein Wert von 79.000 / 1,1 = 71.818 €0 (Zeile 4). Der auf t=0 bezogene Wertverzehr beträgt dann 28.182 €0 (Zeile 5).

Als nächstes sind die laufenden Zahlungen zu erfassen, wobei angenommen wird, dass sie bereits auf das jeweilige Jahresende bezogen wurden (intraperiodische Verzinsung). Laut Beispielsdaten fallen insgesamt am Ende des ersten Jahres Auszahlungen von 1000 €1 an (Zeile 8). Um sie mit dem Wertverzehr, der ja in Zeile 5 auf den Zeitpunkt t=0 bezogen wurde, vergleichen zu können, müssen auch sie um ein Jahr abgezinst werden, was 909 €1 ergibt (Zeile 9). Die Summe der Barwerte der Zahlungen beträgt dann 29.091 €0 (Zeile 11).

Diese Zahl kann auch so interpretiert werden, dass dieser Betrag exakt ausreicht, um die Maschine 1 Jahr betreiben zu können.

Das Ziel der optimalen Nutzungsdauer besteht darin, die geringsten jährlichen Auszahlungen zu haben. Daher muss die Barwertsumme noch in eine jährliche Zahlung (Annuität) umgerechnet werden. Dazu sind Wiedergewinnungsfaktoren notwendig, welche den Kehrwert der Barwertfaktoren BWF darstellen. Ihre Formel lautet (vgl. z. B. Hoberg (2020), S 1 ff., Götze, S. 76 ff.):

BWFn = (qtn –1) / (qtn × i)   in €0 / €1;tn
     
BWFn   Barwertfaktor für nachschüssige Zahlungen
q   Periodenzinsfaktor 1+i,
tn   Anzahl von Perioden
i   Jahreszinssatz

Die für den nachschüssigen Barwertfaktor BWF verwendete Einheit “€0 / €1;tn” bedeutet, dass für jeden € der gleichmäßigen nachschüssigen Zahlungen von t=1 bis t=tn ein bestimmter Betrag in t=0 resultiert. Der nachschüssige Wiedergewinnungsfaktor WGFn ist der Kehrwert des Barwertfaktors BWFn:

WGFn = 1 / BWFn = (qtn × i) / (qtn –1)   in €1;tn / €0

Die Einheit €1;tn / €0 zeigt, dass für jede Geldeinheit in t=0 ein gleicher jährlicher Betrag zu den Zeitpunkten 1 bis tn zurückfließt. Damit wird die jeweilige Barwertsumme auf die Jahresenden verteilt.

Für das erste Jahr ergibt sich mit dem Zinssatz von 10% (=0,1) der nachschüssige Wiedergewinnungsfaktor WGFn wie folgt:

WGFn (i=0,;tn=1) = (1,11 × 0,1) / (1,11 –1)   in €1;1 / €0

   
WGFn (i=0,;tn=1) = 0,11 / 0,1 = 1,1 = 110%    

Dieser Wert ist auch in Zeile 12 aufgeführt. Er wird mit der Barwertsumme multipliziert. Im Sonderfall nur einer Periode reicht also eine Zahlung zum Zeitpunkt t=1 von 32.000 €1, um die Maschine genau ein Jahr zu betreiben (Zeile 13), wobei die Zinsen bereits berücksichtigt sind.

Ab Periode 2 müssen alle laufenden Zahlungen berücksichtigt werden, weswegen in Zeile 11 die Position kumulierte laufende Zahlungen eingefügt ist. Denn neben den laufenden Auszahlungen im zweiten Jahr müssen auch die des ersten Jahres mitberücksichtigt werden. Die Barwertsumme von –54.628 €0 (Zeile 11) muss nun mit dem Wiedergewinnungsfaktor für 2 Jahre multipliziert werden.

WGFn (i=0,;tn=2) = (1,12 × 0,1) / (1,12 –1)   in €1;2 / €0

   
WGFn (i=0,;tn=1) = 0,121 / 0,21 = 1,1 = 57,62%    

Die Multiplikation ergibt für den 2-jährigen Fall eine gleichmäßige Rate von 31.476 €1;2 (Zeile 13 in Abb. 2). Die Rate liegt niedriger als die im Einjahresfall, so dass der Ersatz frühestens nach 2 Jahren kommen darf.

In der gleichen Weise werden die jährlich nachschüssigen Raten für die weiteren Laufzeiten berechnet (Zeile 13 in Abb. 2). Es zeigt sich, dass die auf den 3 jährige Zeitraum berechnete nachschüssige Jahresrate mit 31.151 €1;3 die niedrigste ist.

Schlussfolgerung: Wenn noch alle Entscheidungen offen sind, wäre es im Beispielsfall sinnvoll, die Maschinen alle 3 Jahre auszutauschen, also zu ersetzen. Diese Ersatzstrategie muss allerdings überprüft werden, sobald sich die Daten ändern.

Analyse für eine vorhandene Maschine

Im nächsten Schritt soll die Optimierung für den Fall erfolgen, dass die Maschine bereits gekauft wurde. Die Annahme der unveränderten Daten für alt und neu bleibt zunächst bestehen, so dass die obigen Daten weiterverwendet werden können. Die Fragestellung lautet dann, zu welchem Zeitpunkt die bestehende Maschine ersetzt werden soll. Als Zielsetzung dient wieder die Minimierung der jährlichen Auszahlungen (Annuitäten).

Als Maßstab können die minimalen Auszahlungen einer neuen Maschine verwendet werden, die oben mit 31.151 €1;3 für eine 3-jährige Nutzungsdauer ermittelt wurden. Für den Fall der bereits vorhandenen Maschine ist somit zu prüfen, ob sie nach 1, 2, 3 oder 4 Jahren vorzeitig ersetzt werden soll. Der hier gewählte Jahresrhythmus kann auch enger gefasst werden, wenn es die Sachlage erfordert, was dann aber den Datenaufwand erhöht.

Für eine bereits gekaufte Maschine interessiert nun, wie hoch die zusätzlichen Auszahlungen sein werden, wenn sie ein weiteres Jahr oder mehrere weitere Jahre betrieben wird (grob könnte man das auch als zeitliche Grenzkosten bezeichnen).

      J A H R E S E N D E t=
    Einheit 0 1 2 3 4 5
5 Wertverzehr in t=0 0   –28.182 –51.240 –70.699 –87.023 –100.000
10 kumuliert 0   –909 –3.388 –6.769 –13.599 –21.671
11 Summe BWs 0   –29.091 –54.628 –77.468 –100.622 –121.671
14 Differenz BW-Summe 0   –29.091 –25.537 –22.840 –23.154 –21.049
15 Jährliche Zusatz-AZ t   –32.000 –30.900 –30.400 –33.900 –33.900

Zur besseren Verständlichkeit werden die Zeilen 5, 10 und 11 aus Abb. 2 wiederholt. Die Zeile 11 gab an, wie hoch die Barwertsumme aller Zahlungen ist, wenn die Maschinen 1, 2, 3, 4 oder 5 Jahre betrieben werden. Um auf die Jahreswerte zu kommen, werden nun die Differenzen der Barwertsummen gebildet, so dass die zusätzlichen Auszahlungen für das Jahr 2 gemäß Zeile 14 den Wert von 54.628 – 29091 = 25.537 €0 annehmen. Da die Zahlungen nachschüssig kommen, gilt für das zweite Jahr der Zeitpunkt t=2, so dass eine 2-jährige Aufzinsung erfolgen muss, was dann 30.900 €2 ergibt.

Da dieser Wert im zweiten Jahr unter dem optimalen Wert einer neuen Maschine von 31.151 €1;3 liegt, wird die vorhandene Maschine noch nicht ersetzt. Als nächstes muss das dritte Jahr geprüft werden, wobei das gleiche Schema zur Anwendung kommt. Gemäß Zeile 15 betragen die zusätzlichen Auszahlungen im dritten Jahr 30.400 €3, was wiederum unter den minimalen Auszahlungsannuitäten einer neuen Maschine liegt. Das dritte Jahr wird somit auch noch mit der alten Maschine absolviert.

Erst im vierten Jahr liegen die Grenzauszahlungen mit 33.900 €4 höher, so dass das vierte Jahr nicht mehr mit der alten Maschine bestritten wird. Der Ersatz der vorhandenen Maschine erfolgt somit nach 3 Jahren. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass in einigen Fällen auch mehrjährige Verlängerungen geprüft werden müssen. Wenn – anders als im Beispiel - im 5. Jahr wieder sehr geringe Auszahlungen anfallen, kann es sinnvoll sein, nicht nach dem vierten Jahr zu ersetzen.

Modifikation für Sondermaschinen

Im obigen Beispiel war angenommen worden, dass die Maschinen ohne größere Probleme weiterverkauft werden können. Dies ist häufig bei Standardmaschinen der Fall. Handelt es sich jedoch um Spezialmaschinen, die nicht oder nur schwer an anderer Stelle eingesetzt werden können, sinkt der Marktwert sofort, teilweise auf Null oder im Extremfall in den negativen Bereich, wenn der Abbruch noch Geld kostet.

Damit ändert sich die Zahlungsstruktur. Der Wertverlust ist nicht mehr über die Nutzungsdauer verteilt, sondern geschieht gleich zu Beginn, obwohl der buchhalterische Restwert dies nicht zeigt. Die Bilanz kann dann Sprengstoff enthalten.

Damit ergibt sich die neue Kalkulation wie folgt:

Kalkulationszinssatz effektiv: 10% p.a.
      J A H R E S E N D E t=
    Einheit 0 1 2 3 4 5
1 Markt-Restwert t 100.000 10.000 0 0 0 0
2 Nebenkosten Verkauf t   1.000 1.000 1.000 1.000 1.000
3 Nettorestwert t   9.000 –1.000 –1.000 –1.000 –1.000
4 Barwert Restwert 0   8.182 –826 –751 –683 –621
5 Wertverzehr in t=0 0
–91.818 –100.826 –100.751 –100.683 –100.621
6 Wartung/Reparatur t   –1.000 –2.000 –3.000 –8.000 –10.000
7 Zus. variable Auszahl t   0 –1.000 –1.500 –2.000 –3.000
8 Saldo Kosten t   –1.000 –3.000 –4.500 –10.000 –13.000
9 Barwert Saldo 0
–909 –2.479 –3.381 –6.830 –8.072
10 kumuliert 0   –909 –3.388 –6.769 –13.599 –21.671
11 Summe BWs 0
–92.727 –104.215 –107.521 –114.282 –122.292
12 WGF jährlich 1;t / €0   110,00% 57,62% 40,21% 31,55% 26,38%
13 Jährliche Annuität 1;t   –102.000 –60.048 –43.236 –36.053 –32.260
WGF jährlich:   Jährlicher Wiedergewinnungsfaktor (Kehrwert des Barwertfaktors)
Abb. 4: Kalkulation für eine Spezialmaschine

Es ist im Beispiel angenommen, dass nach einen Jahr noch ein geringer Restwert von 10.000 €1 erzielt werden kann (Zeile 1in Abb. 4). Damit wird die einjährige Nutzung mit 102.000 €1 (Zeile 13) extrem teuer gegenüber den 32.000 €1 in Abb. 2. Wenn ein derartiger Verlauf des Restwertes angenommen werden muss, ändert sich die Strategie wesentlich. Um den anfänglichen hohen Wertverlust ausgleichen zu können, sollte die Maschine möglichst lange verwendet werden. Im obigen Beispiel wären es dann 5 Jahre.

Zur gleichen Schlussfolgerung führt auch die Analyse der zusätzlichen Auszahlungen:

      J A H R E S E N D E t=
    Einheit 0 1 2 3 4 5
5 Wertverzehr in t=0 0   –91.818 –100.826 –100.751 –100.683 –100.621
10 kumuliert 0   –909 –3.388 –6.769 –13.599 –21.671
11 Summe BWs 0   –92.727 –104.215 –107.521 –114.282 –122.292
14 Differenz BW-Summe 0   –92.727 –11.488 –3.306 –6.762 –8.010
15 Jährliche Zusatz-AZ t   –102.000 –13.900 –4.400 –9.900 –12.900
Abb. 5: Zusätzliche Auszahlungen pro Jahr für die Spezialmaschine

Die relevanten zusätzlichen Auszahlungen liegen gemäß Zeile 15 in Abb. 5 weit unter dem Minimum von 32.260 €1;5 in Abb. 5. Schlussfolgerung: Bei Spezialmaschinen ist c.p. fast immer eine sehr lange Nutzungszeit sinnvoll.

Der Kauf von Spezialmaschinen erfordert somit die erhöhte Aufmerksamkeit des Controllers, weil Fehlentscheidungen besonders schlimme Auswirkungen haben.

Probleme des Standardmodells

Die Anwendung des Standardmodells ist nicht immer möglich, weil Folgemaschinen fast regelmäßig andere quantitative und qualitative Eigenschaften aufweisen. Zudem gib es einige implizite Anwendungsvoraussetzungen, welche in der Literatur kaum erwähnt werden. Der Wechsel von Fahrzeugen mag noch halbwegs problemlos sein, aber spätestens bei Eingriffen in die Produktion tauchen i. d. R. zahlreiche zusätzliche Kosten auf.

Folgende implizite Annahmen müssen expliziert werden, damit möglichst alle Auszahlungen erfasst werden:
  1. Keine Betriebsunterbrechung – Austausch am Wochenende 
  2. Kosten des eigenen Personals fällt häufig unter den Tisch 
  3. Keine Installationskosten (bzw. sie sind integriert im Kaufpreis) 
  4. Keine Anlaufschwierigkeiten 
  5. Gleich bleibende Kaufpreis 
  6. Gleiche Qualität und Qualität

zu a): Nicht selten dauert es viele Tage eines gut eingespielten Teams aus eigenen und fremden Mitarbeitern, um eine Maschine zum Laufen zu bringen. Um die Produktion nicht zu gefährden, wird dazu auch das Wochenende nicht verschont, was zu hohen Zuschlägen führt.

zu b): Auch die Planung durch das eigene Personal kann sehr aufwändig sein. Das betrifft viele Abteilungen.

zu c): Zur Installation wird der Lieferant häufig ein Team vorbeischicken, das mehrere Wochen beschäftigt ist und damit entsprechende Auszahlungen verursacht.

zu d): Üblicherweise brauchen die Mitarbeiter einige Zeit, um mit den Maschinen vertraut zu werden und die Leistung zu erhöhen.

zu e): Im obigen Modell galt die Annahme, dass die Kaufpreise sich im Zeitablauf nicht ändern.

zu f): Üblicherweise ermöglicht es der technische Fortschritt, dass die Maschinen schneller und besser laufen, was dann berücksichtigt werden müsste.

Im Teil 2 des Beitrags wird ein Teil dieser unrealistischen Annahmen aufgelöst.

Schlussfolgerungen zu Teil 1

Bei den Untersuchungen zum optimalen Ersatzzeitpunkt muss darauf geachtet werden, dass die Ein- und Auszahlungen methodisch korrekt verglichen werden. Saldiert werden darf immer nur, wenn die Größen auf den gleichen Bezugszeitpunkt bezogen wurden. Die angewendete genauere Schreibweise für die Einheiten unterstützt dabei.

Auf keinen Fall darf die Entscheidung auf Basis von historischen Buchwerten getroffen werden. Insb. bei dem aktuellen Wert der alten Maschine sind die Marktwerte nach Abzug von Transaktions- und Abbaukosten zu berücksichtigen. Das Ziel besteht bei gleichwertigen Maschinen in der Minimierung der Auszahlungen pro Jahr. Zu ihrer Berechnung wird die Barwertsumme gebildet und dann auf die jeweilige Laufzeit verteilt.


Literatur




letzte Änderung P.D.P.H. am 06.12.2024
Autor:  Prof. Dr. Peter Hoberg


Autor:in
Herr Prof. Dr. Peter Hoberg
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms. Seine Lehrschwerpunkte sind Kosten- und Leistungsrechnung, Investitionsrechnung, Entscheidungstheorie, Produktions- und Kostentheorie und Controlling. Prof. Hoberg schreibt auf Controlling-Portal.de regelmäßig Fachartikel, vor allem zu Kosten- und Leistungsrechnung sowie zu Investitionsrechnung.
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