1. Aktuelle Herausforderungen für das Produktionsmanagement
Die Produktion ist der Kern der Wertschöpfung in den Industrieunternehmen. Aufgrund der steigenden Wettbewerbsintensität müssen dort zunehmend Erfolgspotenziale entwickelt und ausgeschöpft werden [1]. Die Nutzung der
produktionswirtschaftlichen Erfolgspotenziale wird durch zwei Herausforderungen an das Produktionsmanagement geprägt:
- Zunehmend individuellere Kundenwünsche
führen zu einer steigenden Vielfalt an Produktvarianten und erfordern eine flexible Fertigung.
-
Daraus folgt die produktive Anwendung flexibler Technologien. Dazu gehören die Automatisierung und Robotik, mit ihren hohen Fixkosten
-
Die Unsicherheiten in den globalen Lieferketten führen zu einer Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland [2]. Die hohen Lohnstückkosten und die hohen Fixkosten erfordern eine effektive Anlagennutzung.
Die
rentable "Beherrschung einer
flexiblen Produktion" [3] wird so zu einem Erfolgsfaktor für das Unternehmen. Das
Produktionsmanagement entscheidet wesentlich darüber, wie wertschöpfend die Produktion durchgeführt und damit welchen Beitrag sie zum Unternehmenserfolg leistet. In den operativen Entscheidungen des Produktionsmanagements geht es um die Steigerung der Produktivität [4]. Damit diese rentabel ist, sollte das Produktionsmanagement durch ein operatives Produktionscontrolling unterstützt werden.
2. Das operative Produktionscontrolling als Business Partner des Produktionsmanagements
Entscheidungskompetenz und Verantwortung für die Wertschöpfung in der Produktion liegen beim
Produktionsmanagement. Bei der Entscheidungsfindung und -umsetzung wird es vom
Produktionscontrolling durch die Bereitstellung relevanter Informationen unterstützt [4]. Diese Unterstützungsfunktion zeigt sich zum einen in der Koordination von Produktionsplanung, -steuerung und -kontrolle durch ein produktionswirtschaftliches Informationsversorgungssystem (systembildende Koordination).
Zum anderen in der Abstimmung des produktionswirtschaftlichen Teilplanes mit den anderen Funktionsbereichsplänen, z.B. dem Vertriebsplan und der Gesamtplanung des Unternehmens (systemkoppelnde Koordination) [5] mit dem Zweck, das Erfolgsziel des Unternehmens zu erreichen [6]. Dem entsprechend lassen sich die Aufgaben des Produktionscontrollings phasentypisch in Produktionsplanung, -steuerung, und -kontrolle sowie Informationsversorgung gliedern [7].
Thematisiert man die
operativen Entscheidungen des Produktionsmanagements, dann geht es um die
Informationsbereitstellung für die Produktionssteuerung in einer Periode durch das
operative Produktionscontrolling. In den Fokus rückt die wirtschaftliche Umsetzung von Produktionsplänen. Die Produktionssteuerung erfolgt parallel zu den Maßnahmen im Produktionsprozess und wird bei Störungen notwendig. Das Produktionsmanagement greift in diesen Fällen durch
Steuerungsimpulse in den Fertigungsprozess ein, um durch Gegensteuerungsmaßnahmen die (kurzfristigen) Produktivitätsziele zu erreichen. Es lassen sich folgende Störungsarten unterscheiden:
- Planungsfehler, z.B. in Stücklisten, Terminvorgaben, Maschinenbelegung.
- Personalbedingte Störungen, z.B. Bearbeitungsfehler, fehlende Mitarbeiter.
- Betriebsmittelbedingte Störungen z.B. Maschinenausfälle, ungeplante Wartungsarbeiten, maschinenverursachte Qualitätsprobleme;
- Materialfehler, z.B. fehlerhafte Zulieferteile, Energiemangel oder –ausfälle.
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Diese Störungen reduzieren die Verfügbarkeit der Anlagen, führen zu Leistungsverlusten und Qualitätsproblemen (Ausschuss, Nacharbeit) in der Fertigung. Für das operative Produktionscontrolling folgen aus verspäteten oder unvollständigen Lieferungen unter Umständen Preisnachlässe. Vor allem aber höhere Fertigungskosten, insbesondere Lohn-, Material- und über die höhere Kapitalbindung steigende Kapitalkosten.
Es ist daher die Aufgabe des operativen Produktionscontrollings,
-
Informationen zur Identifizierung und Beseitigung von Produktionsstörungen an das Produktionsmanagement bereitzustellen.
- die Erfolgswirkungen dieser Störungen monetär zu bewerten.
Das operative Produktionscontrolling kann diese Aufgaben erfüllen, wenn es sich als
Business Partner [8] für das Produktionsmanagement versteht. Es sollte als "Management-Berater" und "Sparringspartner" diese Störungen aus der Perspektive der Wirtschaftlichkeit und der Wertschöpfung [9] kritisch hinterfragen und proaktiv an der Entwicklung von Gegensteuerungsmaßnahmen mitarbeiten [10].
Die Voraussetzung dafür ist [11], dass die am Produktivitätsziel ausgerichteten technischen
Kennzahlen, d.h. Mengen-, Qualitäts- und Zeitgrößen, mit erfolgszielorientierten und damit monetären Steuerungsgrößen kombiniert werden. Diese Kennzahlenkombinationen sind für die Steuerung der Wertschöpfung von zentraler Bedeutung.
3. Technisch-betriebswirtschaftliche Kennzahlenkombinationen zur Steuerung der Wertschöpfung
Die Produktion ist am Sachziel der "
Produktivität" ausgerichtet:
Produktivität
|
=
|
Ausbringungsmenge (Ist-Output)
|
Einsatzmenge (Ist-Input)
|
Bei einer Produktivität > 1 ist die Menge der hergestellten Produkte höher als die Menge der eingesetzten Güter. Die Höhe der Produktivität lässt noch keine Aussage über die
Wirtschaftlichkeit der Produktion zu. Zu hohe Beschaffungs- sowie Fertigungskosten und / oder zu niedrige Verkaufspreise für die Produkte können trotz Produktivität zu Verlusten bzw. dem Verfehlen des Erfolgszieles führen. Es ist daher eine erfolgszielorientierte Bewertung notwendig.
Das operative Produktionscontrolling ist am
kurzfristigen Erfolgsziel ausgerichtet. Es wird häufig über die
Gesamtkapitalrendite (GKR) einer Periode gemessen [12].
GKR in %
|
=
|
BE
|
×
|
Ut
|
=
|
RoS
|
×
|
TOC
|
Ut
|
Ct
|
BE:
Betriebsergebnis nach Anpassungen
U
t: Umsatzerlöse der Periode
C
t: Gesamtkapital
RoS: Return on Sales =
Umsatzrendite
TOC: Turnover Captial =
Kapitalumschlag
Mit der Entscheidung über die Höhe der anzustrebenden GKR gibt die Unternehmensführung formal vor, wie wirtschaftlich das Unternehmen handeln soll [13]. Wodurch dieses
Erfolgsziel zu erreichen ist, wird durch die
Sachziele für die Funktionsbereiche definiert. Sie konkretisieren die GKR sachlich-inhaltlich [14]. Für das Produktionsmanagement werden Produktivitätsziele insbesondere durch die Festlegung der
Produktionsmenge je Produktart und -variante, einem definierten Qualitätsgrad und den Prozess- bzw. Durchlaufzeiten vorgegeben.
Um die Verbindung zwischen dem Produktivitätsziel und dem Erfolgsziel herzustellen, ist die Spaltung der GKR in die Umsatzrentabilität und den Kapitalumschlag zweckmäßig. Die
Umsatzrendite ist der Maßstab für die Effizienz. Sie zeigt den Anteil am Umsatzerlös, der nach Durchführung der Wertschöpfungsprozesse von der Beschaffung über die Produktion bis zum Vertrieb und den daraus resultierenden Kosten, als Erfolg ausgewiesen werden kann. In den Industrieunternehmen ist der Anteil der Fertigungskosten am Umsatzerlös i.d.R. am höchsten. Ihre Minimierung führt zu einer Erhöhung der Umsatzrendite.
Der
Kapitalumschlag zeigt die Umschlagshäufigkeit des im Wertschöpfungsprozess und insbesondere in der Produktion eingesetzten Kapitals. Er erfasst wie oft das Kapital den Geld-Güter-Geld-Kreislauf von den Auszahlungen für die Beschaffung der Einsatzgüter, der Herstellung und den Einzahlungen aus dem Verkauf der Produkte in einer Periode durchläuft: Je höher der TOC, umso effektiver ist der Kapitaleinsatz und umso geringer die Kapitalkosten.
Damit führt eine Verkürzung der
Durchlaufzeiten zu einer schnelleren Wertschöpfung und damit zu einem höheren TOC. Eine Erhöhung des Kapitalumschlags führt zu einer Reduzierung des Kapitalbedarfs und beeinflusst damit die Gesamtkapitalrentabilität. Er gilt somit als Indikator für die Effektivität des Kapitaleinsatzes. I.d.R. ist die Kapitalbindung im Anlagevermögen der Produktion am höchsten.
Umsatzrendite und Kapitalumschlag lassen sich mit den Mengen-, Zeit- und Qualitätskomponenten des Produktivitätsziels verbinden. Die Gesamtkapitalrendite wird so zur monetären Wirkung, deren Ursachen in der Erfüllung der objektiv messbaren Produktivitätsziele durch das Produktionsmanagement liegen. Diesen Zusammenhang zeigt Abb. 1:
Abb. 1: Der Zusammenhang von Produktivitäts- und Erfolgsziel in der Produktion
Das operative Produktionscontrolling verbindet das
Erfolgs- und Produktivitätsziel [15] und
- zeigt damit die vom Produktionsmanagement beeinflussbaren Ursache-Wirkungszusammenhänge in ihrer Erfolgswirkung auf die GKR und für die Wertschöpfung auf,
- schafft den Grad der Operationalisierung, der zur wirtschaftlichen Planumsetzung und Verhaltenssteuerung des Produktionsmanagements notwendig ist [16],
- ermöglicht eine inhaltlich fundierte Analyse, Planung, Steuerung und Kontrolle des produktionswirtschaftlichen Erfolgs.
Es unterstützt so das Produktionsmanagement bei der wirtschaftlichen Realisierung des Produktivitätsziels, durch Informationen über
- die Steigerung der Produktivität, d.h. steigende Herstellungsmengen in der geforderten Produktqualität, bei definierter Materialausbeute, Ausschuss und Nacharbeit;
- die Minimierung der Durchlaufzeit eines Fertigungsauftrags, um Lagerkosten und Kapitalbindung zu reduzieren;
- die Maximierung der Kapazitätsauslastung, um durch steigende Produktionsmengen sinkende Fixkosten pro Stück zu erreichen;
- die Maximierung der Termintreue, d.h. die Einhaltung vertraglich vereinbarter Auslieferungstermine, bei deren Überschreitung Kosten entstehen, z.B. Konventionalstrafen.
- die Erhöhung der Flexibilität, d.h. die Fähigkeit der Produktion, innerhalb einer bestimmten Zeit für die vorgegebenen Fertigungsaufgaben einsatzbereit zu sein [17]. Das schließt Änderungen der Nachfrage und Störungen im Produktionsablauf mit ein.
4. Ausgewählte operative Kennzahlen zur Steuerung der Wertschöpfung in der Produktion
Wie in Abb. 1 gezeigt, lassen sich die Produktionsmengen-, Produktionsprozess- und Qualitätsziele mit den korrespondierenden Absatz-, Kosten- und Preiszielen verbinden und die Wirkung auf die GKR ermitteln. Im folgenden Abschnitt soll primär die Erfolgswirkung von technischen Produktionsprozess- und Mengenkennzahlen auf die Wirtschaftlichkeit dargestellt werden.
4.1 Produktionsprozessbezogene Kennzahlen: Durchlaufzeit des Fertigungsauftrags
Die
Durchlaufzeit eines Fertigungsauftrags (
DLZFA) zeigt den Materialfluss im Zeitraum zwischen dem Beginn der Auftragsbearbeitung und dessen Bearbeitungsende. Er weist die folgende Struktur auf: Rüsten, Fertigen, Transport zwischen den Fertigungsanlagen und Fertigungskostenstellen sowie lagern in den Werkstattlagern zwischen den Fertigungsabläufen [18]. Die daraus entstehenden Kosten zeigt Abb. 2:
Abb. 2: Durchlaufzeit und Fertigungskosten eines Fertigungsauftrags
DLZ
FA = ∑Fertigungszeit
FA + ∑Rüstzeit
FA + ∑Transportzeit
FA + ∑Lagerzeit
FA
Die
Fertigungszeit ist die Zeit in der ein Produkt tatsächlich in der Fertigung bearbeitet wird und somit eine Wertschöpfung entsteht. Die übrigen Teilprozesse sind mit ihren Zeitanteilen für die Durchführung des Fertigungsauftrags notwendig. Es findet hier jedoch i.d.R. keine Wertschöpfung statt, doch werden Kosten verursacht, wie Abb. 2 zeigt. Eine Minimierung der Durchlaufzeit mit termingenauer Steuerung der Teilprozesse verkürzt die Bereitstellungszeiten an die Kunden und wirkt direkt auf die Kundenzufriedenheit.
Insbesondere die Verkürzung der Fertigungszeit ermöglicht eine höhere Ausbringung einer jeden technischen Anlage, so dass weniger kapitalbindende Betriebsmittel eingesetzt werden müssen. Das reduziert die Kapitalkosten. Die vorhandenen Anlagen werden schneller wieder für eine neue Fertigung frei, so dass die Ausbringungsmenge und die Produktivität steigen. Dies gilt analog für das eingesetzte Personal und die damit verbundenen Personalkosten. Eine Verkürzung der übrigen (Liege-) Zeiten reduziert die Lohn- und Kapitalkosten etc.
Auch der
Fertigungsumlaufbestand, d.h. der Bestand an Halbfertigerzeugnissen in den Werkstattlagern, kann durch eine Minimierung der Durchlaufzeit reduziert werden. Er wird meist als Reichweite in Tagen gemessen und zeigt den Zeitraum, für den ein vorhandener Bestand bei einer durchschnittlichen Fertigungsmenge ausreicht. Eine zu niedrige Reichweite führt zu Engpässen in der Fertigung und Fehlmengenkosten, wenn der Fertigungsauftrag nicht vollständig oder mit Verzögerungen ausgeführt wird. Eine zu hohe Reichweite führt dagegen zu einer höheren Kapitalbindung und steigenden Lagerkosten.
Die Kosten in den Durchlaufphasen können durch das operative Produktionscontrolling aus den
Kostenstellenberichten einfach ermittelt werden. Z.B. entstehen die Fertigungskosten bei der Produktion in den Fertigungskostenstellen. Sie werden für einen Monat, einen Fertigungsauftrag oder pro Stück berechnet. Die Fertigungskosten pro Stück eliminieren die unterschiedlichen Mengen der einzelnen Fertigungsaufträge und ermöglichen daher einen aussagefähigen Kostenvergleich. Dies gilt analog für die Rüst-, Transport- und Lagerkosten.
4.2 Die Overall Equipment Effectivness (OEE): Die Effektivität von Anlagen
Die
Overall Equipment-Effectiveness (OEE) misst die
Effektivität einer Anlage und berücksichtigt alle Störungen, die zu Leistungsminderungen führen. Sie stellt in einem festgelegten Zeitraum, z. B. Schicht, die realisierte Ist-Ausbringungsmenge der Plan-Ausbringungsmenge gegenüber und kann sowohl für eine Anlage als auch für einen Fertigungsauftrag berechnet werden [19]. Den Zusammenhang zwischen Fertigungszeit, -geschwindigkeit, -menge und Qualität der Fertigung sowie mögliche Effektivitätsverluste zeigt Abb. 3.
Abb. 3: Der Aufbau der OEE
Ausgehend von einer festgelegten Periode, bleiben die Zeiträume unberücksichtigt, für die keine Fertigung geplant ist. Es ergibt sich dann die Plan-Fertigungszeit. Sie stellt die Grundlage für die Ermittlung der
Effektivitätsverluste bei Einschränkungen der zeitlichen Verfügbarkeit, des
Leistungsgrads und des
Qualitätsgrads dar:
OEE = Verfügbarkeitsgrad × Leistungsgrad × Qualitätsgrad
Der
Verfügbarkeitsgrad zeigt den Anteil der tatsächlichen Ist-Fertigungszeit an der Plan-Fertigungszeit. Die tatsächliche Fertigungszeit ist der Zeitraum, in dem eine Anlage die Ausbringungsmenge produziert. Die Plan-Fertigungszeit ist der geplante Zeitraum, in dem die Anlage produzieren soll, da sie durch Fertigungsaufträge belegt ist.
Verfügbarkeitsgrad
|
=
|
Ist-FZT in min.
|
Plan-FZT in min.
|
Ist-FZ = Plan-FZ – ∑ST
Ist-FZT = tatsächliche Fertigungszeit in min.
Plan-FZT = geplante, d.h. mögliche Fertigungszeit in min.
ST = Summe der Stillstände in min.
Der
Leistungsgrad zeigt den Anteil der Ist-Fertigungsmenge, d. h. ihrer tatsächlichen Nutzung an der geplanten Ausbringungsmenge innerhalb der tatsächlichen Fertigungszeit.
Leistungsgrad
|
=
|
Ist-FEM in St.
|
Plan-FEM in St.
|
Plan-FEM = Ist-FZT × MTA
Ist-FZT = tatsächliche Fertigungszeit in min.
Plan-FEM = geplante, mögliche Ausbringungsmenge in St.
MTA = maximaler Takt in St./ min
Die
Ist-Ausbringungsmenge ist die in der tatsächlichen Fertigungszeit auf der Anlage produzierte Stückzahl. Die Plan-Ausbringungsmenge ist die Menge, die in der tatsächlichen Fertigungszeit maximal hergestellt werden kann.
Der
Qualitätsgrad weist den Anteil der Gut-Teile an allen produzierten Teilen in der tatsächlichen Fertigungszeit aus.
Qualitätsgrad
|
=
|
AGT in St.
|
Ist-FEM in St.
|
AGT = Ist-FEM – AS
AGT = Ausbringungsmenge Gut-Teile in St
AS = Ausschuss in St.
Die
Ausbringungsmenge der Gut-Teile wird ermittelt, indem von der tatsächlichen Ausbringungsmenge die Stückzahl subtrahiert wird, deren Merkmale außerhalb der vorher definierten Toleranzgrenzen liegen. Die Gründe für mögliche Effektivitätsverluste zeigt Abb. 4:
Abb. 4: Übersicht über Effektivitätsverluste
Die Höhe der
Effektivitätsverluste zeigt dem operativen Produktionscontrolling die Potentiale für Produktivitätssteigerungen und Kostensenkungen, die zuerst zu heben sind.
Beispiel: Der Betrachtungszeitraum ist eine B Kalenderwoche. Die Produktion arbeitet in zwei Schichten je 7,5 Std. pro Arbeitstag, 5 Tage in der Woche. Für Rüstzeiten sind 10 Stunden, für die Instandhaltung 5 Stunden ermittelt worden. Auf der Anlage können maximal 2 Stück pro Stunde gefertigt werden. Die Ist-Fertigungsmenge beträgt 120 Stück, davon sind 20 Teile Ausschuss. Die Basis der Berechnung ist die mögliche Stundenzahl 7 AT x 24 Std. = 168 Std.
Kalenderwoche
|
Std.
|
168,0
|
geplanter Stillstand: Wochenende 2 Tage
|
Std.
|
– 48,0
|
eine nicht belegte Schicht mit 7,5 Std. 5 Tage
|
Std.
|
– 37,5
|
Plan-Fertigungzeit
|
Std.
|
82,5
|
Rüstzeiten
|
Std.
|
– 10,0
|
lnstandhaltung
|
Std.
|
– 5,0
|
lst-Fertigungszeit
|
Std.
|
67,5
|
Abb. 5: Berechnung von Plan- und Ist-Fertigungszeit
Verfügbarkeitsgrad
|
=
|
Ist-FZT 67,5 Std.
|
×
|
100
|
=
|
81,8 %
|
Plan-FZT 82,5 Std.
|
Leistungsgrad
|
=
|
Ist-FEM 120 St.
|
×
|
100
|
=
|
88,8 %
|
Plan-FEM135 St.
|
Plan-FEM = 67,5 Std. × 2 St. / Std. = 135 St.
Qualitätsgrad
|
=
|
AGT 100 St.
|
×
|
100
|
=
|
83,3 %
|
Ist-FEM120 St.
|
OEE =81,8 % × 88,9 % × 83,3 % = 60,6 %
Der geplante Stillstand lässt sich in Abb. 5 ablesen. Dies gilt analog für die zur Fertigung nicht-verfügbaren Stunden für Rüstzeiten und Instandhaltung. Sie bilden ggf. ein Potential um sich der Plan-Fertigungszeit zu nähern. Um die Effektivitätsverluste aus Leistung und Qualität in Stunden messen zu können, müssen der Leistungs- und der Qualitätsgrad in Fertigungsstunden umgerechnet werden. Dazu ist zunächst die Soll-Fertigungszeit zu ermitteln:
Soll-Fertigungszeit
|
=
|
Ist-FEM 120 St.
|
=
|
60 Std.
|
max. Stückzahl pro Std. 2 St.
|
Tatsächlich wurden jedoch 67,5 Stunden zur Fertigung benötigt. 7,5 Fertigungsstunden sind durch Leistungsverluste, z. B. langsamere Geschwindigkeit, verursacht. Hier sind die Ursachen durch das operative Produktionscontrolling zu ermitteln und zu berichten.
Die
Höhe der Effektivitätsverluste zeigt dem operativen Produktionscontrolling die Potentiale für
Produktivitätssteigerungen und Kostensenkungen. Abb. 6 zeigt die Struktur der OEE und die Effektivitätsverluste.
Auswertung
|
%
|
Stillstände/Verluste
|
Std.
|
OEE davon
|
60,6
|
geplanter Stillstand
|
– 85,5
|
Verfügbarkeitsgrad
|
81,8
|
Verfügbarkeitsverlust
|
– 15,0
|
Leistungsgrad
|
88,9
|
Leistungsverlust
|
– 7,5
|
QuaIitätsgrad
|
88,3
|
Qualitätsverlust
|
– 10,0
|
Abb. 6: OEE und die Effektivitätsverluste
Gemäß Abb. 4 ermöglicht die Steigerung der Verfügbarkeit dieser Anlage die höchsten Effektivitätsgewinne. Im Betriebsvergleich ist diese OEE unterdurchschnittlich. Industrieunternehmen erreichen eine OEE zwischen 65 und 85 % [20], Spitzenunternehmen einen Verfügbarkeitsgrad 90 % × Leistungsgrad 95 % × Qualitätsgrad 99 % = OEE 84,7 % [21].
Als Leistungsmaßstab kann die OEE das Ziel von Manipulation durch das Produktionsmanagement sein. In der Praxis werden verschiedene Manipulationsmöglichkeiten genutzt [22]:
- Statt die Zeit je Rüstvorgang zu verkürzen, wird die Anzahl der Rüstvorgänge reduziert. Weniger Umrüsten führt jedoch zu höheren Beständen, erhöht die Kapitalkosten und reduziert die Flexibilität der Fertigung.
- Verschiebungen von geplanten Instandhaltungsmaßnahmen von der Fertigungsschicht, z.B. auf das Wochenende führen zu einer Erhöhung der Instandhaltungskosten durch entsprechende Lohnzuschläge.
- Kurzfristige Ausplanungen der Anlage.
- Die Berechnung der Plan-Ausbringungsmenge auf Basis einer niedrigeren Maximalgeschwindigkeit, als technisch möglich. Damit wird der Leistungsgrad beeinflusst.
Ergänzend zum Qualitätsgrad der OEE sollte die Kennzahl "
First Pass Yield"(
FPY), d.h. die Erstausbeute verwendet werden. Die FPY erfasst den Anteil der Gut-Teile an der gesamten Ausbringungsmenge, die bereits nach dem ersten Fertigungsdurchlauf, d.h. ohne Nacharbeiten, fehlerfrei sind.
Die FPY lässt sich für jeden einzelnen Fertigungsvorgang ermitteln. Sie zeigt die Schwachstellen der Produktion auf. Je höher die Erstausbeute, umso weniger Schlechtteile die nachbearbeitet werden müssen und umso niedriger die Fehlerkosten aus zusätzlichem Materialverbrauch und Mehrlohn.
4.3 Every Part Every Interval (EPEI) als Kennzahl für die Flexibilität der Produktion
Eine Herausforderung für die Produktion ist die kundenspezifische Problemlösung. Unterschiedliche Ansprüche der Kunden an Funktionalität und Design führen zu einer
Vielzahl von Produktvarianten mit sinkenden Seriengrößen. Die Kundenbestellungen definieren die Fertigungsmengen. Daher muss das Produktionsmanagement festlegen, welche Produktvariante in einem Fertigungsintervall hergestellt wird.
Fertigungsintervalle werden je nach Produkt in Stunden usw. gemessen. Ein Fertigungsintervall wird wesentlich von der Seriengröße beeinflusst: Je größer die Stückzahl einer Serie, desto länger ist das Fertigungsintervall. Die
Seriengröße wird wiederum von der Flexibilität des Fertigungsprozesses beeinflusst. Je kürzer das Fertigungsintervall, desto höher ist die Flexibilität.
In vielen Fertigungssystemen werden die Produktvarianten zu hohen Stückzahlen in einer Serie zusammengefasst, um die Rüstzeiten zwischen den Produkten zu minimieren. Die Folge ist, dass z. B. an einem Tag nur eine Produktvariante hergestellt wird. Bestellt der Kunde eine Produktvariante, die am Montag und eine zweite, die am Freitag hergestellt wird, kann die Lieferung erst am Freitag erfolgen. Die Produktion ist relativ starr und führt zum Aufbau von
Lagerbeständen und
Lagerkosten.
Mit der Kennzahl
EPEI wird die Seriengröße so aufgeteilt, dass jedes Teil und jede Produktvariante in jedem Fertigungsintervall hergestellt wird. Es wird die kleinste herstellbare Seriengröße gesucht, um die Flexibilität der Produktion zu erhöhen. Das EPEI zeigt das Zeitintervall (hier in Tagen), in dem ein geplantes Produktionsprogramm mit seinen Produktvarianten auf einer Anlage hergestellt werden kann. Es gibt die kürzeste Zykluszeit an, in der eine Produktvariante wieder auf der Anlage gefertigt wird.
Je niedriger das EPEI, desto höher ist die Flexibilität der Fertigung.
EPEI = (Summe Ausführungszeit aller Varianten + Summe Rüstzeit aller Varianten) / (Anzahl Anlagenkapazitäten × Verfügbarkeitsgrad × Arbeitszeit pro Tag)
Das EPEI zeigt, wie lange die Fertigung benötigt, um die vom Kunden bestellte Variante fertigen zu können. Ihre Verwendung ermöglicht die Glättung von Beschäftigungsspitzen aufgrund der Kundenbestellungen in der Produktion. Dadurch werden die
Durchlaufzeiten gesenkt, weil
Rüstzeiten minimiert werden, die Produktion wird verstetigt, Schwankungen der Kapazitätsbedarfe und Lagerbestände nivelliert, so dass die Puffer in der Kapazität und der Vorratshaltung abgebaut werden können. Das senkt die Rüst- und Kapitalkosten.
Beispiel: Von einem Kunden wurden die folgenden Produktvarianten bestellt (Abb. 5).
Produktvariante
|
Fertigungsauftrag
|
Ausführungszeit / Stück
|
Ausführungszeit
|
Rüstzeit
|
Auftragszeit
|
|
St.
|
ta in min
|
Ta in min
|
tr in min
|
T in min
|
A1
|
90
|
2
|
180
|
20
|
200
|
A2
|
80
|
3
|
240
|
40
|
280
|
A3
|
75
|
2,5
|
187,5
|
35
|
223
|
A4
|
85
|
1,5
|
127,5
|
50
|
178
|
A5
|
70
|
3,5
|
245
|
15
|
260
|
Summe
|
400
|
|
980
|
160
|
1.140
|
Abb. 7: Übersicht über die Fertigungsaufträge und die Auftragszeiten
Zunächst ist die
Fertigungskapazität zu berechnen: Für einen Arbeitstag stehen zwei Schichten mit je 7,5 Arbeitsstunden bereit, bei einem Verfügbarkeitsgrad von 90 %:
Fertigungskapazität in min = 2 Schichten × 0,9 × (7,5 Std. x 60 min) = 810 min
Durch Einsetzen in die o.g. Formel errechnet sich ein
EPEI=(1.140 min) / (810 min) = 1,407 Tage
Das EPEI bedeutet, dass nach 1,4 Tagen die gleiche Produktvariante wieder gefertigt werden kann. Multipliziert man die nivellierte tägliche Produktionsmenge einer Produktvariante mit dem EPEI, erhält man die minimale
Seriengröße mit der das Werkstück auf der Anlage gefertigt werden muss, damit deren Kapazität für die Fertigung und das Rüsten aller Produktvarianten ausreicht. Die Fertigung wird damit flexibel auf die Kundenbestellungen ausgerichtet.
Beispiel: Die Kundenbestellungen für die jeweiligen Kalenderwochen zeigt die u. g. Tabelle (Abb. 6).
Zeitraum KW
|
KW 1
|
KW 2
|
KW 3
|
KW 4
|
Summe
|
0 Menge
|
Kundenbestellung
|
968
|
1.132
|
1.160
|
1.340
|
4.600
|
1.150
|
Nivellierte Fertigungsmenge
|
1.150
|
1.150
|
1.150
|
1.150
|
4.600
|
|
Kumulierte Fertigungsmenge
|
1.150
|
2.300
|
3.450
|
4.600
|
|
|
Auslieferungsmenge
|
968
|
2.100
|
3.260
|
4.600
|
|
|
Bestandsentwicklung
|
182
|
200
|
190
|
0
|
|
|
Abb. 8: Nivellierung der Fertigungsmenge
Die Kundenbestellungen führen zu unterschiedlich hohen Produktionsmengen. Um die daraus folgenden Schwankungen in der Fertigung zu nivellieren, wird hier mit der Durchschnittsbildung ein einfaches Verfahren der Nivellierung verwendet. Abb. 6 zeigt, dass nun 4 Wochen eine
konstante Fertigungsmenge von 1.150 Stück hergestellt werden kann.
Die
kumulierte Auslieferungsmenge informiert darüber, dass die Kundenbedarfe in jeder Woche vollständig gedeckt werden. Die Bestandsentwicklung verdeutlicht, dass bis zum Ende des Monats die aufgebauten Bestände wieder vollständig abgebaut sind, so dass kein Bestandsrisiko und keine Kapitalkosten aus den Beständen entstehen.
Führt man das Beispiel mit der oben errechneten EPEI-Kennzahl mit einer Maschinenlaufzeit von 5 Arbeitstagen (AT) pro Woche weiter, errechnet sich folgende minimale Seriengröße für das Produkt:
Xsmin
|
=
|
1.150 St.
|
×
|
1,4 AT
|
=
|
322 St.
|
5 AT
|
An jedem Arbeitstag einer Woche müssen mindestens 322 St. hergestellt werden, damit der Kunde entsprechend seiner Bestellung beliefert werden kann.
4. Fazit
Die vorgeschlagenen Kennzahlenkombinationen unterstützen das operative Produktionscontrolling bei der Steuerung von Effektivität und Flexibilität in der Produktion. Sie stellen eine objektiv nachvollziehbare Beziehung zwischen Produktivitäts- und Erfolgsziel her. Damit wird es dem
operativen Produktionscontrolling ermöglicht, das Produktionsmanagement bei einer wirtschaftlichen Produktivitätssteigerung zu unterstützen.
Fußnoten:
[1] Reim (2022), S. 16 ff und S. 518 ff;
[2] Das Ifo-Insititut verweist im März 2022 auf die Rückverlagerungspläne der Produktion von 50 % der in China produzierenden deutschen Unternehmen.
[3] Obermeier (2016), S. 3-34, hier S. 12;
[4] Günther und Tempelmeier (2012), S. 26 ff;
[5] Seijdic (2019), S. 59
[6] Vgl. zum Erfolgsziel ausführlich Reim (2022), S.6 ff;
[7] Seijdic (2019), S. 59;
[8] Horvath et. al. (2020), S.112 ff;
[9] Reim (2022), S. 60 ff;
[10] Vgl. die Studie von Schäffler und Brückner (2019), S. 14 -31, hier S. 21;
[11] Schnell (2018), S. 22: Produktionscontrolling und Produktionsmanagement sollen die gleiche Sprache nutzen.
[12] Alternativ könnte auch die absolute Gewinngröße "Residualgewinn" verwendet werden. Vgl. zur Berechnung und Ermittlung der Anpassungen Reim (2022), S. 667 ff;
[13] Erfolgs- und Liquiditätsziele werden als Formalziele bezeichnet, vgl. Horvath, Gleich, Seiter (2020), S. 145;
[14] Weber, Bramsemann u.a. (2017), S. 32 ff;
[15] Vgl. Horvath, Gleich, Seiter (2020), S. 145 zur Dualität von Leistungs- und Formalzielen für eine Periode;
[16] Reichmann (2011), S. 39 ff;
[17] Vgl. REFA (1987), S. 45
[18] Schell (2018), S. 194;
[19] Focke und Steinbeck (2018), S. 3;
[20] O.V.: Kennzahlen optimieren Produktion, in: Automationspraxis 31.12.2014, S.2;
[21] OEE-Institut;
[22] Focke und Steinbeck (2018), S. 52 ff;
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letzte Änderung J.R.
am 10.07.2023
Autor:
Prof. Dr. Jürgen Reim
Bild:
Bildagentur PantherMedia / Leo Wolfert
|
Autor:in
22.06.2023 07:57:25 - Biene
[ Zitieren | Name ]