Die
Verrechnung von
Fertigungslöhnen in der Kalkulation basiert immer noch überwiegend auf der ursprünglichen Konzeption der Kalkulationsverfahren für Fertigungsbetriebe, in denen die Fertigungslöhne als Akkordlöhne interpretiert wurden. In modernen Fertigungsbetrieben werden die Löhne heute aber überwiegend als Zeitlöhne (Stundenlohn oder Monatslohn) gezahlt. Das kann zu Verwirrung führen und auch zu Fehlinterpretationen von Kalkulationsergebnissen.
So sieht z.B. das Verfahren der so genannten differenzierenden
Zuschlagskalkulation eine
verursachungsgerechte Zurechnung von
Materialeinzelkosten und Fertigungseinzelkosten zu
Kostenträgern (Produkten) vor sowie eine pauschale Schlüsselung der
Gemeinkosten auf der Grundlage von Kostenstellenweisen Zuschlagsätzen.
Hinter den genannten
Fertigungseinzelkosten verbergen sich in der Regel die Fertigungslöhne derjenigen Mitarbeiter, die direkt an der Fertigung der
Produkte beteiligt sind. Während sich über die Jahrzehnte diese Fertigungslöhne von Akkordlöhnen über Stundenlöhne bis hin zu Monatslöhnen entwickelt haben, wird die
Zuschlagskalkulation weiterhin nahezu unverändert angewendet. Dabei müssen die Konsequenzen, die sich aus der Veränderung der Lohnabrechnung ergeben haben, beachtet werden, wenn man Fehlinterpretationen und fehlerhafte Schlussfolgerungen aus Kalkulationsergebnissen vermeiden will. Dazu werden im Folgenden die verschiedenen Ansätze erläutert.
1. Akkordlöhne
Unter einem
Akkordlohn versteht man traditionell den Lohn, der einem Fertigungsmitarbeiter pro Stück des von ihm produzierten Produktes gezahlt wird, z.B. bei Fließbandarbeit. Durch diese direkte Zuordnung können die Lohnkosten in der Kalkulation sowohl verursachungsgerecht den Produkten zugerechnet werden (Einzelkosten), als auch mit einem gleich bleibenden Betrag pro Stück (variable proportionale Kosten). Das folgende Beispiel zeigt, in welcher Form diese Kosten dann in der Zuschlagskalkulation erfasst werden.
Beispiel: differenzierende Zuschlagskalkulation
Produkt
|
A
|
B
|
C
|
Gesamt
|
Materialeinzelkosten
|
10,00
|
20,00
|
15,00
|
|
Materialgemeinkosten (50 %)
|
5,00
|
10,00
|
7,50
|
|
Fertigungslohn pro Stück (Akkord)
|
20,00
|
30,00
|
15,00
|
|
Fertigungsgemeinkosten (100 %)
|
20,00
|
30,00
|
15,00
|
|
Herstellkosten
|
55,00
|
90,00
|
52,20
|
|
Verwaltungs-/ Vertriebskosten (10 %)
|
5,50
|
9,00
|
5,22
|
|
Stück-Selbstkosten
|
60,50
|
99,00
|
57,42
|
|
|
Produktionsmenge Monat 1
|
1000
|
2000
|
1000
|
|
Fertigungslöhne insgesamt
|
20.000
|
60.000
|
15.000
|
95.000
|
Produktionsmenge Monat 2
|
1100
|
2200
|
1100
|
|
Fertigungslöhne ingesamt
|
22.000
|
66.000
|
16.500
|
104.500
|
Sollen die gesamten Fertigungslöhne eines Zeitabschnitts ermittelt werden, müssen hier nur die
Stücklöhne mit den
Produktionsmengen multipliziert werden und man erhält die korrekten Fertigungslohnkosten. Ändern sich die Produktionsmengen, werden einfach die selben Stücklöhne mit den geänderten Mengen multipliziert und man erhält wiederum die korrekten Fertigungslohnkosten in der neuen Situation.
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2. Stundenlöhne/Zeitlöhne
Im Gegensatz zum Akkordlohn werden
Stundenlöhne – wie der Name schon sagt – pro Stunde gezahlt. Das heißt, der Fertigungsmitarbeiter erhält seinen Lohn pro geleisteter Stunde in Höhe des vereinbarten Stundensatzes.
Da es sich hier also um einen Zeitlohn handelt, der pro Zeiteinheit und nicht pro Stück anfällt, wird häufig argumentiert, dass es sich deshalb nicht um
Einzelkosten (dem Produkt verursachungsgerecht zurechenbar) handeln könne. Tatsächlich wird aber in der
betrieblichen Praxis in der Regel genau erfasst, wie viele Zeiteinheiten (Stunden) ein Fertigungsmitarbeiter für die Produktion eines Stücks des relevanten Produktes benötigt.
Über diese "Brücke" kann dann sehr wohl festgestellt werden, welcher Teil der Fertigungslöhne auf welches Produkt entfällt und somit sind die Löhne weiterhin als Einzelkosten zurechenbar. Gleichzeitig bleiben die
Zeitlöhne auch
variable Kosten, weil sie – wenn sie tatsächlich nur bezahlt werden, wenn Stunden geleistet werden – auch (proportional) mit der Produktionsmenge steigen oder fallen.
Beispiel: Stundenlöhne in der Zuschlagskalkulation
Produkt
|
A
|
B
|
C
|
Fertigungslohn pro Stunde
|
20,00
|
20,00
|
20,00
|
Benötigte Stunden pro Stück
|
1
|
1,5
|
0,75
|
Fertigungslohn pro Stück
|
20,00
|
30,00
|
15,00
|
3. Monatslöhne
Monatslöhne werden zwar in der Regel auch auf der Grundlage von Stundenlöhnen ermittelt (Normalstunden pro Monat x Stundensatz). Sie fallen aber tatsächlich fix pro Monat an und werden nicht in Abhängigkeit von den tatsächlich geleisteten Stunden gezahlt. Eventuell
variierende Arbeitszeiten werden dann im Rahmen von Gleitzeitregelungen ausgeglichen.
Auch in Bezug auf Monatslöhne wird häufig das Argument genannt, es könne sich hier nicht um
Einzelkosten handeln, da der Lohn pro Zeiteinheit gezahlt werde und nicht pro Stück. Auch hier werden aber in der Praxis schlicht mit Hilfe der
monatlichen Normalstunden Monatslöhne auf Stundenlöhne heruntergerechnet und anschließend so verfahren, wie in Punkt 2. geschildert. Auch hier kann demnach eine verursachungsgerechte Zuordnung zu den Produkten erfolgen und es handelt sich somit um Einzelkosten.
Im Gegensatz zu den Stundenlöhnen sind Monatslöhne aber auf jeden Fall
fixe Kosten, wenn Überstunden über Zeitausgleich und nicht über Lohnausgleich ausgeglichen werden. In der (Vor-) Kalkulation müssen diese fixen Kosten dann dennoch "
variabilisiert" werden, indem sie über die Normalstunden zu Stundenlöhnen und dann zu
Stückkosten "gemacht" werden, wenn man auf Vollkostenbasis kalkulieren will. Diese Vorgehensweise kann aber dann zu Fehlschlüssen führen, wenn diese so ermittelten Stückkosten mit variierenden Produktions- oder Absatzmengen "herauf- oder heruntergerechnet" werden [2].
Produkt
|
A
|
B
|
C
|
Gesamt
|
Produktionmenge Monat 1
|
1000
|
2000
|
1000
|
|
Fertigungslöhne insgesamt
|
20.000
|
60.000
|
15.000
|
95.000
|
Produktionsmenge Monat 2
|
1100
|
2200
|
1100
|
|
Verrechnete Fertigungslöhne
|
22.000
|
66.000
|
16.500
|
104.500
|
Nach dieser Vorgehensweise würden in der
Nachkalkulation durch die jeweils um 10% erhöhten
Produktionsmengen in Monat 2 auch 10% mehr Fertigungslöhne verrechnet, also insgesamt 104.500 €. Tatsächlich wären aber weiterhin nur 95.000 € an Fertigungslöhnen angefallen, da sie ja fix sind (anders als bei den Stundenlöhnen und den Akkordlöhnen).
Diese
Problematik teilen sich die
modernen Fertigungslöhne mit allen anderen fixen Kosten in der Kalkulation und man geht damit auch genauso um, wie mit den übrigen fixen Kosten: Für die (Vor-)Kalkulation verwendet man im laufenden Jahr die ursprünglich geplanten Stückkosten, um eine gleichmäßige Kalkulationsgrundlage, auch z.B. für
Preiskalkulationen, zu gewährleisten.
Man überprüft allerdings regelmäßig, ob sich die Beschäftigung im Durchschnitt über die Monate auf dem geplanten Wert "einpendelt", oder ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich die Beschäftigung dauerhaft in eine bestimmte Richtung entwickelt. Wenn z.B. absehbar ist, dass dauerhaft mehr produziert werden wird als geplant und diese Erhöhung dauerhaft mit dem vorhandenen
Personal abgewickelt werden kann, dann sollte der
Stückkostenwert angepasst werden, hier z.B. für Produkt A von 20€/Stück (20.000€/1000 Stück) auf 18,18€/Stück (20.000€/1100 Stück).
Weil also diese eigentlich fixen Kosten in der Praxis der
Zuschlagskalkulation als variable Kosten geführt werden, wird in den meisten Kostenrechnungsbüchern unterstellt, dass es gar keine fixen Einzelkosten gebe. Das ist aber – wie das Beispiel zeigt – nicht richtig.
Ganz besonders angreifbar wird diese Behauptung, wenn man sich von der
Vollkostenkalkulation löst und die
Teilkostenrechnung anwendet, z.B. die mehrstufige
Deckungsbeitragsrechnung als Nachkalkulation. Hier werden in einer der üblichen Versionen zunächst die variablen Kosten – aufgeteilt nach Kostenträgern/Produkten – von den jeweiligen Umsätzen abgezogen, wodurch man zum Deckungsbeitrag 1 kommt. Anschließend sollen die
produktfixen Kosten abgezogen werden, um zum Deckungsbeitrag 2 zu kommen, also diejenigen Kosten, die sich verursachungsgerecht den Produkten zurechnen lassen, die aber dennoch fix sind und somit nicht bereits vor dem DB1 abgezogen wurden. Somit handelt es sich hier eindeutig um
fixe Einzelkosten!
Beispiel: mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung
Produkt
|
A
|
B
|
C
|
Gesamt
|
Umsatz
|
100.000
|
200.000
|
150.000
|
450.000
|
variable Kosten
|
50.000
|
100.000
|
75.000
|
225.000
|
Deckungsbeitrag 1
|
50.000
|
100.000
|
75.000
|
225.000
|
Monatslöhne = Produkfixe Kosten
|
20.000
|
60.000
|
15.000
|
95.000
|
Deckungsbeitrag 2
|
30.000
|
40.000
|
60.000
|
130.000
|
Restfixe Kosten [3]
|
|
|
|
100.000
|
Betriebsergebnis
|
|
|
|
30.000
|
Echte Einzelkosten sind Löhne immer dann, wenn sie tatsächlich
eindeutig verursachungsgerecht den Produkten zurechenbar sind, entweder weil die Fertigungsmitarbeiter jeweils nur für eines dieser Produkte arbeiten oder weil eine korrekte prozentuale Zuordnung der Monatslöhne zu den Produkten über eine Zeiterfassung möglich ist, die zeigt, welchen Zeitanteil welcher Mitarbeiter für welches Produkt aufwendet. Nur wenn eine korrekte Zuordnung der Mitarbeiter(zeiten) zu den Produkten nicht möglich ist, können die Löhne auch nicht als Einzelkosten verrechnet werden.
Die
mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung zeigt dann auch, dass die fixen Einzelkosten nicht an die Beschäftigung angepasst werden (sofern die erhöhte Produktion mit dem vorhandenen Personal abgewickelt werden kann). Im Beispiel steigt der Umsatz um 10%, die variablen Kosten steigen ebenfalls um 10%, die Lohnkosten (und die übrigen fixen Kosten) verändern sich aber nicht. Das Betriebsergebnis steigt demnach um mehr als 10%.
Produkt
|
A
|
B
|
C
|
Gesamt
|
Umsatz
|
110.000
|
220.000
|
165.000
|
495.000
|
variable Kosten
|
55.000
|
110.000
|
82.500
|
247,500
|
Deckungsbeitrag 1
|
55.000
|
110.000
|
82.500
|
247.500
|
Monatslöhne = Produkfixe Kosten
|
20.000
|
60.000
|
15.000
|
95.000
|
Deckungsbeitrag 2
|
35.000
|
50.000
|
67.500
|
152.500
|
Restfixe Kosten
|
|
|
|
100.000
|
Betriebsergebnis
|
|
|
|
52.500
|
4. Zusammenfassung
Fertigungslöhne werden in
modernen Fertigungsbetrieben nur noch selten als Akkordlöhne abgerechnet. Daher wird die ursprüngliche Vorgehensweise der (Zuschlags-)Kalkulation an die moderne Form der Abrechnung (in Form von Zeitlöhnen) angepasst, damit es nicht zu Fehlinterpretationen und falschen Schlussfolgerungen aufgrund der Kalkulationsergebnisse kommt. Die Vorgehensweise für die fixen Fertigungslöhne in Fertigungsbetrieben ist im übrigen auch übertragbar auf Dienstleistungsunternehmen und deren fixe Gehälter für die Mitarbeiter, die die eigentliche Dienstleistung erbringen.
Quelle:
Siehe Literaturhinweise
letzte Änderung P.D.U.B.
am 07.11.2022
Autor:
Prof. Ursula Binder
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Autor:in
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Frau Prof. Dr. Ursula Binder
Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Rechnungswesen und Controlling an der TH Köln, vorher kaufmännische Leiterin eines mittelständischen Dienstleistungsunternehmens, Unternehmensberaterin, Seminarleiterin (Inhouse und öffentliche Seminare), Verfasserin von Lernbriefen für das Fernstudium, Autorin: Nachhaltigkeitsberichterstattung in mittelständischen Unternehmen, Haufe 2024, Schnelleinstieg Controlling, 8. Auflage 2023, Die 5 wichtigsten Steuerungsinstrumente für kleine Unternehmen, 1. Auflage 2017, Kennzahlen-Guide für Controller, 1. Auflage 2019.
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