Das Wichtigste in Kürze:
Während in der
Gewinn- und Verlustrechnung Aufwendungen und Erträge gegenübergestellt werden, um den Periodenüberschuss eines Unternehmens zu ermitteln, geht es in der
Kosten- und Leistungsrechnung um
Kosten und
Leistungen und die Ermittlung des
Betriebsergebnisses. In den dafür zur Verfügung stehenden Verfahren werden Aufwendungen bzw. Kosten nach unterschiedlichen Kriterien gegliedert:
Während im
Gesamtkostenverfahren Aufwandsarten und
Kostenarten als Gliederungs- Kriterien benutzt werden (wie
Materialkosten,
Personalkosten,
Abschreibungen etc.), sind es im
Umsatzkostenverfahren die Funktionsbereiche (
Kostenstellen) eines Unternehmens wie Material (Lager/Beschaffung), Fertigung, Vertrieb und Verwaltung.
Kostenarten und die
Kostenartenrechnung beziehen sich also auf die Erfassung der Kosten im Rahmen des Gesamtkostenverfahrens, während das Rechenwerk für das Umsatzkostenverfahren die Kostenträgerrechnung ist. Alle gängigen Buchhaltungsprogramme bieten inzwischen die Möglichkeit an, "auf Knopfdruck" monatlich eine so genannte
BWA (betriebswirtschaftliche Auswertung) als kurzfristige (interne)
Erfolgsrechnung zu erzeugen. In der Regel handelt es sich dabei um eine Auswertung auf Basis des
Gesamtkostenverfahrens.
Da bei der Erzeugung "auf Knopfdruck" die Daten direkt aus dem
externen Rechnungswesen übernommen werden, sind einige Anpassungen im Rahmen der
Kostenartenrechnung notwendig, damit aus dieser BWA eine echte interne Erfolgsrechnung wird. In einer Basis-BWA [1] nach dem Gesamtkostenverfahren sind üblicherweise unter der Überschrift "Kostenarten" die folgenden Positionen aufgelistet, die in einer Summe als "Gesamtkosten" zusammengefasst werden:
Kostenarten:
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Personalkosten
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Raumkosten
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Betriebliche Steuern
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Versicherungen/Beiträge
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Besondere Kosten
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Fahrzeugkosten (ohne Steuer)
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Werbe-/Reisekosten
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Kosten Warenabgabe
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Abschreibungen
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Reparatur/Instandhaltung
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Sonstige Kosten
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Gesamtkosten
|
Man vermisst hier zunächst die Position "
Materialkosten", die ja eine der wichtigsten Kostenarten für Produktionsunternehmen darstellt und dort häufig auch die Position mit den höchsten anfallenden Beträgen ist. Stattdessen findet sich gleich hinter der Gesamtleistung die Position "
Material- /Wareneinkauf". Auf diese Position im Zusammenhang mit der Ermittlung der Materialkosten wird im Beitrag
Materialkosten – Erfassung und Bewertung des Verbrauchs näher eingegangen.
Grund-Struktur einer
BWA Gesamtkostenverfahren
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Umsatzerlöse
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+/–
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Bestandsveränderungen
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=
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Gesamtleistung
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–
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Material-/Wareneinkauf
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=
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Rohertrag
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–
|
Gesamtkosten
|
=
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Betriebsergebnis
|
Außerdem fehlt in der Basis-BWA eine explizite
Auflistung kalkulatorischer Kosten, wie z. B. des kalkulatorischen Unternehmerlohns. Es gibt lediglich eine Position mit dem Namen "verrechnete kalkulatorische Kosten", die zusammen mit dem neutralen Ergebnis für die Überleitung vom internen zum externen Ergebnis (vom Betriebsergebnis zum (externen) Periodenergebnis) notwendig ist.
Die wichtigsten Kostenarten, für die explizit eine Kostenartenrechnung erfolgen muss, weil sie nicht "eins-zu-eins" aus dem
externen Rechnungswesen übernommen werden können, werden in diesem und in dem gesonderten Beitrag Materialkosten – Erfassung und Bewertung des Verbrauchs näher erläutert; dabei handelt es sich um die im Folgenden aufgelisteten Positionen.
- Material-/Wareneinkauf - Materialkosten (Extra-Beitrag)
- Personalkosten
- (Kalkulatorische) Abschreibungen
- Weitere kalkulatorische Kosten
- Kalkulatorische Mieten
- Kalkulatorische Wagnisse
- Kalkulatorischer Unternehmerlohn
- Kalkulatorische Zinsen
Materialkosten
Materialkosten stellen insbesondere für Produktionsunternehmen in der Regel eine wichtige Kostenposition dar, häufig sogar die größte Kostenposition im Unternehmen überhaupt. Sie haben somit großen Einfluss auf das Unternehmensergebnis.
Im HGB ist in der Struktur des Gesamtkostenverfahrens die Position
Material-/Wareneinkauf nicht vorgesehen, sondern es ist explizit von „
Materialaufwand“ die Rede. Was hat es damit auf sich? Materialaufwand erscheint in der Gewinn- und Verlustrechnung im Gesamtkostenverfahren durch die Buchung von Eingangsrechnungen für den Materialeinkauf. Damit wird praktisch alles als Aufwand gebucht, was gekauft und in der Regel auch geliefert wurde, unabhängig davon, ob es bereits in der Produktion verwendet/verbraucht wurde.
Diese Vorgehensweise entspricht aber nicht der exakten Definition, nach der Aufwand (und Kosten) erst bei Verbrauch des Materials entsteht. Insofern ist die Bezeichnung „Materialeinkauf“ in der BWA präziser, da sie darauf hinweist, dass es sich hier nicht um Materialaufwand oder Materialkosten entsprechend der exakten Definition handelt. Das mag nach einer rein akademischen Diskussion klingen, ist es aber nicht, sondern die Unterscheidung ist höchst relevant für die Praxis.
Um statt des Materialeinkaufs die Materialkosten zu erfassen, muss man statt der eingekauften die
verbrauchten/verkauften Mengeneinheiten erfassen und diese anschließend mit den passenden Einkaufspreisen bewerten. Näheres dazu erfahren Sie in diesem Beitrag:
Materialkosten - Erfassung und Bewertung des Verbrauchs >>
Personalkosten
Bei Personalkosten muss unterschieden werden zwischen
Basiskosten und
Nebenkosten sowie zwischen
fixen und (teil-)variablen Kosten inkl. Aushilfen. Die Basiskosten inklusive Nebenkosten können für die Kostenrechnung direkt aus der Lohn- und Gehaltsbuchhaltung übernommen werden (
Grundkosten).
Einmalzahlungen wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Prämien, Boni etc. werden üblicherweise monatlich "abgegrenzt". Das heißt, die Beträge werden am Anfang des Jahres geschätzt und dann gleichmäßig auf alle 12 Monate verteilt, damit ein Monat, in dem "zufällig" hohe Auszahlungen passieren, nicht fälschlich als wirtschaftlich nicht erfolgreich bewertet wird, weil das Periodenergebnis im Vergleich zu den anderen Monatsergebnissen niedrig oder sogar negativ ist.
(Kalkulatorische) Abschreibungen
Abschreibungen werden ebenfalls in der
internen Erfolgsrechnung monatlich abgegrenzt, da sie in der Buchhaltung erst am Ende des Jahres korrekt ausgerechnet werden, da erst dann klar ist, wie viel im gesamten Jahr investiert und desinvestiert wurde. Das heißt, es handelt sich um so genannte
kalkulatorische Abschreibungen (
Anderskosten).
Sie können außerdem von den
bilanziellen Abschreibungen abweichen, wenn im internen Rechnungswesen eine andere Wahl bezüglich der Abschreibungsmethode, der Abschreibungsdauer und/oder des abzuschreibenden Wertes (Anschaffungswert oder Wiederbeschaffungswert) als im externen Rechnungswesen verwendet wird. Die am
häufigsten angewendeten Methoden sind die lineare Abschreibung, die Leistungsabschreibung (Abschreibung nach Inanspruchnahme) und die (geometrisch) degressive Abschreibung.
Lineare Abschreibung
Bei der
linearen Abschreibung wird der abzuschreibende Wert durch die Jahre der
geplanten Nutzungszeit dividiert und dieser Betrag als Abschreibungsbetrag jedes Jahr in gleicher Höhe angesetzt.
Leistungsabschreibung
Bei der
Leistungsabschreibung wird eine
Gesamtleistung des Anlagegutes geschätzt und der abzuschreibende Wert durch diese Gesamtleistung dividiert. Anschließend wird jedes Jahr die Leistung des Jahres festgestellt und mit dem ermittelten Abschreibungssatz (abzuschreibender Wert/Gesamtleistung) multipliziert, um den
jährlichen Abschreibungsbetrag zu ermitteln.
Degressive Abschreibung
Die (geometrisch)
degressive Abschreibung ermittelt den Abschreibungsbetrag eines Jahres aus der Multiplikation des (vorgegebenen) Abschreibungsprozentsatzes mit dem jeweiligen Restbuchwert des Vorjahres. Dadurch fängt man mit
hohen Abschreibungsbeträgen an, die Jahr für Jahr immer kleiner werden. Ein
Rest(buch)wert von 0 kann so aber nicht erreicht werden. Abschreibungen, die anders kalkuliert werden, als im externen Rechnungswesen, bezeichnet man als kalkulatorische Abschreibungen.
Der Ansatz weiterer kalkulatorischer Kosten führt zu weiteren
Differenzen zwischen den Ansätzen im externen und internen Rechnungswesen. Daher gibt es in der BWA – wie oben schon erwähnt – eine
Korrekturposition "Verrechnete kalkulatorische Kosten" für die Überleitung vom internen Betriebsergebnis zum externen Periodenergebnis.
Weitere kalkulatorische Kosten
Unter den kalkulatorischen Kosten unterscheidet man Anderskosten und Zusatzkosten. Typische Anderskosten sind die unter Punkt 3. erläuterten
kalkulatorischen Abschreibungen sowie
kalkulatorische Mieten, da es jeweils eine Gegenposition im externen Rechnungswesen gibt, die aber dort in anderer Höhe angesetzt wird.
Dagegen stellen der
kalkulatorische Unternehmerlohn und die
kalkulatorischen Zinsen (auf Eigenkapital) sowie üblicherweise auch kalkulatorische Wagnisse (wenn ihnen keine Versicherungsbeiträge gegenüberstehen) Zusatzkosten dar, die kein Gegenstück im externen Rechnungswesen haben.
Kalkulatorische Mieten
Beispiel
In Unternehmen, in denen
Wirtschaftlichkeitskontrollen für
Funktions-/ Verantwortungsbereiche durchgeführt werden, kann es Sinn ergeben, Raumkosten, die sich den Bereichen verursachungsgerecht zurechnen lassen, auch in den Erfolgsvergleich einfließen zu lassen. Nutzt dann der eine Bereich Räume, die Eigentum des Unternehmens sind, entstehen Raumkosten in Form von Abschreibungen, während ein anderer Bereich womöglich in angemieteten Räumlichkeiten arbeitet, wodurch Mietkosten entstehen.
Um den Vergleich zwischen den Bereichskosten nicht durch die von den Bereichen nicht zu verantwortenden unterschiedlichen Preise (Miete vs. Abschreibung) zu verzerren, sondern nur anhand der unterschiedlich genutzten
Raumgrößen zu vergleichen, kann man für die im Eigentum befindlichen Räumlichkeiten eine kalkulatorische Miete in Höhe der marktüblichen Miete (oder der tatsächlichen Miete der anderen Räume) für die Räumlichkeiten ansetzen.
Kalkulatorische Wagnisse
Kalkulatorische Wagnisse werden hauptsächlich für versicherungsfähige, aber nicht versicherte
Risiken als durchschnittliche Kosten pro Periode angesetzt. Sie werden auf der Grundlage der tatsächlich eingetretenen
Risikohöhen über die letzten Jahre ermittelt.
Während die durch das
tatsächliche Risikoereignis entstehenden Aufwendungen als außerordentliche (neutrale) Aufwendungen im externen Rechnungswesen erfasst werden, will man dies im internen Rechnungswesen vermeiden, da sie sonst einmalig das Betriebsergebnis belasten, ohne dass die Wirtschaftlichkeit der Periode tatsächlich gelitten hat. Stattdessen werden sie im internen Rechnungswesen durch die kalkulatorischen Wagnisse als
Durchschnittsbeträge über die Zeit verteilt.
Kalkulatorischer Unternehmerlohn
Eine Einzelunternehmerin, deren Arbeitsleistung nicht als angestellte Geschäftsführerin abgegolten wird und die somit nicht mit den Personalkosten des Unternehmens abgerechnet wird, kann eine angemessene Vergütung ihrer Arbeitsleistung als kalkulatorischen Unternehmerlohn berücksichtigen, vorzugsweise in Höhe der tatsächlich
monatlich geplanten Privatentnahmen.
Erfolgt diese Ergänzung nicht, verdeckt ein
positives Periodenergebnis, das aber nicht groß genug ist, um die Arbeitsleistung der Einzelunternehmerin zu decken, die Tatsache, dass das Unternehmen eben nicht wirtschaftlich erfolgreich (genug) arbeitet.
Kalkulatorische Zinsen
Über die
Vergütung der
Arbeitsleistung eines Einzelunternehmers mit Hilfe des kalkulatorischen Unternehmerlohns hinaus sollte auch die Vergütung des von ihm eingesetzten Eigenkapitals erfasst werden, die in den (Fremdkapital-)Zinsen nicht enthalten ist. Will man "unter dem Strich" sehen, inwieweit das Unternehmen in der Lage ist, eine vom Unternehmer gewünschte
Rendite für sein
Eigenkapital zu erwirtschaften, kann man dies mit dem angemessenen Ansatz von
kalkulatorischen Zinsen abbilden.
Erst wenn alle bis hierhin aufgeführten Ergänzungen und Änderungen inklusive der Anpassungen in Bezug auf den Material-/Wareneinkauf resp. die Materialkosten mit Hilfe der Kostenartenrechnung umgesetzt sind, erhält man mit der
internen Erfolgsrechnung eine gute Basis für die
erfolgsorientierte Steuerung eines Unternehmens.
FAQ
Würde es statt der Erfassung kalkulatorischer Zusatzkosten nicht ausreichen, einen Mindestgewinn in der internen Erfolgsrechnung zu berücksichtigen?
Ja, tatsächlich muss der Gewinn nur noch 0 sein, wenn man alle Zusatzkosten erfasst. Man kann also statt der Zusatzkosten auch alternativ einen Mindestgewinn definieren. Die Gefahr besteht dann nur darin, dass man auf die angemessene Vergütung der Arbeitsleistung und die angemessene Verzinsung des Eigenkapitals doch teilweise verzichtet, solange der Gewinn größer als 0 ist, selbst wenn dieser nicht dem Mindestgewinn entspricht, während ein Verlust, der sich bei Berücksichtigung von nicht gedeckten Zusatzkosten ergibt, eher zu der korrekten Schlussfolgerung führt, dass das Unternehmen derzeit wirtschaftlich nicht erfolgreich (genug) ist mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen.
Warum übernehme ich nicht einfach die bilanziellen Abschreibungen in das interne Rechenwerk?
Dafür gibt es mehrere Gründe: Für den Ansatz der bilanziellen Abschreibungen sind gesetzliche Regeln zu befolgen und es gibt legale Gestaltungsmöglichkeiten, die für eine günstige Außenwirkung sorgen können. Diese Möglichkeiten und die Vorschriften führen aber nicht unbedingt zu einer realitätsgetreuen Darstellung des tatsächlichen Werteverzehrs. Außerdem sind in den bilanziellen Abschreibungen auch Sonderabschreibungen enthalten, die man im internen Rechenwerk vermeiden möchte. Und bilanzielle Abschreibungen werden üblicherweise nur einmal am Ende jedes Geschäftsjahres ermittelt.
Muss ich jetzt jede Monats-BWA manuell abändern, damit sie mir ein korrektes Periodenergebnis angibt?
Nein, man sollte der Buchhaltung (in kleineren Unternehmen dem Steuerberater-Büro) die Aufgabe erteilen, die regelmäßigen Anpassungen ins System zu übernehmen, so dass die BWA „auf Knopfdruck“ bereits die notwendigen Änderungen enthält bzw. diese Änderungen bereits in der Buchhaltung erfolgen.
Ist die Ermittlung der verschiedenen Kostenarten einfacher, wenn das Unternehmen eine Kostenträgerrechnung hat und mit dem Umsatzkostenverfahren arbeitet?
Ja, wenn diese Kostenträgerrechnung bereits existiert. Nein, wenn sie erst neu aufgebaut werden muss: In der Kostenträgerrechnung werden die Kosten – unterteilt nach Einzel- und Gemeinkosten – auf Produktebene ermittelt und nach Funktionsbereichen geordnet.
Dieser Prozess ist viel aufwendiger als die Ermittlung der Kostenarten auf Gesamtunternehmensebene. Der einzige Vorteil ist, dass man dann tatsächlich "auf Knopfdruck" die richtigen Periodenergebnisse erhält, aber auch nur dann, wenn mit Ist- Kostensätzen und nicht mit Plan-Kostensätzen gearbeitet wurde.
Fußnoten
[1] vgl. Muster-BWA der DATEV
https://www.datev.de/web/de/datev-shop/material/musterauswertung-bwa/
letzte Änderung P.D.U.B.
am 02.04.2024
Autor:
Prof. Dr. Ursula Binder
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Autor:in
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Frau Prof. Dr. Ursula Binder
Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Rechnungswesen und Controlling an der TH Köln, vorher kaufmännische Leiterin eines mittelständischen Dienstleistungsunternehmens, Unternehmensberaterin, Seminarleiterin (Inhouse und öffentliche Seminare), Verfasserin von Lernbriefen für das Fernstudium, Autorin: Nachhaltigkeitsberichterstattung in mittelständischen Unternehmen, Haufe 2024, Schnelleinstieg Controlling, 8. Auflage 2023, Die 5 wichtigsten Steuerungsinstrumente für kleine Unternehmen, 1. Auflage 2017, Kennzahlen-Guide für Controller, 1. Auflage 2019.
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