Kostenstellenrechnung

Prof. Dr. Ursula Binder
Die Kostenstellenrechnung dient der Erfassung der Gemeinkosten eines Unternehmens und der Zuordnung dieser Kosten zu den Orten ihrer Entstehung – den Kostenstellen. Kostenstellen sind nach Funktions- bzw. Verantwortungsbereichen abgegrenzte Teilbereiche des Unternehmens. Innerhalb der Kostenstellenrechnung findet die so genannte innerbetriebliche Leistungsverrechnung zwischen Hilfs- und Hauptkostenstellen statt. Außerdem werden im Rahmen der Kostenstellenrechnung die Zuschlagsätze für die Verrechnung der Gemeinkosten auf die Kostenträger des Unternehmens ermittelt

Durch die Untergliederung der Kosten nach Verantwortungsbereichen ist das Unternehmen in der Lage, anhand von vorgegebenen Budgets Wirtschaftlichkeitskontrollen vorzunehmen. Mit der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung werden die Gemeinkosten, die in den Hilfskostenstellen entstehen, entsprechend den Zielen des Unternehmens (Kostenüberwälzung oder feste Verrechnungssätze) auf die Hauptkostenstellen übertragen. Und die im Rahmen der Kostenstellenrechnung ermittelten Zuschlagsätze werden für die Kostenträgerrechnung benötigt, um die Produktkosten zu kalkulieren.

Die Kostenstellenrechnung erfolgt also in drei Stufen:
  1. Sammlung der Gemeinkosten auf den Kostenstellen
  2. Innerbetriebliche Leistungsverrechnung 
  3. Ermittlung der Zuschlagsätze für die Kalkulation


Zu 1. Sammlung der Gemeinkosten auf den Kostenstellen (primäre Gemeinkosten)

Nach erfolgter Untergliederung der Bereiche in geeignete Kostenstellen werden die im Unternehmen anfallenden Gemeinkosten möglichst verursachungsgerecht auf die Kostenstellen verteilt. Für manche Kostenarten ist das leicht, weil schon im Vorfeld klar ist, in welcher Höhe sie von welcher Abteilung/Kostenstelle verursacht werden. Das trifft z.B. für die Personalkosten zu, da jede:r Mitarbeiter:in in der Regel eindeutig einer Abteilung/Kostenstelle zugeordnet ist und die jeweiligen Personalkosten über die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung direkt und automatisch der richtigen Kostenstelle zugerechnet werden. Daher bezeichnet man diese Kosten auch als direkte Kosten.

Dagegen lassen sich andere Kostenarten, wie z.B. Mietkosten, nicht sofort in der richtigen Höhe den Kostenstellen zurechnen; dann handelt es sich um so genannte indirekte Kosten. In diesem Fall benötigt man eine Bezugsgröße, mit deren Hilfe die Kosten entsprechend der jeweiligen Inanspruchnahme "gerecht" zugerechnet werden können. Im Fall der Mietkosten kann man dies z.B. anhand der von jeder Kostenstelle in Anspruch genommenen Quadratmeterzahl ermitteln.

Die Summe der direkten und der indirekten Kosten ergeben die so genannten primären Kosten; es handelt sich um die Kosten, die primär durch die Tätigkeit der jeweiligen Kostenstelle entstehen.

Zu 2. Innerbetriebliche Leistungsverrechnung

Im Rahmen der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung werden die primären Kosten, die in den Hilfskostenstellen entstanden sind, mit Hilfe eines passenden Verrechnungsschemas auf die Hauptkostenstellen verteilt. Das ist nötig, weil nur die Kosten der Hauptkostenstellen in der Kalkulation auf die Kostenträger weiter verrechnet werden.

Die von den Hilfskostenstellen weitergegebenen Kosten werden als sekundäre Kosten bezeichnet. Da die Hilfskostenstellen genau in Höhe der weiter verrechneten Kosten von diesen Kosten entlastet werden, entstehen also keine zusätzlichen Kosten durch die innerbetriebliche Leistungsverrechnung, die primären Kosten werden nur anders verteilt (von den Hilfskostenstellen auf die Hauptkostenstellen)

Die Höhe der jeweils verrechneten Kosten hängt von der Menge der in Anspruch genommenen Leistungen ab und von dem Verrechnungssatz, mit dem diese Leistungen bewertet werden. Hat z.B. die Vertriebskostenstelle 100 Stunden von der IT-Abteilung (Hilfskostenstelle) in Anspruch genommen und beträgt der Stundensatz der IT-Abteilung 100 Euro/Stunde, dann wird die Vertriebsabteilung in der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung mit 10.000 Euro belastet und die IT-Abteilung wird um 10.000 Euro entlastet.

Die Höhe dieses Verrechnungssatzes pro Leistungseinheit kann so berechnet werden, dass die Hilfskostenstellen automatisch "auf Null" kommen, also durch die Weiterberechnung komplett entlastet werden. Diese Vorgehensweise nennt man Kostenüberwälzung.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, feste Verrechnungssätze zu ermitteln, so dass sich die Höhe der verrechneten Kosten immer proportional zu der abgenommenen Leistungsmenge verändert. Letzteres hat für die abnehmende Kostenstelle den Vorteil der Planungssicherheit und Beeinflussbarkeit der eigenen Kosten und hält die leistende Kostenstelle ebenfalls zu wirtschaftlichem Verhalten an, da diese nicht damit rechnen kann, automatisch alle eigenen Kosten weiter verrechnen zu können.

Wenn z.B. der feste Verrechnungssatz unter dem tatsächlichen Kostensatz liegt, führt dies zu einem (internen) Verlust für die Hilfskostenstelle. Liegt der feste Verrechnungssatz aber über dem tatsächlichen Kostensatz, kann die leistende Kostenstelle auch einen (internen) Gewinn erwirtschaften, was beides bei Kostenüberwälzung nicht möglich ist.

Die in der Literatur üblicherweise für die Berechnung der Verrechnungssätze bei Kostenüberwälzung aufgeführten Verfahren lauten:

Anbau- und Stufenleiterverfahren führen nur unter bestimmten Bedingungen zu genauen Ergebnissen: das Anbauverfahren nur, wenn Hilfskostenstellen ausschließlich an Hauptkostenstellen liefern und das Stufenleiterverfahren nur, wenn die Hilfskostenstellen ausschließlich an nachgelagerte Kostenstellen liefern. Das Gleichungsverfahren führt hingegen immer zum richtigen Ergebnis, unabhängig von der Reihenfolge und der Richtung der Leistungsbeziehungen.

Ein Beispiel:

Die beiden Hilfskostenstellen IT und Instandhaltung liefern insgesamt 1000 bzw. 1500 Stunden an andere Kostenstellen. Die primären Kosten der beiden Hilfskostenstellen sollen komplett auf die anderen Kostenstellen verrechnet werden (Kostenüberwälzung) und zwar entsprechend deren Inanspruchnahme von Leistungen der Hilfskostenstellen.

  Hilfskostenstellen Hauptkostenstellen Gesamt
  IT Instandhaltung Material Fertigung Verwaltung Vertrieb  
primäre Kosten (Euro) 100.000 150.000 200.000 400.000 80.000 100.000 1.030.000
Leistungen von IT in Stunden   100 100 500 100 200 1.000
Leistungen von Instandhaltung in Stunden 200   300 800 100 100 1.500

Gleichungsverfahren

Das bedeutet: Der Kostensatz für die IT-Abteilung (KIT) zur Weiterverrechnung aller ihrer Kosten muss so hoch sein, dass er nicht nur die primären Kosten der IT-Abteilung von 100.000 Euro abdeckt, sondern auch die Kosten für die Inanspruchnahme der 200 Stunden von der Instandhaltung. Für die Instandhaltung gilt analog das Gleiche (150.000 Euro und 100 Stunden von der IT-Abteilung). Die beiden Gleichungen für die beiden Kostensätze lauten demnach wie folgt:
1000 h × KIT €/h = 100.000 € + 200 h × KIH €/h

1500 h × KIH €/h = 150.000 € + 100 h × KIT €/h

Löst man die beiden Gleichungen nach den zwei Unbekannten (KIT und KIH) auf, ergeben sich die folgenden Kostensätze (jeweils auf zwei Nachkommastellen gerundet):
KIT = 121,62 €/h

KIH = 108,11 €/h

Die Verrechnung der Kosten von den Hilfskostenstellen auf die Hauptkostenstellen führt dann zu dem folgenden Ergebnis:

Gleichungsverfahren Hilfskostenstellen Hauptkostenstellen Gesamt
  IT Instandhaltung Material Fertigung Verwaltung Vertrieb  
primäre Kosten (Euro) 100.000 150.000 200.000 400.000 80.000 100.000 1.030.000
sekundäre Kosten von IT in Euro –121.620 12.162 12.162 60.810 12.162 24.324 0
sekundäre Kosten von Instandhaltung in Euro 21.622 –162.165 32.433 86.488 10.811 10.811 0
Gesamt 2 –3 244.595 547.298 102.973 135.135 1.030.000
Die beiden Gesamtsummen für IT und Instandhaltung von 2 Euro bzw. –3 Euro entstehen nur durch Rundungsdifferenzen; ohne Rundungsdifferenzen sind beide Ergebnisse gleich Null.

Anbauverfahren

Mit dem Anbauverfahren kommt man schneller zum Ergebnis, es ist aber wie gesagt nur korrekt anwendbar, wenn die Hilfskostenstellen ausschließlich Leistungen an Hauptkostenstellen erbringen, in diesem Fall also (eigentlich) nicht. Die Kostensätze errechnen sich hier schlicht durch Division der primären Kosten durch die an Hauptkostenstellen gelieferten Leistungen:
KIT = 100.000 €/900 h = 111,11 €/h

KIH = 150.000 €/1300 h = 115,38 €/h

Stufenleiterverfahren

Im Fall des Stufenleiterverfahrens werden im Gegensatz dazu zwar auch Leistungen von Hilfskostenstellen an andere Hilfskostenstellen berücksichtigt, allerdings nur in eine Richtung – von links nach rechts, hier:
KIT = 100.000 €/1000 h = 100 €/h

KIH = (150.000 € + 100 h × 100 €/h ) / 1300 h = 123,08 €/h

In beiden Fällen (Anbau- und Stufenleiterverfahren) fällt der IT-Kostensatz niedriger (und damit zu niedrig) aus als beim Gleichungsverfahren, da die IT-Abteilung in beiden Fällen die Leistungen, die sie von der Instandhaltungs-Abteilung in Anspruch genommen hat, nicht "bezahlen" muss. Dadurch haben die Hauptkostenstellen einen Vorteil, die mehr IT-Leistungen in Anspruch nehmen und diejenigen einen Nachteil, die mehr Instandhaltungs-Leistungen in Anspruch nehmen.

Um beide Seiten (die leistenden und die Leistungen abnehmenden Stellen) zu wirtschaftlichem Handeln anzuhalten, ist das Verfahren der Kostenüberwälzung nicht gut geeignet, da die leistende Kostenstelle weiß, dass sie ihre gesamten Kosten immer "los wird", da der Kostensatz entsprechend ermittelt wird und die abnehmende Kostenstelle die ihr zugerechneten Kosten nur bedingt beeinflussen kann, da der Kostensatz bei einer Reduktion der abgenommenen Menge steigt.

Will man also wirtschaftliches Verhalten fördern, muss man mit festen Verrechnungssätzen arbeiten, diese können z.B. an Marktpreisen orientiert sein. Das hat den zusätzlichen positiven Effekt, dass man vermeidet, dass Kostenstellen-Verantwortliche Leistungen "von außen zukaufen", wenn die Marktpreise niedriger sind als die internen Kostensätze. Rechnet man mit festen Verrechnungssätzen, ist aber nicht zu erwarten, dass die Hilfskostenstellen "auf Null" kommen, daher kann es bzw. wird es in der Regel zu so genannten Über- oder Unterdeckungen kommen.

Feste Verrechnungssätze

Setzt man z.B. für beide Kostensätze KIT und KIH den Wert 110 €/h an, erhält man das folgende Ergebnis nach Verrechnung der Kosten von den Hilfskostenstellen auf die anderen Kostenstellen:

Feste Verrechnungssätze Hilfskostenstellen Hauptkostenstellen Gesamt
  IT Instandhaltung Material Fertigung Verwaltung Vertrieb  
primäre Kosten (Euro) 110.000 150.000 200.000 400.000 80.000 100.000 1.030.000
sekundäre Kosten von IT in Euro –110.000 11.000 11.000 55.000 11.000 22.000 0
sekundäre Kosten von Instandhaltung in Euro 22.000 –165.000 33.000 88.000 11.000 11.000 0
Gesamt 12.000 –4.000 244.000 543.000 102.000 133.000 1.030.000

Die IT-Kostenstelle schließt mit einem "Verlust" bzw. einer Unterdeckung von 12.000 € ab, da sie weniger Kosten verrechnen kann (110.000 €) als inkl. der auf sie selbst entfallenden sekundären Kosten angefallen sind (122.000 €).

Bei der Instandhaltungs-Abteilung ist es umgekehrt: Sie erwirtschaftet einen "Gewinn" bzw. eine Überdeckung, da sie mehr Kosten weiterverrechnen kann (165.000 €) als inkl. sekundärer Kosten bei ihr angefallen sind (161.000 €). Damit werden die Hauptkostenstellen per Saldo um 8.000 € weniger belastet, als wenn mit Kostenüberwälzung gearbeitet wird. Diese 8.000 € gehen somit auch nicht in die Kostenträgerrechnung ein, belasten aber dennoch das Betriebsergebnis. Daher müssen sie gesondert an einer späteren Stelle berücksichtigt werden.

Zu 3. Ermittlung der Zuschlagsätze für die Kalkulation

Mit Hilfe der so ermittelten "Endkosten" der Hauptkostenstellen können für die Überleitung zur Kostenträgerrechnung Gemeinkostenzuschlagsätze ermittelt werden, indem die erfassten Gemeinkosten (primäre + sekundäre Kosten) durch eine jeweils geeignete Bezugsgröße dividiert werden.

Angenommen, die in der folgenden Tabelle angegebenen Bezugsgrößen sind für die Berechnung der Gemeinkostenzuschlagsätze vorgegeben, dann könnten sich die Zuschlagsätze wie folgt errechnen:

  Hauptkostenstellen
  Material Fertigung Verwaltung Vertrieb
Gesamtkosten 244.000 543.000 102.000 133.000
Bezugsgröße 500.000 500.000 1.787.000 1.787.000
Zuschlagsatz 48,8% 108,6% 5,7% 7,4%

FAQ

Sollte man bei der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung besser ein Verfahren zur Kostenüberwälzung anwenden oder lieber mit festen Verrechnungssätzen arbeiten?
Das hängt von der Zielsetzung des Unternehmens ab: Ist dem Unternehmen mehr daran gelegen, die Kostenstellen-Verantwortlichen zu wirtschaftlichem Handeln zu anzuhalten, ist es besser, mit festen Verrechnungssätzen zu arbeiten. Ist dem Unternehmen dagegen mehr daran gelegen, alle Kosten der Hilfskostenstellen auch tatsächlich auf die Hauptkostenstellen zu verteilen, dann ist es besser, mit Kostenüberwälzung zu arbeiten. Beides gleichzeitig ist „nicht zu haben“.

Kann es gefährlich werden, wenn man die Über- oder Unterdeckungen auf den Hilfskostenstellen nicht später in die Betriebsergebnisrechnung übernimmt?
Ja, insbesondere bei hohen Unterdeckungen. Diese bedeuten, dass man in der Kalkulation zu wenige Kosten verrechnet und somit ggf. die Verkaufspreise zu niedrig ansetzt und/oder höhere (Produkt-)Gewinne erwartet, als tatsächlich eintreten. Bei nicht berücksichtigten Unterdeckungen werden zu viele Kosten verrechnet und auf dieser Grundlage möglicherweise zu hohe Verkaufspreise angesetzt, so dass ggf. die Absatzmengen zurückgehen.

Wie verbreitet sind das Anbau- und das Stufenleiterverfahren in der Praxis?
Man kann davon ausgehen, dass beide Verfahren nicht (mehr) so häufig in der Praxis angewendet werden. Es handelt sich hier um sehr leicht anzuwendende Verfahren, die vor allem dann zweckmäßig sind, wenn keine IT-Unterstützung zur Verfügung steht und es nicht als so wichtig angesehen wird, dass sich durch die Kostensätze auch die genaue Inanspruchnahme der Leistungen zwischen den Kostenstellen in der Höhe der sekundären Kosten widerspiegelt.

Kann man auch ganz ohne eine Kostenstellenrechnung auskommen?
Ja, aber das empfiehlt sich nur für kleine Unternehmen, die auch ohne Bereichsabgrenzungen gut steuerbar sind.




letzte Änderung P.D.U.B. am 21.08.2024
Autor:  Prof. Dr. Ursula Binder


Autor:in
Frau Prof. Dr. Ursula Binder
Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Rechnungswesen und Controlling an der TH Köln, vorher kaufmännische Leiterin eines mittelständischen Dienstleistungsunternehmens, Unternehmensberaterin, Seminarleiterin (Inhouse und öffentliche Seminare), Verfasserin von Lernbriefen für das Fernstudium, Autorin: Nachhaltigkeitsberichterstattung in mittelständischen Unternehmen, Haufe 2024, Schnelleinstieg Controlling, 8. Auflage 2023, Die 5 wichtigsten Steuerungsinstrumente für kleine Unternehmen, 1. Auflage 2017, Kennzahlen-Guide für Controller, 1. Auflage 2019.
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