Vollständiger Finanzplan (VoFi)

Dr. Peter Hoberg
Vollständige Finanzpläne (VoFis) haben in der Investitionsrechnung andere dynamische Verfahren wie Kapitalwert, Endwert und Internen Zinsfuß häufig ersetzt. Letztere können als Sonderfälle des allgemeinen Ansatzes der VoFis verstanden werden. Im ersten Schritt kann und sollte der Investor entscheiden, wann er seine Überschüsse aus Handlungsmöglichkeiten (Investitionen) haben möchte.

Häufig wird die sinnvolle Annahme getroffen, dass er die Überschüsse am Ende möchte, somit den VoFi-Endwert maximieren möchte. Es wird dann ermittelt, welcher Betrag am Ende der Laufzeit entnommen werden kann, nachdem alle Auszahlungen abgedeckt sind. Ein einfacher Vollständiger Finanzplan wird im Folgenden erklärt. Es wird davon ausgegangen, dass die folgenden Vorarbeiten erfolgreich durchgeführt wurden:

Einfacher Vollständiger Finanzplan

Ein einfacher Vollständiger Finanzplan wird im Folgenden erklärt. Es wird davon ausgegangen, dass die folgenden Vorarbeiten erfolgreich durchgeführt wurden:

Die Handhabung sei an einem Beispiel gezeigt. Zur leichteren Nachvollziehbarkeit sind die Zeilen des folgenden Vollständigen Finanzplans durchnummeriert.


Die ersten 3 Zeilen enthalten die geschätzten Ein- und Auszahlungen. In der Praxis fällt hier ein Großteil der Arbeit an, weil insbesondere die Einzahlungen nur schwer abzuleiten sind. Für die Finanzierung der Anfangsinvestition von -10.000 (Zeile 1) muss zum Startzeitpunkt in t=0 ein Kredit von 10.000 Euro aufgenommen werden (Zeile 9). Dieser Kredit führt in t=1 zu Zinsen von 10 % auf 10.000, also -1.000 Euro (Zeile 5). Die Zinsen vermindern den Projekt Cash Flow weiter von -2000 auf -3000 Euro (Zeile 7).

Negative Überschüsse in den Anfangsphasen sind in der Praxis (im Gegensatz zu vielen Lehrbuchbeispielen) häufig, weil am Anfang die Markteinführung viel Geld kostet und gleichzeitig die Produktion erst langsam hochläuft. Es muss im Beispiel somit ein weiterer Kredit aufgenommen werden, so dass die Gesamtschulden in t= 1 auf 13.000 steigen (Zeile 17).

Hier sieht man bereits einen wesentlichen Vorteil des Vollständigen Finanzplans: Dadurch, dass er den Finanzierungsbedarf zum Ende eines jeden Jahres transparent ausweist, bemerkt der Entscheider, dass eine Kreditlinie von 10.000 € nicht ausreicht, sondern mindestens 13.000 notwendig sind. In t=2 wird der Projekt Cash Flow wiederum durch die Zinsen von -1300 € reduziert. Es bleiben 7000 Euro übrig (Zeile 7), die im ersten Schritt zur Schuldenrückzahlung verwendet werden, so dass der Gesamtschuldenstand auf 6000 € fällt.

In t=3 beträgt der Überschuss nach Zinsen 7000 €, der zur vollständigen Schuldentilgung ausreicht. Danach verbleiben noch 1000 €, die zwischenzeitlich "angelegt" werden können. Das Anlegen ist in Anführungszeichen gesetzt, weil kein vernünftiges Unternehmen Finanzanlagen durchführen wird, sondern das Geld für Kredittilgungen bei anderen Projekten einsetzen wird, wenn es nicht sogar noch bessere neue Investitionen starten kann.

VoFi.png
Tab. 1: Beispiel Vollständiger Finanzplan

Der positive Endwert von 2100 € (Zeile 18) in t=5 zeigt, dass die Handlungsmöglichkeit vorteilhaft ist, weil alle Auszahlungen geleistet wurden und trotzdem noch ein Guthaben zur Entnahme vorhanden ist. Das Vermögen des Investors hat sich erhöht. Im Beispiel war es wichtig, am Ende des Planungszeitraums zu erfassen, wie hoch der Liquidationserlös der dann noch vorhandenen Anlagegüter (z. B. Maschine) sein wird. Im Beispiel sind es 3000 Euro. Nur damit wird die Handlungsmöglichkeit positiv. Es kann allerdings auch sein, dass am Ende eine negative Zahlung steht (Zeile 1), weil die Handlungsmöglichkeit nur beendet werden kann, wenn noch Auszahlungen geleistet werden.

Neben der Ermittlung der Vorteilhaftigkeit kann man aus dem VoFi auch ablesen, dass die dynamische Amortisation (Zeitpunkt des Rückflusses der Anfangsauszahlung) erst in der letzten Periode erfolgt. Simulationen können zudem ohne großen Aufwand durchgeführt werden. Wenn z.B. der für t= 5 angenommene Restverkaufserlös um 1.000 € fällt, kann man sofort den neuen Endwert (hier Kapitalüberschuss) ablesen. Ohne große Probleme lässt sich auch der Kapitalwert ermitteln, wenn der Endwert über die Laufzeit auf den Zeitpunkt t=0 abgezinst wird (siehe letzte Zeile).

Zusammenfassend sind folgende Vorteile für die VoFis zu nennen:
  1. Die Finanzierungssalden werden zu jedem Periodenende ermittelt. Damit kann vermieden werden, dass nach Deckung des anfänglichen Investitionsbedarfs neue Finanzierungslücken auftreten, wenn z.B. eine Fabrikerweiterung geplant wird. [1]
  2. Ertragssteuern lassen sich einfach integrieren.
  3. Unterschiedliche Zinssätze für verschiedene Kredittranchen sind abbildbar. Damit benötigt der VoFi nicht die Annahme des vollkommenen Kapitalmarkts.
  4. Unterschiedliche Steuersätze lassen sich integrieren.
  5. Sonderfinanzierungsmöglichkeiten sind einfach integrierbar (zusätzlich zu c).
  6. Wesentlich bessere Verständlichkeit durch höhere Transparenz.
  7. Sensitivitätsanalysen einfach durchführbar.

Durch den Einsatz von Tabellenkalkulationen wie z. B. Excel hält sich der Berechnungsaufwand in engen Grenzen. Es müssen nur alle Zahlungen und Zinssätze eingegeben werden. Den Rest erledigt die Tabellenkalkulation. Der frühere Nachteil des höheren manuellen Rechenaufwandes ist im Zeitalter der Tabellenkalkulationen nicht mehr relevant. Damit stellt der VoFi das zurzeit beste Instrument zur Beurteilung von Investitionen/Handlungsmöglichkeiten dar.


Fußnote:

[1] Verhindert wird damit allerdings nicht, dass innerhalb der Periode (intraperiodisch) eventuell Unterdeckungen auftauchen, es sei denn, dass zumindest in den ersten Jahren Auszahlungen intraperiodisch immer abgezinst werden.




letzte Änderung P.D.P.H. am 13.04.2023
Autor:  Dr. Peter Hoberg
Bild:  PantherMedia/ Wavebreakmedia ltd.


Autor:in
Herr Prof. Dr. Peter Hoberg
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms. Seine Lehrschwerpunkte sind Kosten- und Leistungsrechnung, Investitionsrechnung, Entscheidungstheorie, Produktions- und Kostentheorie und Controlling. Prof. Hoberg schreibt auf Controlling-Portal.de regelmäßig Fachartikel, vor allem zu Kosten- und Leistungsrechnung sowie zu Investitionsrechnung.
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