Investitionsentscheidungen sollten aufgrund ihrer Bedeutung sorgfältig getroffen werden. Eine systematische Vorgehensweise findet sich im
Leitfaden der Investitionsrechnung. Ein wichtiger Schritt darin besteht in der
Schätzung zukünftiger Daten (Schritt 3 im Leitfaden), die mit Hilfe der
Differenzmethode abgeleitet werden. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass diese Schätzungen praktisch nie exakt eintreten werden. Je weiter sie in der Zukunft liegen, umso unsicherer wird ihr Eintreten in den meisten Fällen. Die geschätzten Zahlen stellen üblicherweise die wahrscheinlichste Variante dar.
Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass große
Abweichungen zwischen den Schätzungen und den tatsächlichen Werten auftreten können. Als Beispiel seien
Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zu
Investitionen in der Energiewirtschaft angeführt. Bis Mitte des Jahres 2014 gingen sie von einem Ölpreis von über 100 $/B aus. Mit dem drastischen Preisverfall ist zu fragen, welche Änderungen dadurch ausgelöst werden. Viele Investitionsprojekte werden von geringeren Energiekosten profitieren (und sei es nur indirekt durch die höhere Kaufkraft der Kunden), aber einige, welche Substitute für Öl und Gas entwickeln wollen (z. B. aus Altplastik, mit Algen, über Windstrom etc.), werden stark negativ beeinflusst.
Insofern sollten sich die Unternehmen schon vor der Entscheidung überlegen, ob die Investition auch dann noch vorteilhaft ist, wenn sich
wichtige Parameter verschlechtern (eine Verbesserung ist eher unproblematisch). Diese Erkenntnis führt zu einem kaum lösbaren Problem, da es viele wichtige Parameter gibt wie z. B.
- Nettopreise
- Absatzmengen
- Nutzungsdauer
- Zinssätze
- Rohstoffpreise usw.,
die alle viele Ausprägungen annehmen können. Daraus ergeben sich unendlich viele Kombinationen, wodurch eine exakte Lösung nicht möglich ist. In dieser schwierigen Situation hilft man sich mit Szenarien, die alternative Kombinationen der
wichtigen Inputfaktoren enthalten. Diese können z. B. in alternativen Nettopreisen, Mengen und Marktlebensdauern bestehen. Mit einer solchen Sensitivitätsanalyse versucht das Unternehmen zu bestimmen, wie empfindlich das
Erfolgskriterium (z. B.
Kapitalwert, Endwert oder
Kapitalrendite) auf Veränderungen der Daten reagiert. Eine weitere Vorgehensweise zur Berücksichtigung der Unsicherheit besteht in der
Ermittlung kritischer Werte. Dazu wird untersucht, inwieweit sich wichtige Parameter verschlechtern dürfen, bevor die Investition nicht mehr vorteilhaft ist. Die grundsätzlichen Ansätze sind in der folgenden Abbildung aufgeführt:
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K-Kosten: Kapitalkosten
Abb. 1 (Peter Hoberg)
Die üblichen Analysen beziehen sich also auf die kritische Zeit (
Amortisation), die kritischen Mengen bzw. auf die kritischen Preise. Die Untersuchung sollte dynamisch, also mehrperiodig
unter Berücksichtigung der Kapitalkosten erfolgen. Ohne Kapitalkosten würden die berechtigten Ansprüche der Fremdkapitalgeber (z. B. Banken) und Eigenkapitalgeber (z. B: Aktionäre) nicht berücksichtigt.
Die Vorgehensweise im Rahmen der Sensitivitätsanalyse sei an einem Beispiel gezeigt. Ausgangspunkt sei der
Vollständige Finanzplan aus dem gleichnamigen Beitrag. Die darin verwendeten Daten beruhen auf dem wahrscheinlichsten Szenario. Für ein schlechteres Szenario sei nun im ersten Schritt angenommen, dass im vorletzten Jahr gegenüber der Ausgangssituation die Preise um 10 % gesenkt werden müssen und im letzten Jahr um 20 %.
Damit fallen auch die
Einzahlungen (alt Zeile 2, neu Zeile 3) in t=4 von 4000€ auf 3600€ und in t=5 von 2750€ auf 2200€. Die Auszahlungen bleiben gleich und müssen daher in der folgenden Tabelle nicht neu aufgeführt werden.
Zeitpunkt
|
0
|
1
|
2
|
3
|
4
|
5
|
Zahlungen für Investition
Lfd. Einzahlung alt
Lfd. Einzahlungen neu
Lfd. Auszahlungen
|
-10.000
0
0
0
|
6.000
6.000
-8.000
|
12.300
12.300
-4.000
|
12.600
12.600
-5.000
|
4.000
3.600
-6.600
|
3.000
2.750
2.200
-2.000
|
Projekt Cash Flow
|
-10.000
|
-2.000
|
8.300
|
7.600
|
-3.000
|
3.200
|
Kapitalkosten
Periodensaldo
|
0
-10.000
|
-1.000
-3.000
|
-1.300
7.000
|
-600
7.000
|
100
-2.900
|
-290
2.910
|
Kapitalbewegung
* Kapitalaufnahme
* Kapitalrückzahlung
* Zinssatz
|
10.000
0
|
3.000
0
10,0 %
|
0
-7.000
10,0 %
|
0
-6.000
10,0 %
|
2.900
0
10,0 %
|
0
-2.900
10,0 %
|
Bestandsgrößen
Gebundenes Kapital
Kapitalüberschuss
|
10.000
0
|
13.000
0
|
6.000
0
|
0
1.000
|
2.900
0
|
0
10
|
Abb.2 (Peter Hoberg)
Durch die
Verschlechterung der Daten bleibt im Vollständigen Finanzplan nur noch ein Plus von 10€ (Zeile 14), so dass die Vorteilhaftigkeit gering ist. Die Investition steht dann für die Daten des
Alternativszenarios auf der Kippe. Im Gegensatz dazu betrug im Ausgangsszenario der Kapitalüberschuss 1000€.
Wenn angenommen werden kann, dass die beiden betrachteten Szenarien die wichtigsten Fälle abdecken, müssen die Ergebnisse beider Szenarien in eine
Gesamtbeurteilung einfließen. Im vorliegenden Beispiel wäre die Investition positiv einzuschätzen, weil selbst im negativeren Szenario kein Verlust entsteht.
Schwieriger wird es, wenn bei weiteren Szenarien auch solche mit negativen Endwerten auftreten. Dann muss eine
Risikoabschätzung durchgeführt werden. Dazu sei angenommen, dass es noch zwei weitere Szenarien gebe; ein sehr negatives mit einem Endwert von -50€ und ein optimistisches mit +200€. Die folgende Tabelle zeigt wiederum die Endwerte der 4 verschiedenen Szenarien.
|
SZENARIO
|
1
|
2
|
3
|
4
|
Saldo
|
Ansatz
|
vorsichtig
|
negativ
|
sehr negativ
|
optimistisch
|
|
Endwert in €
Wahrscheinlichkeit
Gewichtete Endwerte
|
100
60 %
60
|
10
20 %
2
|
-50
10 %
-5
|
200
10 %
20
|
260,0
100 %
77,0
|
Nutzenpunkte
Gewichtete Nutzenp.
|
30
18,0
|
1
0,2
|
-10
-1,0
|
10
1,0
|
31,0
18,2
|
Abb. 3 (Peter Hoberg)
Die Entscheidung hängt nun in großem Umfang von der
Risikoeinstellung der Entscheidungsträger ab. Wenn Risikoaversion herrscht, soll auch das kleinste
Risiko ausgeschaltet werden (ob das vollständig gelingen kann, sei bezweifelt). Da im sehr negativen Szenario 3 mit – 50€ ein negativer Endwert resultiert, würde der risikoscheue Entscheider den Vorschlag ablehnen.
Das wäre wohl etwas zu vorsichtig. Man sollte nun die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Szenarien schätzen. Im Beispiel ist für Szenario 3 eine Wahrscheinlichkeit von 10 % angenommen. In den drei anderen wahrscheinlicheren Szenarien würde es positive Endwerte geben. Der risikoneutrale Entscheider würde somit auf den
Erwartungswert der Endwerte schauen, der mit 77€ klar positiv ist.
Da die meisten Entscheider jedoch eher risikoscheu sind, muss ein Abwägen erfolgen. Dabei ist zu fragen, ob die guten Endwerte der anderen 3 Szenarien ausreichen, um das Risiko des Szenarios 3 zu tragen. Dafür können die Endwerte auch in
Nutzenpunkte (Fachterminus: Risikonutzen) übertragen werden. Ein eher vorsichtiger Entscheider könnte z. B. die positiven Endwerte nur zur Hälfte in Nutzenpunkte übersetzen, negative dagegen doppelt (Zeile 5).
In Zeile 6 werden dann die Nutzenpunkte mit den Wahrscheinlichkeiten gewichtet und dann zum Saldo aufaddiert. Er ist mit 18,2€ immer noch klar positiv trotz der
vorsichtigeren Vorgehensweise. Man könnte sich somit für die Handlungsmöglichkeit entscheiden, auch wenn man weiß, dass man nie alle Szenarien berücksichtigen kann.
letzte Änderung W.V.R.
am 13.04.2023
Autor:
Dr. Peter Hoberg
|
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