1. Problemstellung
Gerade in Corona-Zeiten versuchen Unternehmen manchmal mit aller Gewalt, wieder gute Geschäfte zu machen. Dazu wird teilweise zu
fraglichen Tricks gegriffen, um die Kunden von einem angeblichen
Superangebot zu überzeugen. Der überraschte
Controller wird feststellen können, dass die Monatsraten einiger Fahrzeuge deutlich unter dem liegen, was er zurzeit bezahlt. Auch wenn nicht jedes Unternehmen die besten Raten haben kann, müssen dramatische Ratenunterbietungen stutzig machen. Und tatsächlich wird der Controller und auch der Privatmann fast immer einen schlimmen Haken finden.
Wenn eine Rate von ca. 300 €/Monat üblich ist, kann es nicht sein, dass Raten unter 100 €/Monat angeboten werden, ohne dass getrickst wird. Es soll gezeigt, werden, wie solche Kalkulationen durchgeführt werden, um die
Wunschergebnisse zu erhalten. Der Controller kann dann sofort auf die Punkte schauen, bei denen getrickst wird.
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2. Übliche Ratenermittlung
Kalkulation ohne Restwerte
Im ersten Schritt soll anhand eines Beispiels gezeigt werden, wie die
ökonomischen Grundlagen einer Ratenfinanzierung aussehen. Auf der Basis kann dann abgeleitet werden, wo es bei den "optimierten" Angeboten getrickst wurde. Es sei von einem Kaufpreis von 40 T€
0 ausgegangen, worauf für den Privatmann noch die Mehrwertsteuer zu berechnen wäre. Der effektive Jahreszinssatz möge marktübliche 3,99 % betragen. Der
Standardrabatt belaufe sich auf 25 %, so dass insgesamt 30 T€
0 zu finanzieren sind. Dieser Betrag muss auf die Laufzeit des Vertrages verteilt werden, wobei die Zinseffekte zu berücksichtigen sind.
Im ersten Schritt sei – aus Gründen der Einfachheit – angenommen, dass die
Finanzierung über die gesamte Lebensdauer von 10 Jahren = 120 Monaten laufen soll. Ein
Restwert möge danach nicht mehr bestehen. Damit muss der
Nettopreis auf 120 Monaten inkl. der dadurch ausgelösten
Zinswirkungen verteilt werden. Wenn es sich um eine Finanzierung handelt, müssen die Raten am Monatsende bezahlt werden (nachschüssig), bei Leasing am Monatsanfang (vorschüssig).
Solche betriebswirtschaftlichen Kalkulationen können unter bestimmten Bedingungen vereinfacht werden, indem
Wiedergewinnungsfaktoren eingesetzt werden. Dies kann dann geschehen, wenn Zahlungsreihen aus gleich hohen Zahlungen bestehen, die in gleichen zeitlichen Abständen auftreten (äquidistant), was hier durch die gleichmäßigen Monatsraten gegeben ist.
Der Wiedergewinnungsfaktor WGF entsteht als
Kehrwert des
Barwertfaktors, der in fast allen Lehrbüchern aufgeführt wird. Seine Einheit ist €
1;tn / €
0 (vgl. zu dieser neuen Schreibweise Hoberg (2018), S. 468 ff.). Diese Einheit macht deutlich, dass einem jeden Euro Kapital in t=0 eine bestimmte Anzahl an Euros an den jeweiligen Monatsenden (t = 1, …, tn) entspricht.
Das obige Beispiel mit dem zu
finanzierenden Betrag FB von 30 T€
0 und 120 Monaten Laufzeit sei nun fortgeführt. Bei einem effektiven Jahreszinssatz von 3,99 % ergibt sich eine
Monatsrate MR von (vgl. zu den Wiedergewinnungsfaktoren Varnholt/Hoberg/Gerhards/Wilms, S. 44 ff.):
MR = FB * WGF in €
1;120
FB Finanzierungbetrag per t=0 in €
0
WGF Wiedergewinnungsfaktor WGF in €
1;120 / €
0
Da die Raten monatlich anfallen sollen, muss der Jahreszinssatz in einen effektiven Monatszinssatz umgerechnet werden, der sich zu 0,327 % ergibt. Damit erhält man für die Monatsraten MR:
MR = (1,00327
120 * 0,00327) / ((1,00327)
120 -1) €
1;120 / €
0 * 30.000 €
0 in €
1;120
MR = 0,01009 * 30.000 = 302,58 €
1;120
Die 120 Monatsraten belaufen sich somit auf je 302,58 €
1;120.
Durch die Ergänzung der Einheiten beim zu finanzierenden Betrag FB und dem Wiedergewinnungsfaktor kann sichergestellt werden, dass die Monatsraten zeitlich korrekt ermittelt wurden. Sie müssen die Einheit €
1;120 aufweisen.
Kalkulation mit Restwerten
Im Beispiel mit einer Laufzeit von 10 Jahren war angenommen worden, dass am
Laufzeitende kein Restwert mehr existiert. Aber insb. bei kürzeren Laufzeiten wäre eine solche Annahme nicht realistisch. Die Restwerte wirken sich positiv, d.h. senkend auf die Monatsraten aus, weil sie eine Einzahlung durch den Verkauf am Laufzeitende bedeuten.
Das Symbol für den
Restwert sei mit RW
tn gewählt, wobei das tn für die Laufzeitmonate steht. Bei 10 Jahren nimmt tn den Wert 120 an. Die Einheit ist dann dementsprechend €
tn. Durch diesen positiven Effekt kann die in t=0 zu finanzierende Summe reduziert werden, wobei der Restwert allerdings auf t=0 abgezinst werden muss, weil er nicht in t=0 anfällt. Es gilt für den verringerten zu finanzierenden Betrag FB:
FB = NP
0 – RW
tn / (1+i
M)
tn
Im ersten Schritt sei zur Vereinfachung angenommen, dass der Wertverlust linear sei, so dass nach 60 Monaten (5 Jahre) noch ein RW
5 von 15 T€
5 erzielt werden kann. Durch Abzinsung über die 60 Monate ergibt sich FB:
FB (tn=60) = 30 - 15 / 1,00327
60 = 30 – 12,334 = 17,665 T€
0
Der jetzt wieder anzuwendende Wiedergewinnungsfaktor muss in diesem Beispiel für die Laufzeit von 60 Monaten und nicht mehr 120 Monate ermittelt werden. Es ergibt sich eine Monatsrate von:
MR(tn=60) = 0,1838 * 17,665 = 324,68 €
1;60
Diese 60-monatige Rate ist auch bei
linearem Wertverlust schon höher als bei der Laufzeit von 10 Jahren, weil durchschnittlich mehr Kapital gebunden ist. Die Monatsraten steigen weiter an, wenn ein erhöhter
Wertverlust in den ersten Jahren angenommen wird, wie es realistisch ist. Unterstellt wird ein jährlicher Wertverlust von 25 %. Dadurch beträgt der Restwert nach 5 Jahren nur noch 30.000 * (1-0,25)
5 = 7.119 €
60. Durch den erhöhten
Wertverzehr steigt der zu finanzierende Betrag auf:
FB
d (tn=60) = 30 – 7,119 / 1,00327
60 = 30 – 5,854 = 24,146 T€
0
Somit erhält man für die Monatsraten bei degressiven Wertverlust:
MR
d(tn=60) = 0,1838 * 24,146 = 443,80 €
1;60
MR
d(tn=60) Monatsrate bei degressiven Wertverlust und 60 Monaten.
Im nächsten Schritt sollen die Ergebnisse verallgemeinert werden.
3. Tabelle mit Monatsraten
Im vorhergehenden Abschnitt wurde gezeigt, wie die Monatsraten für
bestimmte Parameterkonstellationen gerechnet werden können. Um auch andere Laufzeiten zu berücksichtigen, wurden deren Ergebnisse in der folgende Abb. 1 aufgeführt:
Listenpreis
|
40000 €0
|
Rabatt
|
25 %
|
Nutzungsdauer
|
10 Jahre
|
Degressionsfaktor
|
25 %
|
Jahreszinssatz effektiv
|
3,99 %
|
Monatszinssatz effektiv
|
0,327 %
|
Laufzeit-
monate
|
Restwert in €t
|
Abgezinste Restwerte
|
WGF
€1;tn / €0
|
Raten in €1;tn
|
linear
|
degressiv
|
linear
|
degressiv
|
linear
|
degressiv
|
0
12
24
36
48
60
72
84
96
108
120
|
30000
27000
24000
21000
18000
15000
12000
9000
6000
3000
0
|
30000
22500
16875
12656
9492
7119
5339
4005
3003
2253
0
|
30000
25964
22194
18674
15392
12335
9489
6844
4388
2110
0
|
30000
21637
15605
11255
8117
5854
4222
3045
2196
1584
0
|
n. a.
8,511 %
4,339 %
2,949 %
2,254 %
1,838 %
1,561 %
1,363 %
1,215 %
1,100 %
1,009 %
|
n. a.
343,51
338,71
333,97
329,30
324,68
320,14
315,65
311,23
306,87
302,58
|
n. a.
711,82
624,59
552,76
493,30
443,80
402,35
367,43
337,86
312,66
302,58
|
WGF: Wiedergewinnungsfaktor nachschüssig, auf t = 0 bezogen
Die für das Beispiel errechneten Monatsraten von 324,68 €
1;60 (linearer Wertverlust) und 443,80 €
1;60 (degressiv) finden sich in der Tabelle in der Zeile "60 Monate" wieder. Man kann gut sehen, dass insb. beim
realistischen degressiven Wertverlust die Monatsraten mit Erhöhung der Laufzeiten stark fallen, weil nicht nur die durchschnittliche Kapitalbindung abnimmt, sondern auch der jeweils zusätzliche Wertverzehr.
Damit wird noch offensichtlicher, dass sehr günstige Monatsraten für kurze Vertragslaufzeiten kaum möglich sind, wenn nicht tief in die Trickkiste gegriffen wird.
4. Der Rabatt-Restwert-Trick
Angesichts der hohen Monatsraten bei üblicher Berechnung werden wohl nicht viele potentielle Käufer überzeugt werden können, einen Vertrag zu unterschreiben. Die Raten müssen also reduziert werden. Aber
niedrige Raten am Anfang bedeuten automatisch große
finanzielle Lasten am Ende, die man aber vor dem Käufer verbergen möchte.
Die Methode der Wahl besteht darin, am Ende einer kurzen ersten Phase einen (zu) hohen Restwert anzunehmen. Der Rabatt wird im offiziellen Nettopreis nur zur Hälfte eingerechnet, so dass der
Restwertverlauf und damit die Finanzierung auf den ersten Blick plausibel aussehen.
In einem Beispiel, das dem Autor vorliegt, wird nach 24 Monaten ein Restwert in Höhe des tatsächlichen Nettopreises angenommen, so dass in dieser Phase nur Zinsen verrechnet werden müssen. Klar, dass dann die Monatsrate über 24 Monate außerordentlich niedrig ist: Mit den Daten des Beispiels (Monatszinssatz 0,327 % und Kaufpreis von 30 T€
0 ) bleibt man mit 97,97 €
1;24 unter der Schwelle von 100 €
1;24. Abb. 1 zeigt, dass ein Wert von über 300 € angemessen wäre. Jeder Controller sollte merken, dass dies angesichts der Basisdaten nicht sein kann.
Die Rechnung kommt dann auch nach den ersten 24 Monaten. Das Fahrzeug muss dann für den Restwert von 30.000 €
24 übernommen werden bzw. weiterfinanziert werden. Im ersten Beispiel ohne Restwert steigt die Monatsrate dann für die verbleibenden 96 Monate auf 408,94 €
25;120, wobei die Rate für 120 Monate 302,58 €
1;120 betrug. Der anfängliche Vorteil löst sich auf.
Ähnlich funktioniert der Trick mit dem
Restwertleasing, bei dem der
Leasingnehmer das
Risiko eines Verfalls des Restwerts trägt. Wenn dazu der Restwert sehr hoch angesetzt ist, kommt es am Ende der 24 Monate zu einem unangenehmen Gespräch, in welchem der Leasinggeber auf sein
Andienungsrecht hinweist. Er kann dem Leasingnehmer das Wirtschaftsgut zum (viel zu hohen) Restwert gemäß Vertrag andienen. Auch auf diese Weise verschwindet der anfängliche Vorteil niedriger Monatsraten.
5. Die Selbstüberlistung einiger Anbieter
Es gibt allerdings auch Fälle, in denen sich der Anbieter (z. B. Leasinggeber) verrechnet, so dass die viel zu niedrigen Leasingraten auf ihn zurückfallen. Das gilt z. B. beim Kilometerleasing, bei dem der Leasingnehmer nur auf die gefahrene Strecke achten muss und nicht für
Restwertprobleme aufkommen muss. Dieser Fall der überraschenden Restwertverluste ist in der jüngeren Vergangenheit häufig bei den Dieselfahrzeugen aufgetreten. Durch die Aufdeckung des Abgasbetrugs sind die Restwerte kräftig gefallen. Wohl dem, der einen guten Leasingvertrag hatte (vgl. hierzu Hoberg (2016), S. 187 ff.).
Das Problem taucht aber auch auf, wenn auf der Preisseite erhöhte Rabatte gegeben werden oder wenn Regierungsprogramme wie im Jahr 2020 immer weiter
erhöhte Prämien einführt. Dadurch sinken die Kaufpreise kräftig, so dass weniger Kapital verzinst und amortisiert werden muss, wodurch günstigere Raten angeboten werden können.
Aber ein solcher
Verfall der Kaufpreise hat auch große Auswirkungen auf die Restwerte, welche aber nur periodisch angepasst werden. Insofern gibt es ein interessantes Zeitfenster mit drastisch gesenkten Preisen, aber noch den alten (hohen) Restwerten. Teilweise arbeiten die verschiedenen Abteilungen in einem Unternehmen sogar gegeneinander, wenn sie nicht die richtigen Zielvorgaben haben. Nach einem Sturz der Kaufpreise kann dann der Vertrieb versuchen, sehr schnell neue reduzierte Raten rechnen zu lassen. Wenn dann noch die bisherigen – nun zu hohen - Restwerte verwendet werden, sind die Raten zu niedrig, so dass der Leasinggeber auf einer
Restwert-Zeitbombe sitzt, die am Ende der Laufzeit zündet. Daher dürfte der Vertrieb nur dann Prämien erhalten, wenn der Leasingvertrag inkl. Vermarktung der Rückläufer gelungen ist. Wenn die Vorgabe jedoch nur im Umsatz einer Periode besteht, kann eine solche Fehlsteuerung teure Konsequenzen auslösen.
6. Schlussbemerkung
Es ist zu hoffen, dass mit den durchgeführten Kalkulationen jeder Controller getrickste Angebote schnell durchschaut. Er muss in Fällen sehr
geringer Raten besonders misstrauisch werden. Dies kann passieren, wenn die offiziellen Rabatte niedrig angesetzt werden, um mit dem nicht offenbarten Zusatzrabatt die Raten der Anfangsphase zu reduzieren. Das dicke Ende kommt.
Wann immer die Raten für
kurze Laufzeiten geringer sind als für längere, sollte ein Anfangsverdacht entstehen. Fast immer wird man Tricks finden. Insb. aber muss der Controller die
Auszahlungen für ein
Investitionsprojekt bis zum Ende der geplanten Nutzungsdauer durchrechnen.
letzte Änderung P.D.P.H.
am 12.04.2023
Autor:
Dr. Peter Hoberg
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Autor:in
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Herr Prof. Dr. Peter Hoberg
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms. Seine Lehrschwerpunkte sind Kosten- und Leistungsrechnung, Investitionsrechnung, Entscheidungstheorie, Produktions- und Kostentheorie und Controlling. Prof. Hoberg schreibt auf Controlling-Portal.de regelmäßig Fachartikel, vor allem zu Kosten- und Leistungsrechnung sowie zu Investitionsrechnung.
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