Neulich im Golfclub: Wertbeständigkeit

Dr. Peter Hoberg
Es war wieder soweit. Nach einer anstrengenden Woche trafen sich die erfolgreichen Unternehmer der Kleinstadt wieder im örtlichen Golfclub, weniger des Sportes wegen, sondern hauptsächlich um unter sich zu sein. Sie saßen im gemütlichen Kaminzimmer und wurden von Ihrer Lieblingskellnerin Pauline bedient. Sie war BWL-Studentin und freute sich schon immer auf die Unternehmerrunde. Neben den großzügigen Trinkgeldern gab es häufig amüsante Streitgespräche, im Laufe derer die Unternehmer ihr Praxisferne vorwarfen, sie aber häufig mit neuen betriebs- wirtschaftlichen Erkenntnissen ganz frisch aus der Vorlesung für Verblüffung sorgen konnte. Dies war für die erfolgsgewohnten Unternehmer nicht ganz unwichtig, denn als Patriarchen der alten Schule gab es in ihren Unternehmen keine ausgeprägte Diskussionskultur. Viele ihrer Mitarbeiter hatten sich damit abgefunden, dass der Chef immer Recht hatte und wagten kaum noch, auf Probleme hinzuweisen. Auch deswegen war der Golfclub nützlich, denn von Kollegen konnte man ja Ratschläge (und natürlich Aufträge) annehmen.

Der Ablauf der munteren Runde startete immer gleich. Nachdem jeder unaufgefordert sein Lieblingsgetränk erhalten hatte, wurde gefragt: Nun, Paulinchen, was hast Du denn diese Woche Besonderes an der Hochschule gelernt? Meist wurde noch ein Studentenwitz angehängt (schön, dass Du uns zuliebe schon um 15 Uhr aufgestanden bist).

Wertverlust beim Autokauf

Es ging wieder hoch her, zumal sich die hohen Herren über Autos unterhielten. Und es war klar, dass ein jeder den schnellsten, schönsten, tollsten Wagen fuhr….

Nachdem sie mit Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung geprahlt hatten, wurde es etwas sachlicher, als es um die Unterhaltskosten ging (die meisten waren ja schließlich kostenbewusste Unternehmer). Es war erstaunlich, mit wie wenig Sprit die Luxuslimousinen angeblich bewegt werden konnten. Die Hersteller wären begeistert gewesen.

Kay Man, der Leiter einer Werbeagentur, hatte bis jetzt mit seinem Porsche der kleinen Baureihe nicht ganz mithalten können. Er trumpfte nun auf, dass sein Fahrzeug den geringsten prozentualen Wertverlust habe. Und das sei ja in schwierigen Zeiten außerordentlich wichtig. Einige der Anwesenden, welche Luxusmodelle mit allen erdenklichen Extras fuhren, wurden etwas stiller, als sie daran dachten, dass ihre Luxus-Fahrzeuge nach wenigen Jahren über 100.000 Euro Wertverlust erleiden würden. Kay Man führte als Beweis die Ranglisten namhafter Auto-Marktforschungsinstitute an, welche seinen Porsche beim relativen Wertverlust weit vorne platziert hatten.

Pauline konnte sich noch daran erinnern, dass diese seltsame Reihenfolge an der Hochschule besprochen worden war. Ihr Prof hatte die Studenten gefragt, warum sie angesichts des geringen Wertverlustes nicht alle Porsche fahren würden. Das erste Gegenargument hatte sie schnell parat und fragte: "Herr Man, wie wird denn der prozentuale Restwert gemessen?"

Kay Man freute sich über die Möglichkeit, sein Argument weiter ausführen zu können: "Ganz einfach: Der Restwert nach 3 Jahren wird von den Marktforschern geschätzt. „Der Restwert wird dann auf den Neupreis bezogen." Aber Pauline war noch nicht zufrieden und fragte: „Auf welchen Neupreis?“

Kay Man war jetzt etwas verwirrt, weil er glaubte, dass der Neupreis eindeutig sei. Pauline aber brachte die Rabatte ins Spiel und fragte in die Runde, ob noch einer der Herren Listenpreise bezahlen würde. Das hätte sie besser nicht gemacht, weil sofort ein allgemeines Wettbieten losging, wer den höchsten Rabatt herausgehandelt hatte. Es wurden immer höhere Rabattsätze in den Raum geworfen. Sieger wurde Gunter Günstig mit 45 Prozent für einen Vorführwagen.

Pauline sprach ihn gleich an: "Herr Günstig, herzlichen Glückwunsch zu diesem Superrabatt. Aber welchen Restwert wird Ihr X haben?" Aus Rücksicht mit dem armen Hersteller, der so hohe Rabatte geben muss, wird der Name hier nicht genannt.

Günstig antwortete: "Der ist natürlich nicht so berühmt." Pauline aber tröstete ihn, indem sie darauf hinwies, dass er die große Einsparung schon am Anfang gehabt habe. Und sie führte weiter aus: "Der Restwertverlust muss in diesem Fall hoch sein, weil sich die prozentualen Restwerttabellen immer auf den Listenpreis ohne jede Berücksichtigung von Rabatten beziehen. Den Großteil des Wertverzehrs muss aber X und sein Händler tragen, weil sie hohe Rabatte gewähren mussten."

Günstig unterstützte: "Ja, ich fange ja schon mit 55 Prozent des Listenpreises an und diese 55 Prozent müssten eigentlich die Basis für den Wertverlust sein. Wenn ich dann nach 3 Jahren nur noch 33 Prozent vom Listenpreis bekomme, dann habe ich zwar 67 Prozent in Bezug auf den irrelevanten Listenpreis verloren, aber nur 22 Prozentpunkte vom Listenpreis beziehungsweise 40 Prozent in Relation zum Preis nach Rabatten."

Mit einem Blick auf Kay Man bemerkte Pauline: "Wenn Porsche hingegen nur 3 Prozent Rabatt anbietet, nach 3 Jahren aber einen Restwert von 55 Prozent aufweist, dann sind das 42 Prozentpunkte Wertverlust. Der naive Vergleich der relativen Restwerte zeigte eine klare Führung von Porsche mit 55 Prozent Restwert gegen 33 Prozent beim Auto der Marke X. Wenn aber der relevante Nettopreis verglichen wird, ist der X besser. Er verliert nur 40 Prozent vom Nettopreis statt 43 Prozent."

Gunter Günstig warf daraufhin ein: "Die ganze Rechnung mit den Prozenten ist doch ein einziger Betrug. Interessant ist am Ende der tatsächliche Wertverlust in Euro."

Pauline bestätigte dies: "Ja, das ist der nächste schwere Fehler. Ich verliere lieber 50 Prozent von 40.000 Euro als 30 Prozent von 100.000 Euro. Sie hatte die Beträge, die sie aufgrund ihres Lebensstandards für relevant hielt, kräftig erhöhen müssen, damit sie in der Runde als realistisch angesehen wurden.

Der Spediteur Theo Träger stimmte ihr zu: "Wenn ich neue LKW kaufe, interessiert mich nur der Nettopreis und der Restwert. Denn daraus rechnet die Autobank die Leasingrate. Und nur die muss ich bezahlen."

Beim Stichwort "Autobank" fiel Pauline der dritte Fehler wieder ein: "Die Einsparung am Anfang durch den Rabatt ist viel wichtiger, weil der Restwert erst in einigen Jahren kommen wird. Insofern müsste der Restwert über die Haltedauer abgezinst werden, damit ein vergleichbarer Wertverlust ermittelt werden kann. Also geht nichts über einen hohen Rabatt vom Kaufpreis, auch wenn insbesondere die deutschen Premiumhersteller lieber über Restwerte reden. Da Rabatte, Restwerte und Zinssätze in die Leasingrate mit eingehen, sollte man sich daher Leasingangebote einholen."

Einige konservative Unternehmer warfen ein, dass sie aber keine Schulden haben wollten, auch keine Leasingschulden. Den Einwand beantwortete Günstig: "Ihr könnt ja trotzdem kaufen, aber mit dem Leasingangebot müssen die Hersteller die Karten auf den Tisch legen und zeigen, welche Rabatte, Restwerte und Zinssätze sie annehmen."


Literaturempfehlungen
- Hoberg, P.: Porsche - Restwertriese oder Rabattzwerg, in: Controllermagazin 6/2012, 37. Jg., S. 29-31.
- Varnholt, N., Lebefromm, U., Hoberg, P.: Controlling – Betriebswirtschaftliche Grundlagen und Anwendung mit SAP® ERP®, München 2012, S. 509 ff.



letzte Änderung P.D.P.H. am 30.08.2024
Autor:  Dr. Peter Hoberg
Bild:  Porsche


Autor:in
Herr Prof. Dr. Peter Hoberg
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms. Seine Lehrschwerpunkte sind Kosten- und Leistungsrechnung, Investitionsrechnung, Entscheidungstheorie, Produktions- und Kostentheorie und Controlling. Prof. Hoberg schreibt auf Controlling-Portal.de regelmäßig Fachartikel, vor allem zu Kosten- und Leistungsrechnung sowie zu Investitionsrechnung.
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