Für
Investitionsentscheidungen in Unternehmen ist die Bestimmung eines
Kalkulationszinssatzes notwendig, weil die Konsequenzen von
Handlungsmöglichkeiten (insb. Zahlungen und Zahlungsänderungen) zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen.
So muss die
Anfangsinvestition häufig über einen längeren Zeitraum finanziert werden. Die durch eine Handlungsmöglichkeit ausgelösten Zahlungen und Zahlungsänderungen, die nach der
Differenzmethode ermittelt werden, können nur dann miteinander verglichen werden, wenn man sie "gleichnamig" gemacht hat. Dazu werden sie auf den gleichen Zeitpunkt (
Vergleichszeitpunkt) bezogen. Dieses zeitliche "vergleichbar machen" kann "Grundgesetz der dynamischen
Investitionsrechnung" bezeichnet werden. Um Zahlungen auf den gemeinsamen Vergleichszeitpunkt beziehen zu können, sind
Auf- und Abzinsungen nötig, die wiederum die Kenntnis des Kalkulationszinssatzes voraussetzen. Der Kalkulationszinssatz wird auch Kalkulationszinsfuß oder Vergleichszinssatz genannt.
Unternehmen finanzieren sich üblicherweise mit einer Mischung aus
Eigen- und
Fremdkapital. Die hohen
Eigenkapitalkosten, die aus der steuerlichen Benachteiligung und vor allen Dingen der Risikoprämie herrühren, lassen sich über die Frage ableiten, welche Alternativen (Opportunitäten) der potentielle Eigenkapitalgeber hat. Wichtig ist ein ähnliches Maß an
Risiko. Es darf also nicht die
Eigenkapitalverzinsung einer Aktie mit der Verzinsung einer fast risikolosen Bundesanleihe verglichen werden; denn die beiden Anlagen weisen sehr unterschiedliche Risiken auf. Der Käufer der Aktie wird eine wesentliche höhere Verzinsung fordern als Ausgleich für das erhöhte Risiko. Denn Eigenkapital dient hauptsächlich als Risikopuffer und leidet als erstes, wenn es dem Unternehmen nicht mehr so gut geht. Im Falle des Konkurses ist ein Totalausfall nicht selten, während die Anleger in Anleihen (
Fremdkapital) vor den Eigenkapitalgebern aus der Konkursmasse bedient werden. Für die Übernahme dieser Risiken verlangen die Eigenkapitalgeber einen
Renditeaufschlag.
Der notwendige Risikoaufschlag kann anhand des Capital Asset Pricing Models (CAPM) gezeigt werden. Dieses teilt den Risikoaufschlag in 2 Teile.
- Der erste Aufschlag wird gegenüber dem fast risikofreien Papier (z. B. einer Bundesanleihe) notwendig, wenn Aktien gekauft werden. Aktien weisen hohe Kursschwankungen auf (Volatilität). Der Investor verlangt für Aktien eine Risikoprämie als Aufschlag auf die fast risikolose Verzinsung iRI. Er möchte zumindest die durchschnittliche Rendite µ aller Aktien (z. B. des Dax) verdienen. Da die Renditen der Aktien aus den Aktienkursen und Dividenden abgeleitet werden, handelt es sich um Renditen nach Unternehmenssteuern.
- Der zweite Aufschlag oder Abschlag erfolgt durch den Betafaktor, der häufig zwischen 0,5 und 2 liegt; er kann allerdings auch negativ sein, wenn sich eine Aktie antizyklisch verhält. Der Betafaktor zeigt, wie eine bestimmte Aktie schwankt (Kovarianz mit dem Aktienmarkt) im Verhältnis zu den Schwankungen des gesamten Aktienmarktes (Varianz). Bei Werten über 1 schwankt der Aktienkurs stärker als der des gesamten Aktienmarktes. Das Risiko wird somit höher eingeschätzt, was zu einer höheren Renditeforderung führt.
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Damit ergibt sich folgende Formel für die Eigenkapitalverzinsung:
i
EKat = i
RI + ( µ - i
Rl ) * Betafaktor
- iEKat Geforderte Eigenkapitalverzinsung (after taxes = nach Unternehmenssteuern)
- iRl Verzinsung einer "risikolosen" Anleihe (häufig Bundesanleihe)
- µ Rendite des Marktportefeuilles, hier aller DAX-Papiere
- (µ - iRI) Notwendige Risikoprämie, damit der Investor bereit ist, nicht zum "sicheren" Zinssatz iRI anzulegen.
- Betafaktor: Schwankung der Einzelaktie, bezogen auf die Schwankung des DAX
Der
Betafaktor wird aus den Daten der Vergangenheit berechnet. Diese Berechnungsmethode stellt einen großen Kritikpunkt dar, weil das Verhalten für die Zukunft untersucht werden soll. Es wird somit implizit unterstellt, dass sich die Vergangenheit auf die Zukunft übertragen lässt. Gerade die diskontinuierliche Entwicklung während der Finanzkrise hat gezeigt, dass diese Annahme kaum haltbar ist.
Der Grundansatz ist aber unbestritten, dass nämlich die Aktienanlage einen höheren
Risikoaufschlag gegenüber weitgehend risikolosen Bundesanleihen erfordert. Auch ohne das
CAPM Modell wird man häufig Eigenkapitalrenditen von 10 % und mehr fordern. Sie lassen sich dann aus den in der Branche üblichen
Renditen ableiten.
Wenn die Eigenkapitalverzinsung vor Steuern gefragt ist, kann sie wie folgt ermittelt werden:
i
EKbt = i
EKat / (1 - s)
i
EKbt: Geforderte Eigenkapitalverzinsung (before taxes = vor Abzug von Unternehmenssteuern)
Neben dem teuren Eigenkapital setzen die Unternehmen auch günstigeres Fremdkapital ein. Die Verzinsung für das Fremdkapital hängt entscheidend von der
Bonität des Unternehmens ab. Die durch
Basel III geforderten Ratings werden durch ihre stärkere
Risikodifferenzierung diesen Einfluss noch verstärken. Günstiges Fremdkapital wird ein Unternehmen nur noch erhalten, wenn es angemessenes Eigenkapital als Risikopuffer vorweisen kann.
Wie die folgende Abbildung zeigt, stellen die
Refinanzierungskosten der Bank die Basis des Zinssatzes dar (hier 2 %). In der Praxis wird dieser Zinssatz gemäß der Laufzeit häufig über den Euribor (Euro interbanking offered rate) ermittelt. Dies ist der Zinssatz, zu dem sich die Banken untereinander Geld leihen. Vor der Finanzkrise ging man davon aus, dass er risikofrei wäre. Das stimmte nicht, wie die Weigerung der Banken zeigte, anderen Banken Geld zu leihen. Aber inzwischen ist diese Annahme durch die Stützungsmaßnahmen und die Garantien der Euro-Staaten weitgehend gegeben.
Auf die weitgehend risikolosen
Finanzierungszinssätzen (im Beispiel 2 %) wird eine Risikoprämie addiert, welche mit dem Kreditnehmer aufgrund seiner Bonität ausgehandelt wird. Im Beispiel wird ein Aufschlag von 3 Prozentpunkten gefordert. Dazu kommt schließlich noch ein kleiner Teil für Verwaltung und Gewinn der Bank. Seine Höhe hängt entscheidend von dem Kreditbetrag ab.
Kreditverträge werden in der Praxis inzwischen nur noch mit umfangreichen
Bedingungen (covenants) gemacht. Der Kreditnehmer muss dabei bestimmte wichtige
Kennzahlen einhalten. So darf das ebit (earnings before interest and taxes) nicht unter einen bestimmten Prozentsatz der Kreditsumme fallen. Auch darf die Eigenkapitalquote nicht unter eine Zielgröße sinken. Werden die Bedingungen nicht eingehalten (covenant breach), werden Strafzahlungen fällig, der Risikoaufschlag steigt und im schlimmsten Fall darf die Bank den Kredit fällig stellen.
Die geforderte Eigenkapitalverzinsung und die Fremdkapitalzinssätze hängen auch von der Höhe der Eigenkapitalquote ab. Das Unternehmen muss somit entscheiden, mit welcher Aufteilung zwischen Eigen- und Fremdkapital es sich finanzieren will. Da Eigenkapital risikobedingt deutlich teurer ist, wird das Unternehmen versuchen, einen Teil durch günstigeres Fremdkapital zu ersetzen, um so den
Leverageeffekt zu nutzen. Allerdings führt dies zu einer geringeren Eigenkapitalquote, so dass die Fremdkapitalgeber mit jeder Reduktion immer höhere
Risikoaufschläge auf das gesamte Fremdkapital fordern. Schließlich werden sich die Fremdkapitalgeber bei minimalem Eigenkapital weigern, noch Fremdkapital zu geben. Es gibt somit einen optimalen Bereich. In der Praxis wird häufig mit branchenüblichen Eigenkapitalquoten gearbeitet.
Gemäß dem notwendigen Eigenkapitalanteil wird der Kalkulationszinssatz KZF als gewogenes arithmetisches Mittel aus Fremdkapitalzinssatz und geforderter Eigenkapitalverzinsung ermittelt. Die Formel für die Variante vor Abzug von ertragsabhängigen Unternehmenssteuern lautet:
KZF = EKA * i
EK + (1 - EKA) * i
FK
- KZF: Kalkulationszinssatz = Kalkulationszinsfuß = Vergleichszinssatz
- EKA: Eigenkapitalanteil
- iEK: Geforderte Eigenkapitalverzinsung
- iFK: Fremdkapitalzinssatz
Beispiel: Mit 50 % Eigenkapital und einer geforderten Eigenkapitalverzinsung von 14 % sowie einem Fremdkapitalzinssatz von 4 % ergibt sich der Kalkulationszinsfuß zu 0,5 * 14 % + (1 - 0,5) * 4 % = 9 %.
Zum Schluss sei noch auf eine
Sondersituation eingegangen: Wenn das Unternehmen mehr gute Handlungsmöglichkeiten/Projekte hat als Finanzierungsmöglichkeiten (Kapitalknappheit), erhöht sich der Kalkulationszinsfuß auf die Verzinsung der gerade nicht mehr durchgeführten Handlungsmöglichkeit (Opportunitätsgedanke). Man nennt sie
Grenzinvestition. Auf sie muss das Unternehmen verzichten, wenn die anderen (besseren) Handlungsmöglichkeiten durchgeführt werden. Da allerdings das gebundene Kapital im Zeitablauf von Handlungsmöglichkeit zu Handlungsmöglichkeit unterschiedlich sein kann, ist die Bestimmung dieser Verzinsung nicht einfach. Zusätzlich ist zu beachten, dass immer andere Investitionen Grenzinvestitionen werden. Theoretisch sauber wäre hier der Einsatz von
Totalmodellen. Sind die Daten – wie fast immer – nicht zu beschaffen, muss man sich mit einer Schätzung auf Basis der Opportunitäten zufrieden geben.
Eine exakte Ermittlung des Kalkulationszinssatzes bis auf das letzte Zehntel ist in der Praxis nicht möglich. Insofern sollten die Unternehmen mit
Sensitivitätsanalysen überprüfen, ob/wie sich Änderungen des Kalkulationszinssatzes auf die optimale Lösung auswirken. Häufig werden sich z. B. die Endwerte in einem
Vollständigen Finanzplan nur wenig ändern, wenn der Kalkulationszinssatz einige Zehntel steigt oder fällt.
letzte Änderung P.D.P.H.
am 13.04.2023
Autor:
Dr. Peter Hoberg
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Autor:in
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Herr Prof. Dr. Peter Hoberg
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms. Seine Lehrschwerpunkte sind Kosten- und Leistungsrechnung, Investitionsrechnung, Entscheidungstheorie, Produktions- und Kostentheorie und Controlling. Prof. Hoberg schreibt auf Controlling-Portal.de regelmäßig Fachartikel, vor allem zu Kosten- und Leistungsrechnung sowie zu Investitionsrechnung.
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