Vor annähernd einem Jahrzehnt, als Controlling in anderen Branchen längst an der Tagesordnung war, schrieb Hansjörg Bach: "Wie in vielen Bereichen der Wohnungswirtschaft werden also auch hier [im Controlling] in den nächsten Jahren neue Wege zu begehen sein. Es wird aber wohl kein Weg an der Einführung und Anwendung des Controlling vorbeigehen …" (Bach, Hansjörg 2000: Controlling für Wohnungsunternehmen. In: Taschenbuch für den Wohnungswirt, o. Jg. (2000), S. 286).
Analoges galt und gilt für
Planung und
Kontrolle, das wichtigste
Teilsystem des Controlling. Warum ist Planung so wichtig? Nur wer plant, kann auch kontrollieren! Darüber hinaus erfüllt Planung weitere Funktionen:
Genauso notwendig ist Kontrolle. Sie dient nicht nur der Überwachung, sondern auch der
Informationsgewinnung und beinhaltet z.B. Sicherheits- und Lernaspekte (in Anlehnung an Baetge, Jörg 1993: Überwachung. In: Vahlens Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, Michael Bitz u.a. (Hg.), Bd. 2, 3. Aufl., München 1993, S. 178 und S. 180 ff.)
Planung und Kontrolle sind zwei Seiten derselben Medaille und daher immer im Zusammenhang zu sehen. Dieser Zusammenhang muss auch datentechnisch hergestellt werden, Planung und Kontrolle sind also systemisch zu integrieren. Wie sollte nun ein integriertes
immobilienwirtschaftliches Planungs- und Kontrollsystem konkret aussehen, und welche Instrumente bieten sich dazu an?
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Kurzfassung oder die Forderung nach dreifacher Integration
Planung und Kontrolle finden nicht im luftleeren Raum statt. Konkrete Planungs- und Kontrollmaßnahmen haben sich immer an der grundlegenden
Unternehmenszielsetzung zu orientieren (
1. Integrationserfordernis). Gleichzeitig benötigt das Planungs- und Kontrollsystem einen
Informationsrahmen, der die Planung mit unternehmensinternen und -externen Rahmendaten versorgt (
2. Integrationserfordernis).
Darüber hinaus ist entscheidend, dass die einzelnen Planungs- und Kontrollschritte systemisch integriert sind. Damit wird sichergestellt, dass datentechnisch von der bautechnischen Bestandsaufnahme der Bogen über das
Portfolio-Management, die integrierte Bilanz-, Wirtschafts- und
Finanzplanung bis hin zur Kontrolle mit den
Soll-Ist-Abweichungen und dem
Risiko-Management gespannt wird (
3. Integrationserfordernis).
Eine Integration beinhaltet auch immer
Rückkopplungsmöglichkeiten. Das Informationssystem kann mittels demografischer Daten zu einem
Überdenken der Maßnahmenziele führen. Die Erkenntnisse der bautechnischen Bestandsanalyse beeinflussen die Maßnahmenziele gleichermaßen. Durch das Portfolio-Management kann es zur Verschiebung von Maßnahmen in zeitlicher wie renditeorientierter Hinsicht kommen. Die Bilanz-, Wirtschafts- und Finanzplanung kann zum Ergebnis führen, dass der geplante Maßnahmenmix nicht oder nur zum Teil finanzierbar ist bzw. wie viel Fremdkapital notwendig wird.
Risiko-Management und Kontrolle liefern schlussendlich Aussagen darüber, ob die Ziele in Art und Umfang erreicht wurden. Die
Rückkopplungsmöglichkeiten der Planungsphase sind überaus wichtig, nur so können Rahmenbedingungen so umfassend wie möglich berücksichtigt werden. Dies ist unabdingbare Voraussetzung für eine belastbare Planung.
1. Schritt: Festlegung der Unternehmenszielsetzung
Da sich ein Planungsprozess aus dem übergeordneten Zielsystem ableitet, sind von Immobilienunternehmen grundsätzlich folgende Fragen zu beantworten:
Analyse der Unternehmenssituation
Obige Fragen sind abhängig von der speziellen Situation, in der sich das Immobilienunternehmen befindet, wie z.B.:
- politische Einflüsse,
- wirtschaftliche und soziale Orientierung,
- Wirtschafts- und Finanzlage,
- Unternehmensgröße.
Gleichzeitig spielen
externe Einflussfaktoren eine wichtige Rolle. Stefan Kofner hat kürzlich die externen Einflussfaktoren öffentlicher Unternehmen aufgezeigt (vgl. Kofner, Stefan 2009: Corporate Governance – Teil 1. In: Die Wohnungswirtschaft, 62. Jg. (2009), Nr. 4, S. 53). Diese Faktoren besitzen in meinen Augen nicht nur für öffentliche Unternehmen ihre Gültigkeit, sondern gleichermaßen auch für Wohnungsgenossenschaften:
- dynamischer Wandel der Wohnungs-, Wirtschafts- und Finanzpolitik,
- wirtschaftliche Entwicklung der Region,
- finanzwirtschaftliche Einflüsse (z.B. Einführung von Ratingsystemen),
- Wirkung langfristiger sozialer und demografischer Faktoren.
Für die immobilienwirtschaftliche Planung ist primär entscheidend, ob an den Unternehmensstandorten auch
zukünftig mit einer Nachfrage nach Wohnraum zu rechnen ist. Wenn nicht, sind Neubaumaßnahmen oder Totalsanierungen nicht sinnvoll. Demografische Faktoren sind für Immobilienunternehmen aber nicht nur unternehmenspolitisch, sondern auch im Hinblick auf das Rating und damit die Unternehmensfinanzierung von Relevanz. So zeigt beispielsweise das Rating-System des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), dass schlechte
demografische Rahmenbedingungen
die
Darlehensgewährung an Wohnungsunternehmen und somit fremdfinanzierte Investitionen gänzlich verhindern können (vgl. Dr. Klein (Hg.) 2006: Vortragsmanuskript Rating: Wie kommt ein Wohnungsunternehmen an bessere Kreditkonditionen, Lübeck–Travemünde 2006, S. 21).
Damit wird offensichtlich, dass die von Kofner angeführten Aspekte miteinander verwoben sind. Die
wirtschaftliche Entwicklung der Region ist eng verknüpft mit den
langfristigen sozialen und demografischen Faktoren. Wirtschaftlich prosperierende Ballungsräume werden auch zukünftig Arbeitsplätze bieten und damit junge Menschen an den Standort binden. Wo wirtschaftlicher Wohlstand herrscht, gibt es weniger soziale Spannungen und einen besseren Altersstrukturmix. An derartigen Standorten gibt es nicht nur mehr junge Familien mit Kindern, sondern auch mehr Zuwanderung (Binnen- und Außenwanderung). Als Folge dieser Entwicklung verbessert sich auch das
standortbezogene Rating.
Informationsbeschaffung
Die
Bevölkerungs- und Wohnungsnachfrageentwicklung am Standort steht somit im
Mittelpunkt der Informationsbeschaffung. Dabei bietet es sich an, Daten unterschiedlicher Prognoseinstitute und deren Modellannahmen zu vergleichen. Diese unterscheiden sich oft stark und gehen bei der Hochrechnung absoluter Bevölkerungs- und Wohnungszahlen oftmals von unterschiedlichen Basiswerten aus, was die Prognosen in Teilen stark verzerrt. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung geht beispielsweise von anderen Bevölkerungsbasiszahlen aus als die statistischen Landesämter.
Zur Lösung dieses Problems werden bei
orga-sense immer drei bis fünf Prognosen verglichen, diese auf einheitlicher Basis neu berechnet und die plausibelste Entwicklung extrahiert. Wichtig ist zudem die Darstellung der Bevölkerungs- wie der Wohnungsnachfrageentwicklung in absoluten Zahlen, nur so lassen sich jährliche
Soll-Ist-Vergleiche anstellen und mögliche Trendänderungen erkennen.
Obwohl derartige Prognosen implizite Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung der jeweiligen Regionen beinhalten, ist es von Vorteil, diese Daten separat zu beobachten und in ihrem
Zeitverlauf zu dokumentieren: Hat man sich nun einen Überblick über die Einflussfaktoren verschafft, können die strategischen Ziele festgelegt werden. Neben Gewinn- und Effizienzzielen beziehen sich strategische Ziele auch auf das Produktions- und Absatzprogramm. Hier werden langfristige Marktanteile, Investitionsprioritäten, Mindestrentabilitäten und die Finanzierung festgelegt.
Bei Wohnungsunternehmen kann beispielsweise der
Marktanteil in Abhängigkeit von der Anzahl der Wohnungen in der Kommune bestimmt werden. Zukünftige Entscheidungen können entweder in Richtung Ausweitung, Verringerung oder Beibehaltung des jeweiligen Marktanteils getroffen werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Berücksichtigung der prognostizierten zukünftigen Wohnungs- bzw. Haushaltsnachfrage.
Beispiel:
Im folgenden Beispiel verfügt ein Wohnungsunternehmen im Jahr 2000 über 1300 Wohnungen und damit über 2,65 Prozent aller 49008 Wohnungen am Standort. Dieser Marktanteil soll auch zukünftig beibehalten werden. Die prognostizierte Wohnungsnachfrage der Folgejahre multipliziert mit 2,65 Prozent liefert dann die angestrebte Bestandszahl des Wohnungsunternehmens. Von 2000 bis zum Jahr 2010 müsste das Unternehmen 91 Wohnungen errichten oder erwerben, um seinen Marktanteil beizubehalten. Ausgehend vom Jahr 2000 erfordert ein Planungshorizont bis 2030 143 zusätzliche Wohnungen. Da aber für die Zeit nach 2030 sinkende Haushaltszahlen prognostiziert werden, sind zur Beibehaltung des Marktanteils im gesamten Zeitraum von 2000 bis 2040 nur 139 und von 2000 bis 2050 insgesamt nur 120 zusätzliche Wohnungen nötig.
Das
Produktionsprogramm von Industrieunternehmen findet seine Entsprechung im strategischen Portfolio von Wohnungsunternehmen. Die "
Produktdifferenzierung" erfolgt hier einerseits durch den bautechnischen Zustand der einzelnen Wohnungen, andererseits durch unterschiedliche
Mietpreise sowie durch unterschiedliche
Mikrostandorte (Lage der Objekte). Dadurch generieren sich nicht nur
unterschiedliche "
Produkte", es werden auch unterschiedliche "Kundenkreise" angesprochen.
Selbstverständlich bevorzugt jedes Unternehmen im Grundsatz voll modernisierte Wohnungen in sehr guter Lage mit sehr hohem Vermietungserfolg. Dies entspricht aber leider nie der Realität. So können nicht alle Wohnungen gleichzeitig modernisiert werden, die finanziellen Mittel sind dafür meist nicht vorhanden. Genauso wie ausschließlich teure, voll sanierte Wohnungen in guter Lage sehr wahrscheinlich der Unternehmenszielsetzung widersprechen.
Fortsetzung:
Integrierte Planung und Kontrolle in der Immobilienwirtschaft – Teil II >>
Download des vollständigen Beitrages:
Integrierte Planung und Kontrolle in der Immobilienwirtschaft – Teil I
letzte Änderung D.P.D.
am 25.01.2022
Autor:
Dr. Peter Dietrich
Bild:
Dr. Peter Dietrich
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Autor:in
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Herr Dr. Peter Dietrich
Dr. Peter Dietrich, Diplom-Kaufmann, wurde am 20. Juli 1967 in München geboren. Seit 1995 in Prüfung und Beratung von Wohnungsunternehmen tätig, versucht der Autor praktische Beratungsarbeit mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu verknüpfen. Darauf aufbauend entwickelte er ein umfassendes wohnungswirtschaftliches Controlling-System.
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