Rating-Kriterien
Hinter den jeweiligen
Rating-Klassen verbergen sich
statistische Daten zur Ausfallwahrscheinlichkeit. In folgender Abbildung sind die von Standard & Poors ermittelten statistischen Ausfallwahrscheinlichkeit und die damit verbundenen Rating-Klassen dargestellt (vgl. Standard & Poors, zitiert nach BIHK 2003, S. 4.).
Abbildung 1: Kumulierte Ausfallwahrscheinlichkeiten 1981- 2000 in %
Betrachtet man die Grafik mit den statistischen Ausfallquoten, so wird deutlich, dass bei Unternehmen
bis zu einer Bonitätsklasse von BB die einjährige Ausfallwahrscheinlichkeit noch unter 1 Prozent liegt. Bei Unternehmen mit schlechteren Bonitätsklassen steigt die Wahrscheinlichkeit des Kreditausfalls exponentiell an. Dies bedeutet, dass die Kreditinstitute aufgrund der relativ hohen Ausfallwahrscheinlichkeit das einzelne Risiko sehr detailliert prüfen werden. Ein Kredit bzw. die Verlängerung eines Kredits wird nur dann zugesagt werden, wenn zum einen das Risiko des Ausfalls im vertretbaren Maße liegt und zum anderen die Kosten durch die eingerechnete Kreditmarge gedeckt werden (vgl. BIHK 2003, S. 4.).
Die entscheidende Frage lautet nun:
Wie ermitteln Banken die jeweiligen Ausfallwahrscheinlichkeiten, und welche Kriterien finden hier Verwendung? Im Gegensatz zu Basel I werden nach Basel II verstärkt weiche Faktoren herangezogen, um die Rating-Gesamtnote zu ermitteln (vgl. Dietrich, Peter 2006, S. 48 ff.).
Abbildung 2: Bestandteile der Ratingnote
Während die
quantitative Beurteilung sich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse konzentriert, versucht die
qualitative Beurteilung die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen zu einzuschätzen. So ist beispielsweise die
Unternehmensführung ein entscheidendes Kriterium. Neben der Branchenerfahrung und der fachlichen Qualifikation von Führungskräften und Mitarbeitern stehen ausgearbeitete Unternehmenszielsetzungen, dokumentierte Planungs-, Steuerungs- und Kontrollmethoden sowie nicht zuletzt eine zukunftsweisende Personal- und Organisationsstruktur im Mittelpunkt der Betrachtung (vgl. Kudraß, Raymond und Schäfer, Gabriele 2003, S. 36 i.V.m. Dietrich, Peter 2006, Anhang 1 bis 3).
Abbildung 3: Rating-Kriterien im Kurzüberblick
Ein wichtiger Bestandteil der
qualitativen Analyse ist das
Planungs-
und Kontrollsystem. Im Mittelpunkt stehen hier die Dokumentation der
Wirtschafts- und Finanzplanung und ihrer zugrunde gelegten Annahmen. Durch
Berechnung verschiedener Szenarien können z. B. die Auswirkungen einzelner Faktoren erfasst und die Bedeutung dieser Faktoren für das Unternehmen analysiert werden. Zudem wird von den Banken eine Analyse der Abweichungen mit zum Teil monatlichem
Soll-Ist-Abgleich vorausgesetzt. Ein straffes
Risikomanagement rundet das Planungs- und Kontrollsystem ab. Wichtig ist es hier, die entscheidenden Einflussgrößen für den Unternehmenserfolg und gleichzeitig die damit verbundenen Risiken zu kennen. Die frühzeitige Aufdeckung von risikobehafteten Entwicklungen ist unter Einbindung der verantwortlichen Mitarbeiter und deren Kenntnissen zu gewährleisten.
Auch wenn Ihr Unternehmen bislang ohne
Organisationsplan einwandfrei funktioniert hat, ist das Ineinandergreifen der einzelnen Schritte oder Abteilungen Externen nur schwer zu erklären. Die Funktionsfähigkeit der Organisation muss deshalb anhand von eindeutigen und strukturierten Abläufen beschrieben werden können. Es gilt darzulegen, welche Wege die Aufgaben nehmen und von wem Sie warum am besten erledigt werden. In Punkto Mitarbeiterführung hat sich – auch in der mittelständischen Praxis – eine offene Informationspolitik bewährt.
Nur wenn die Wege zum Erfolg klar aufgezeigt und durch die Vereinbarung von messbaren Zielen mit jedem Mitarbeiter konkretisiert werden, kann die
Mitarbeitermotivation gefördert werden. Regelmäßige Treffen in Arbeitsgruppen dienen dem Informationsaustausch über aktuelle Belange und wichtige Zielsetzungen des Unternehmens. Das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr schlägt in diesem Zusammenhang die Überprüfung der Mitarbeiterführung anhand folgender Checkliste vor (vgl. Ministerium 2005):
Abbildung 4: Überprüfung der Mitarbeiterführung
Durch die
originären qualitativen Analysen versuchen die Banken unter anderem einen Einblick darüber zu erlangen, ob das Unternehmen seinen Markt und seine Konkurrenten kennt. Voraussetzung dafür ist die
Kenntnis eigener Stärken und Schwächen in den qualitativen Bereichen
Produkt,
Stand der Technik (Gebäudealter und Ausstattung),
Markt-
und Kundenorientierung,
Organisation und
Management sowie der Vergleich mit den Stärken und Schwächen der Mitbewerber.
So wird primär überprüft, ob regelmäßig Markt und Konjunkturdaten erhoben werden und vor allem, ob an
Betriebsvergleichen (
Benchmarking) teilgenommen wird (vgl. BIHK 2003, S.8). Unabhängig davon, ob Wohnungsunternehmen ihre Mieter als Kunden verstehen oder nicht, sollten zusätzlich Überlegungen zur Kunden- bzw. Mieterzufriedenheit angestellt werden. Als Hilfsmittel zur unternehmensinternen Überprüfung der Markt- und Kundenorientierung kann folgende Checkliste zur Anwendung kommen (vgl. Kirchner, Michael 2003, S. 12).
Abbildung 5: Checkliste zur Markt- und Kundenorientierung
Für Rating-Spezialisten hat sich im Gegensatz zur bisherigen Praxis der Charakter der Kreditaufnahme geändert. "Der Unternehmer hat eine zunehmend aktivere Rolle zu übernehmen. Seine Aufgabe ist es, Stärken und Schwächen seiner Firma professionell darzustellen und den Bankberater mit allen wesentlichen Informationen zu versorgen, die es diesem ermöglichen, das Geschäft seines Kunden zu verstehen" (Kudraß, Raymond und Schäfer, Gabriele 2003, S. 38). Daraus ist abzuleiten, dass der
Dokumentation aller angeführten Instrumente höchste Priorität beizumessen ist. Eine mögliche, aus den genannten Aspekten abgeleitete
Stärken-Schwächen-Analyse zeigt folgende Abbildung (vgl. Nimmerrichter, Roland 2005).
Abbildung 6: Ergebnisdarstellung der Stärken-Schwächen-Analyse
Für
Notfälle sollten sowohl für den privaten Bereich als auch für das Unternehmen Vorkehrungen getroffen werden. Da Kredite meist langfristiger Natur sind, wollen Banken Vorkehrungen dafür getroffen wissen, dass das Geschäft eines Unternehmens auch bei Ausfall der Geschäftsführung weiterlaufen kann. Dazu sind Regelungen zu den nachfolgenden Fragen zu treffen und zu dokumentieren (vgl. Ministerium 2005).
Abbildung 7: Notfallregelungen
Darüber hinaus führen
Auffälligkeiten im Zahlungsverhalten wie Überziehungen ohne Absprache, Häufungen von Inkassoverfahren, Mahnbescheide, Wechselproteste, Kontopfändungen, eidesstattliche Versicherungen, außergerichtliche Vergleiche und Insolvenzanträge zu einer Beeinträchtigung der Beziehung zu dem jeweiligen Kreditinstitut. Negative Beurteilungen in diesem Bereich lassen sich nur schwer ausgleichen.
Im Hinblick auf die Kontoführung sind deshalb folgende Punkte zu vermeiden (vgl. Ministerium 2005):
Abbildung 8: Tabus in der Kontoführung
Unter die
besonderen qualitativen Analysen fällt für das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr insbesondere die
Pflege der Beziehung zum Kreditinstitut. Dies liegt darin begründet, dass unabhängig von der bisherigen Entwicklung und den Zukunftsperspektiven des Unternehmens die Bank im Rahmen des Rating auch die Zuverlässigkeit der bisherigen Kundenbeziehung beurteilen wird.
Zudem wird die Bank prüfen, inwieweit das Unternehmen durch
gesellschaftsrechtliche Verflechtungen eine andere Risikostruktur hat als bei isolierter Betrachtung. Ist das Unternehmen Teil eines Konzerns und bestehen sogenannte Haftungsverbünde, wird das Kreditinstitut das Risiko anders einschätzen. Dazu gehören auch Patronatserklärungen oder bestimmte Bürgschaften.
Exkurs: Rating und KfW-Darlehen
Auch vor dem KfW-Darlehen steht ein Rating! Bereits 2005 hat die KfW so genannte "
risikogerechte Zinsen" für gewerbliche Kredite eingeführt. Die Zinsen werden von der jeweiligen Bank oder Sparkasse (Hausbank), die das Risiko eines Kreditausfalls trägt, festgelegt. Auf dieser Grundlage ordnet die Hausbank das zu beurteilende Unternehmen in so genannte
Bonitätsklassen ein (vgl. auch zu Folgendem KfW (Hg.) 2010, S. 1):
Abbildung 9: Rating-Klassen beim KfW-Rating
Neben den üblichen Rating-Kriterien bewertet die Hausbank die
für den Kredit vorgesehenen Sicherheiten, z. B. Grundschulden oder Sicherungsübereignungen. Die Hausbank schätzt hier ein, welcher Anteil des Kredits durch erwartete Erlöse aus den Sicherheiten abgedeckt werden kann (Werthaltigkeit der Besicherung). Im Wesentlichen kommt es auf den
erwarteten Wiederverkaufswert an. Dieser wird u. a. beeinflusst durch die Art der Sicherheit, die Höhe der nutzungsbedingten
Wertminderung, die
Marktgängigkeit und den allgemeinen technischen Fortschritt. Auf dieser Grundlage ordnet die Hausbank die Sicherheiten in sogenannte
Besicherungsklassen ein (vgl. KfW (Hg.) 2010, S. 1):
Abbildung 10: KfW-Besicherungsklassen
Durch
Kombination von Bonitätsklasse und Besicherungsklasse ermittelt die Hausbank die
Preisklasse des Darlehens. Jede Preisklasse steht für einen maximalen Zinssatz. Der individuelle Zinssatz liegt unterhalb oder auf diesem maximalen Zinssatz (vgl. KfW (Hg.) 2010, S. 2):
Abbildung 11: Einstufung von Bonität und Besicherung in KfW-Preisklassen
Beispielsweise ergibt sich bei einer Bonitätsklasse 3 und einer Besicherungsklasse 2 die Preisklasse E. In diesem Fall (Preisklasse E) darf der Zins des Förderkredits einen Zinssatz von 4,49 Prozent p. a. effektiv nicht überschreiten; „er kann sehr wohl darunter liegen“ (KfW (Hg.) 2010, S. 2). Damit weist die KfW ausdrücklich darauf hin, dass sie lediglich
maximale Obergrenzen für den Zins einer Preisklasse vorgibt. Die Hausbanken können für den Förderkredit diesen Zins oder einen niedrigeren verlangen.
Folgende Preisklassen waren zum 1. Juli 2010 für den KfW-Unternehmerkredit – "
KMU-Fenster" mit zehn Jahren Laufzeit und zwei tilgungsfreien Jahren aktuell (KfW (Hg.) 2010, S. 2):
Abbildung 12: KfW-Preisklassen
Welcher Zins im risikogerechten System tatsächlich zum Tragen kommt, ist abhängig von den
am Tag der Kreditzusage der KfW gültigen Konditionen. In folgenden Programmen findet das risikogerechte Zinssystem Anwendung (vgl. KfW (Hg.) 2010, S. 1):
Abbildung 13: Vom Rating betroffene KfW-Programme
Die weiteren Teile der Reihe "Controlling in der Immobilienwirtschaft und Rating nach Basel II und III" können Sie hier lesen:
Literatur
-
Bayerischer Industrie- und Handelskammertag 2003 (BIHK 2003): Merkblatt Mittelstandsfinanzierung –Rating als Chance.
- Dietrich, Peter 2006: Basel II – Die Endfassung, Reaktionsmöglichkeiten der Wohnungswirtschaft, Hamburg 2006.
- KfW (Hg.) 2010: Risikogerechtes Zinssystem.
- Kirchner, Michael 2003: Checklisten zur systematischen Ermittlung und Bewertung von Chancen und Risiken. In: Bilanzbuchhalter und Controller, 27. Jg. (2003), Heft 1, S. 11 ff.
- Kudraß, Raymond und Schäfer, Gabriele 2003: Rating in der Bankenpraxis – Worauf Unternehmen achten sollten. In: Bilanzbuchhalter und Controller, 27. Jg. (2003), Heft 2, S. 35 ff.
- Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr 2005 (Ministerium 2005): Ratingampel.
- Nimmerrichter, Roland 2005: Unternehmensrating Online - Checklisten und Auswertungsdiagramme zur schnellen Bonitätsprüfung, Forum Verlag, Merching 2005.
Download des vollständigen Beitrages:
Rating-Kriterien
letzte Änderung D.P.D.
am 22.02.2022
Autor:
Dr. Peter Dietrich
Bild:
Dr. Peter Dietrich
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Autor:in
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Herr Dr. Peter Dietrich
Dr. Peter Dietrich, Diplom-Kaufmann, wurde am 20. Juli 1967 in München geboren. Seit 1995 in Prüfung und Beratung von Wohnungsunternehmen tätig, versucht der Autor praktische Beratungsarbeit mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu verknüpfen. Darauf aufbauend entwickelte er ein umfassendes wohnungswirtschaftliches Controlling-System.
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