Controlling und Ratingverbesserung
Die Immobilienwirtschaft ist gut beraten, sich intensiv mit dem Rating ihrer Unternehmen zu beschäftigen. Wie entscheidend Rating ist, zeigt die gerade abflauende Finanzkrise. Dass die Weltwirtschaft nahe am Abgrund stand, haben nicht zuletzt die führenden Rating-Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch verursacht (vgl. auch zu Folgendem Schiessl, Michaela 2010, S. 66). Die
ursprüngliche Aufgabe der Rating-Agenturen bestand darin, die Kreditwürdigkeit von Staaten und Firmen festzustellen, damit potenzielle Anleger ihr Risiko einschätzen können.
Da institutionelle Anleger wie Versicherungen der Pensionsfonds per Gesetz nur in bestbenotete Papiere investieren dürfen,
kontrollieren die Agenturen mittlerweile faktisch den Zugang zu den Finanzmärkten. Man könnte glauben, dass eine derart wichtige Aufgabe strenger staatlicher Aufsicht unterläge. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Die drei genannten Agenturen sind
Privatunternehmen mit Sitz in New York und scheinen primär an ihrer eigenen Gewinnmaximierung interessiert zu sein. Gleichzeitig befinden sie sich in der glücklichen Lage,
für ihre Rating-Urteile nicht haften zu müssen. Ihre Rating-Urteile treiben jedoch Firmen in den Bankrott und Staaten an den Rand der Pleite. So kann nachgewiesen werden, dass Standard & Poor’s "aus purer Profitgier mitgeholfen hat, die wahren Risiken vieler Papiere zu verschleiern" (Schiessl, Michaela 2010, S. 66).
Im vom US-Senat herausgegebenen Standard & Poor’s E-Mail-Verkehr sprechen Mitarbeiter intern davon, die Bewertung von
Suprime-Papieren ein wenig zu massieren, um den eigenen Marktanteil zu sichern. Übersetzt bedeutet Subprime übrigens "zweitklassig", da diese Hypotheken an Kreditnehmer mit geringer Bonität ausgeben werden. "93 Prozent der Subprime-Papiere, die 2006 die Bestnote erhielten, sind mittlerweile als Ramsch eingestuft" (Schiessl, Michaela 2010, S. 67).
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Die Beurteilung trifft nicht nur Institutionen oder Firmen, ganze Nationen bangen. So stößt in Brüssel die Abwertung Griechenlands durch die Rating-Agenturen nach unfassbar hohen Absicherungs- und Finanzhilfen durch die EU auf Unverständnis. Da die Finanzmärkte auf derartige Abwertungen sensibel reagieren, muss Griechenland für neu aufgenommenes Geld erheblich höhere Zinsen zahlen. Die Klassifi kation der nationalen Staatsanleihen nach dem System von Standard & Poor’s zeigt nachstehende Abbildung (vgl. Schiessl, Michaela 2010, S. 66):
Abbildung 1: RatingEinstufung der Staatsanleihen von Nationen nach Standard & Poor’s vom 29.04.2010
Für
Immobilienunternehmen ist die Einsicht entscheidend, dass nicht nur Nationen, sondern alle Institutionen (Bundesländer, Städte und Gemeinden) und Unternehmen und damit auch sie selbst geratet werden.
Die jeweilige Rating-Note bestimmt den Darlehenszinssatz. Viele ehemals gemeinnützige und hier vor allem viele kommunale Unternehmen glauben immer noch, dass öffentlichen Kreditnehmern automatisch günstigere Darlehenszinsen eingeräumt werden. Dieser Automatismus ist jedoch Geschichte. Um die
Rating-Systematik verstehen zu können, lohnt ein Blick auf die finanzwirtschaftlichen Regelungen.
I. Rating-Regelungen (Basel I/II/III)
Einige Organisationen und Ausschüsse, die sich mit Fragen der internationalen Währungs- und Finanzstabilität befassen, wie z.B. der Ausschuss für Bankenaufsicht oder der Ausschuss für das weltweite Finanzsystem, sind in der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) angesiedelt (vgl. BIZ 2010a, S. 1 f.). Da die BIZ ihren Sitz im Schweizer Basel hat, werden die hier ausgearbeiteten Finanzmarktregelungen mit "
Basel I/II/III" betitelt.
Nebenbei bemerkt soll die honorige BIZ während des 2. Weltkriegs alle notwendigen Devisengeschäfte für das Deutsche Reich abgewickelt und gleichzeitig als Treffpunkt führender deutscher Wirtschaftsvertreter zu ausländischen Bankiers und amerikanischen Geheimdienstmitarbeitern gedient haben (vgl. Wikipedia 2011).
1. Rating nach Basel I
Nach
Basel I beinhalten die internen Kosten eines Kredites für ein Kreditinstitut die
Kreditbearbeitung, die
Refinanzierung, die
Risikoprämie sowie die erforderlich
Eigenkapitalunterlegung. Die Höhe dieser internen Kosten beeinflusst maßgeblich die Kreditkonditionen.
Noch heute ist gesetzlich festgelegt, dass jedes Kreditinstitut bei der Vergabe eines Kredites einen
Prozentsatz der Kreditsumme – gewichtet nach einem bestimmten Risikofaktor –
mit Eigenkapital unterlegen muss. Nach der damaligen Baseler Eigenkapitalübereinkunft von 1988 (Basel I) und den Grundsätzen des Kreditwesengesetzes wurde der
Prozentsatz auf 8 Prozent festgelegt. Zur Bemessung des Risikofaktors teilte man die Kreditnehmer gemäß Basel I pauschal in drei Gruppen ein, so dass folgende Prozentsätze zur Berechnung der Eigenkapitalunterlegung herangezogen wurden (vgl. Dietrich, Peter 2006, S. 11):
Abbildung 2: Prozentsätze zur Berechnung der Eigenkapitalunterlegung
Bei einer Kreditsumme von 100.000 Euro hatte der Kreditgeber damit an Eigenkapital zu unterlegen (vgl. Dietrich, Peter 2006, S. 11):
Abbildung 3: Eigenkapitalunterlegung
Die
Pflicht, je nach Kreditnehmer
Eigenkapital in unterschiedlicher Höhe vorzuhalten, bestimmte die Finanzierungskosten für die verschiedenen Kreditnehmergruppen. Die Kreditgeber passten ihre Kreditkonditionen an diese Klassen an. Innerhalb der jeweiligen Schuldnergruppe führte dieses Verfahren jedoch zu keiner weiteren Differenzierung. Daher hatte sich insbesondere in der Gruppe der Unternehmen bzw. der übrigen Kreditnehmer ein mehr oder weniger einheitliches Zinsniveau gebildet, das die individuelle Bonität des Kreditnehmers nur unzureichend berücksichtigt.
Die
Hauptkritik an der pauschalen Eigenkapitalunterlegung nach Basel I betraf daher primär die Tatsache, dass die
Bonität eines Schuldners dabei keinerlei Berücksichtigung fand.
Gleichzeitig verantwortete bereits 2004 die öffentliche Hand mehr als ein Drittel aller Forderungsausfälle (vgl. Creditreform 2005, S. 6.). Die Eigenkapitalunterlegungspraxis bei öffentlichen Kreditnehmern stieß daher ebenfalls auf Kritik. Wie bereits angeführt, betrug sie in diesem Fall 0 Euro. Aus Sicht der internationalen Finanzwirtschaft sollte dieser sogenannten Fehlentwicklung mit Basel II Einhalt geboten werden.
2. Rating nach Basel II
Nach Basel II wird die pauschale
Eigenkapitalunterlegung in Höhe von 8 Prozent der Kreditsumme
nach Risikoklassen differenziert. Der
risikoorientierte Gewichtungssatz liegt dabei zwischen 20 und 150 Prozent. Dies bedeutet, dass die Eigenkapitalunterlegung – abhängig von der unternehmensspezifischen Bonität – nun zwischen 1,6 und 12 Prozent der Kreditsumme variieren kann.
2.1 Rating-Klassen
Rating bedeutet also die Einstufung von Unternehmen in bestimmte Bonitätsklassen. Diese Bonitätsklassen stellen bestimmte Ausfallwahrscheinlichkeiten dar. Die Ergebnisse der Einstufung werden in Form von Rating-Symbolen dargestellt.
Alle Rating-Agenturen verwenden hierzu eigene Symbole. Die von Rating-Agenturen verwendeten Einstufungen und Klassen sind jedoch bis auf Details nahezu gleich und gelten heute als internationaler Standard. In der Literatur wird meist auf die Rating-Klassen der internationalen Ratingagentur Standard & Poor‘s Bezug genommen. Die Unternehmen lassen sich dabei in die zwei großen Gruppen aufteilen:
- Kapitalanlagen (Investment Grade) und
- Spekulative Anlagen (Speculative Grade).
In die Gruppe "
Kapitalanlage" fallen alle Betriebe der
Klassen AAA bis BBB-. In die Gruppe „Spekulative Anlage“ fallen alle Unternehmen der Klassen BB+ bis D, die mit deutlich mehr Risiko behaftet sind (vgl. BIHK 2003, S. 2.).
Abbildung 4: Rating-Symbole nach Standard & Poor’s
2.2 Rating und Kreditkonditionen
Basel II schreibt
für die einzelnen Rating-Klassen genaue Kreditkonditionen vor. Liegt für ein kreditsuchendes Unternehmen kein externes Rating vor, geht für eine bestimmte Übergangszeit als Bonitätsgewicht die bisherige Höhe von 100 Prozent in die Berechnung ein, was wie bisher zu einer Unterlegung mit 8 Prozent führt (vgl. Claussen, Helge und Reitzammer, Stefan 2005, Abschnitt 1/6.2, Seite 7).
Abbildung 5: Risikogewichtung nach dem Standardansatz
Die
Höhe der Eigenkapitalunterlegung wird also gravierend durch die
Zuweisung einer Risikogewichtung beeinflusst, die sich wiederum an der geschätzten
Ausfallwahrscheinlichkeit orientiert. Die Ratingnote und die damit in Verbindung stehende Höhe der
bankinternen Eigenkapitalunterlegung beeinflussen wiederum den
Darlehenszins.
Abbildung 6: Kreditzinsen in Abhängigkeit von der Ratingnote
Die weiteren Teile der Reihe "Controlling in der Immobilienwirtschaft und Rating nach Basel II und III" können Sie hier lesen:
Literatur
- Bayerischer Industrie- und Handelskammertag 2003 (BIHK 2003): Merkblatt Mittelstandsfinanzierung – Rating als Chance.
- Bank für Internationalen Zahlungsausgleich 2010a (BIZ 2010a): Die BIZ im Profil.
- Claussen, Helge und Reitzammer, Stefan 2005: Das Neue Unternehmensrating nach Basel II, Merching 2005. Creditreform 2005: Bonitätsatlas Deutschland der Creditreform Rating AG in Zusammenarbeit mit ExperConsult GmbH & Co. KG.
- Dietrich, Peter 2006: Basel II – Die Endfassung, Reaktionsmöglichkeiten der Wohnungswirtschaft, Hamburg 2006.
- Schiessl, Michaela 2010: Wer kontrolliert die Kontrolleure? In: Der Spiegel, 64. Jg. (2010), Heft 18, S. 66 f.
Download des vollständigen Beitrages:
Controlling und Ratingverbesserung
letzte Änderung D.P.D.
am 22.02.2022
Autor:
Dr. Peter Dietrich
Bild:
Dr. Peter Dietrich
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Autor:in
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Herr Dr. Peter Dietrich
Dr. Peter Dietrich, Diplom-Kaufmann, wurde am 20. Juli 1967 in München geboren. Seit 1995 in Prüfung und Beratung von Wohnungsunternehmen tätig, versucht der Autor praktische Beratungsarbeit mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu verknüpfen. Darauf aufbauend entwickelte er ein umfassendes wohnungswirtschaftliches Controlling-System.
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