Unter einem
Wagnis oder
Risiko versteht man die Gefahr, dass durch das Eintreten bestimmter Ereignisse die Unternehmensziele nicht realisiert bzw. die Handlungsoptionen nicht erfolgreich umgesetzt werden können. Die
betriebswirtschaftliche Konsequenz ist eine daraus folgende Minderung des Vermögens, der
Erfolge oder der Finanzen.
Während sich die
strategischen Risiken auf die Gefahren in der
Nichtrealisierung langfristiger
Ertragspotentiale beziehen, sind für die
Kostenartenrechnung die
operativen Gefahren insbesondere aus dem Absatz-, Beschaffungs-, Produktions- und Finanzbereich relevant.
Was sind kalkulatorische Wagnisse?
Die
kalkulatorischen Wagnisse - besser Wagniskosten - erfassen die außerordentlichen
Kosten, deren Auftreten sowohl hinsichtlich Zeit und Höhe unregelmäßig, plötzlich, unerwartet und damit zufällig erfolgt soweit sie nicht versichert oder abgetreten sind und transformieren sie in durchschnittliche Kostenbeträge. Sie normalisieren und verteilen die Risiken, aus dem Wertschöpfungsprozess auf die Perioden und die
Kostenträger und sichern so die Planungs- und Kontrollzwecke der
Kostenrechnung.
Eine Systematik der
operativen Wagnisse zeigt die folgende Abbildung 1:
Abb. 1: Die Systematik der Wagnisse in der Kostenartenrechnung
Anzeige
Mit dem RS-Plan erstellen Sie ganz einfach Ihre gesamte Unternehmensplanung, inkl. automatischer Plan-Bilanz und Kapitalflussrechnung. Die Planung kann für insgesamt 5 Jahre erfolgen. Neben detailierter Plan-G+V, Bilanz und Kapitalflussrechnung stehen fertige Berichte mit Kennzahlen und Grafiken zur Analyse des Unternehmens zur Verfügung.
mehr >>
Diese Wagnisse lassen sich in
Unternehmens- und
Einzelwagnisse unterscheiden:
- Das Unternehmensrisiko oder -wagnis betrifft das Unternehmen in seiner Gesamtheit, ist kaum vorhersehbar oder quantifizierbar. Seine Ursachen liegen außerhalb des Unternehmens, z.B. in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, dem allgemeinen technischen Fortschritt, der Veränderung politischer Grenzen und daraus resultierenden Standortnachteilen etc. Von zunehmender Bedeutung sind ökologische Unternehmensrisiken. Von besonderer Relevanz sind hier vor allem die subjektiv wahrgenommenen ökologischen Bedrohungen im Bewusstsein der Konsumenten oder anderer Stakeholder, die dann zu einer Umstellung des Käuferverhaltens, Boykottaufrufen oder Gesetzesänderungen führen.
Diese Risiken haben keinen Kostencharakter, sie müssen aus dem Gewinn des Unternehmens gedeckt werden.
- Einzelrisiken- oder -wagnisse, bilden die Verlustgefahren der einzelnen Funktionsbereiche im Wertschöpfungsprozess ab und lassen sich auf der Grundlage von Vergangenheits- und Erwartungswerten quantifizieren. Zu unterscheiden sind
- versicherte Einzelwagnisse oder -risiken: das Risiko wird an eine Versicherungsgesellschaft übertragen, so dass das Unternehmen gegen das Risiko versichert ist und im Schadensfall einen finanziellen Ausgleich erhält. Die dafür entstehenden Versicherungsprämien gehen als Grundkosten in die Kostenartenrechnung ein, z.B. die Kfz-Versicherung.
- abgetretene Einzelwagnisse: das Risiko wird an ein anderes Unternehmen abgetreten, z.B. das Forderungsausfallrisiko an ein Factoring-Unternehmen. In diesem Fall geht die Factoring-Gebühr als Grundkosten in die Kostenartenrechnung ein.
- betriebliche Wagnisse sind die nicht-versicherten Risiken und auch nicht abgetretenen Risiken und müssen daher durch die kalkulatorischen Wagniskosten im Rahmen der Kostenartenrechnung abgedeckt werden. Die Wagniskostensätze übernehmen die Funktion von Versicherungsprämien und haben daher Kostencharakter.
Die
Kostensätze für die betrieblichen Wagnisse werden i.d.R. als
Durchschnittswerte aus einer Basisgröße und den durchschnittlichen Ist-Wagniskosten über mehrere Perioden berechnet:
qWa = Wagniskostensatz
⌀ K1Wa = durchschnittliche Ist-Kosten des Einzelrisikos
⌀ B = Durchschnittswert der Bezugsgröße;
Je nach
Risiko und
Marktdynamik, erscheint vielen Unternehmen eine Betrachtungsdauer von 3 Jahren als angemessen. Die Tabelle gibt eine Übersicht über typische betrieblichen Wagnisse:
Betriebliche Wagnisse
|
Inhalt
|
Basisgröße
|
Anlagenwagnis
|
Betriebsstörungen, Stilllegungen, unsachgemäße Behandlung, Streik, Unfälle, Brand, technische und wirtschaftliche Veraltung etc.
|
WBW des betriebsnotwendigen Anlagevermögens
|
Beständewagnis
|
Diebstahl, Schwund, Verderb an fertigen, unfertigen Ez, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Wertverluste durch Veralterung etc.
|
Bestandswert für RHB unfertige und fertige Erzeugnisse
|
Entwicklungswagnis
|
Kosten für fehlgeschlagene Forschungs-, Entwicklungs- und Versuchsarbeiten;
|
F + E - Kosten
|
Fertigungswagnis
|
Anschluss, Mehrlohn für Nacharbeit aus Qualitätsmängeln, Umtausch, Altersstruktur der Anlagen etc.
|
Herstellkosten
|
Gewährleistungswagnis
|
Einsatzlieferungen, Haftung, Gutschriften, Garantie-leistungen;
|
Umsatz
|
Vertriebswagnis
|
Forderungsausfälle, Wechselkursschwankungen bei Fremdwährungsforderungen usw.
|
Umsatz, Forderungsbestand
|
Abb. 2: Betriebliche Wagnisse und ihre Basisgrößen
Das folgende Beispiel zeigt die
Berechnung von Vertriebswagnissen aus Forderungsausfällen bei der Umsetzung einer
Internationalisierungsstrategie:
Dabei ist folgende
Vorgehensweise empfehlenswert. Zunächst sollte die Vergleichbarkeit der Bezugsgröße über die einzelnen Perioden hergestellt werden, hier z.B. über gleiche Produktumsätze mit vergleichbaren Zielgruppen und Marktstrategien. Danach können Differenzierungen vorgenommen werden, mit der sich die Genauigkeit der Rechnung erhöhen lässt, hier z.B. über die Differenzierung von Inlands- und Auslandsmärkten. Die Berechnung erfolgt dann nach o.g. Formel:
Vergangenheitswerte
Perioden
|
Umsatz
€
|
tatsächliche
Forderungsausfälle €
|
Wagniskostensatz
in %
|
20x1
|
200.000
|
5.200
|
2.0
|
20x2
|
350.000
|
5.800
|
1,7
|
20x3
|
380.000
|
4.300
|
1.2
|
National (Ist)
|
970.000
|
15.300
|
1,6
|
Markterweiterung (Ist)
|
Umsatz €
|
tatsächliche
Forderungsausfälle €
|
Wagniskostensatz
in %
|
20x4 national
|
380.000
|
6.200
|
1.6
|
20x4 international
|
50.000
|
3.500
|
7.0
|
20x5 national
|
400.000
|
6.500
|
1.6
|
20x5 international
|
150.000
|
14.000
|
9,3
|
gesamt
|
980.000
|
30.200
|
3.1
|
National
|
780.000
|
12.700
|
1.6
|
international
|
200.000
|
17.500
|
8.8
|
Plan-Werte 20x6
|
Umsatz €
|
Wagniskosten-Prognose
|
|
€
|
€
|
in %
|
20x6 national
|
850.000
|
13.600
|
1.6
|
20x6 international
|
350.000
|
30.800
|
8.8
|
gesamt
|
1.200.000
|
44.400
|
3.7
|
Abb. 3: Vertriebswagniskosten durch Forderungsausfälle
Der Wagniskostensatz für die
nationalen Umsätze errechnet sich für
qWa
|
=
|
970.000 €
|
×
|
100
|
=
|
1,6 %
|
15.300 €
|
Für den
nationalen Umsatz in 20x6 gilt:
K
Wa=850.000 € ×1,6 %=13.600 €
Analog wird für die internationalen Umsätze und damit verbundenen
Vertriebsrisiken gerechnet.
Die Tabelle zeigt, dass die nationalen Umsätze konstant durch 1,6 % Forderungsausfälle belastet sind, während die internationalen Umsätze deutlich höhere Risiken ausweisen. Die unterschiedlichen
Ausfallrisiken bei den Forderungen lassen sich nun zum einen für die Risikoplanung übernehmen zum anderen zeigen sie den Handlungsbedarf für das
Vertriebsmanagement zur Reduzierung der Forderungsausfälle auf.
Kalkulatorische Wagniskosten sind in der laufenden Periode
nicht zahlungswirksam, können jedoch zukünftig zu Auszahlungen führen, z.B. bei einem Anlagenausfall. Sie sind entweder Zusatzkosten, die keine Entsprechung in der Gewinn- und Verlustrechnung haben, z.B. Forschungsrisiken oder Anderskosten, wenn sie sich in Höhe oder zeitlichem Anfall von der handelsrechtlichen
Rückstellungsbildung unterscheiden, z.B. Gewährleistungsrisiken.
Der Zweck kalkulatorischer Wagniskosten liegt in der vollständigen und realistischen
Erfassung des Wertverzehrs in der Kostenkalkulation für eine Kostenträgereinheit. Wird auf den Ansatz kalkulatorischer Wagniskosten in der Kostenkalkulation verzichtet, wird die Preisuntergrenze für den Absatzpreis zu niedrig kalkuliert. Die betriebswirtschaftliche Folge ist ein
Substanzverlust für das Unternehmen. Wird der Kostenansatz zu hoch angesetzt, führt dies zu einem höheren Preis, der ggf. auf dem Absatzmarkt nicht mehr durchsetzbar ist und zu einem Rückgang der Absatzmenge führt.
letzte Änderung J.R.
am 31.03.2023
Autor:
Prof. Dr. Jürgen Reim
Bild:
panthermedia.net / Xalanx
|
Autor:in
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit unserem Newsletter
Tragen Sie sich für den
kostenfreien und unverbindlichen
Newsletter von Controlling-Portal.de ein und erhalten Sie jeden Monat aktuelle Neuigkeiten für Controller. Wir informieren Sie über neue Fachartikel, über wichtige News, aktuelle Stellenangebote, interessante Tagungen und Seminare. Wir empfehlen Ihnen spannende Bücher und geben Ihnen nützliche Excel-Tipps. Verpassen Sie nie mehr wichtige Diskussionen im Forum und stöbern Sie in Software-Angeboten, die Ihnen den Arbeitsalltag erleichtern.
Beispiel-Newsletter >>
Jetzt Newsletter gratis erhalten
Eigenen Fachbeitrag veröffentlichen?
Sie sind Autor einer Fachpublikation oder Entwickler einer Excel-Vorlage? Gern können Sie sich an der Gestaltung der Inhalte unserer Fachportale beteiligen! Wir bieten die Möglichkeit Ihre Fachpublikation (Fachbeitrag, eBook, Diplomarbeit, Checkliste, Studie, Berichtsvorlage ...) bzw. Excel-Vorlage auf unseren Fachportalen zu veröffentlichen bzw. ggf. auch zu vermarkten.
Mehr Infos >>