Working Capital umfasst das durch die
operative Geschäftstätigkeit gebundene
Umlaufvermögen. Es besteht aus den
Forderungen aus Lieferungen und
Leistungen und Vorräten einerseits sowie den Lieferantenverbindlichkeiten andererseits Das
Working Capital wird oft als nicht zinsbringendes oder "totes" Kapital betrachtet, welches die
Liquidität als auch die Kapitalrendite und die Wachstumschancen eines Unternehmens reduziert. Daher sollte das Working Capital so gering wie möglich gehalten sein. Ein effizientes
Working Capital Management (WCM) wird oft als billigste Form der Finanzierung tituliert. Dies gilt besonders in volatilen Zeiten mit restriktiver(er) Kreditvergabe.
Working Capital Management wird jedoch nicht selten fälschlicherweise auf zwei vergleichsweise einfache Sichtweisen reduziert: Dies gilt zunächst mit Blick auf aktuellen
Finanzierungsbedarf getreu dem Motto "Need money - look into your own company". Dies verkennt, dass WCM nur dann erfolgreich sein kann, wenn dieses langfristig und nachhaltig angelegt ist und nicht erst aufgenommen wird, wenn Liquiditätsbedarf drängt!
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Darüber hinaus wird WCM gerne auf aktives Eintreiben der Kundenforderungen und spätmöglichstes Zahlen der eigenen Lieferantenrechnungen reduziert - auch dies ein Trugschluss: WCM kann nur dann erfolgreich sein, wenn die unternehmenseigenen Prozesse auf größtmögliche
Cash-Effizienz ausgelegt und unermüdlich optimiert werden! Unternehmen mit erfolgreichem WCM haben dies bereits in ihrer Strategie verankert und ihre Prozesslandschaft dementsprechend ausgerichtet.
Keine finale Definition für Working Capital
Working Capital ist ein
Praxis-Thema und unterliegt keinen Regulierungen. Daher existiert für Working Capital keine finale Definition; vielmehr gibt es vielseitige Auslegungen, welche Positionen in das Working Capital einzubeziehen sind. Zusätzlich kann es in der Unternehmenspraxis erforderlich sein,
individuelle Definitionen anzuwenden, um so die Auswirkungen des eigenen Geschäftsmodells abbilden zu können. Dies erschwert oft den Vergleich der Working Capital Performance verschiedener Unternehmen.
Leitfaden zum Working Capital Management
Der Fachkreis "Working Capital Management" des
internationalen Controllervereins (ICV) hat diese Problematik aufgenommen und kürzlich einen praxisnahen
Leitfaden zum WCM veröffentlicht. In diesem wird Working Capital erstmals unternehmensübergreifend, wie folgt, definiert:
- "Das durch die operative Geschäftstätigkeit gebundene Umlaufvermögen,
- dessen Positionen nicht zinstragend sind und
- daher durch verzinsliches Kapital zu finanzieren ist."
Damit reduziert sich das Working Capital auf die
operativen und
zinsfreien Komponenten der kurzfristigen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten. Für eine unternehmensspezifische Erweiterung kann als Orientierung gelten, dass die zusätzlich mit einzubeziehenden Positionen
- "materiell und operativ bedingt,
- vom Management steuerbar,
- nicht zinstragend,
- kurzfristig (bis zu 12 Monate) und
- liquiditätsfreisetzend“ sein sollten.
Prozesse im Working Capital Management
Die Festlegung auf "operative und zinsfreie Komponenten der kurzfristigen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten" führt automatisch in die, den
drei Positionen zugrundeliegenden operativen Prozesse:
- Vorratsmanagement (Forecast-to-Fulfill; Kennzahl DIO)
- Forderungsmanagement (Order-to-Cash; Kennzahl DSO)
- Verbindlichkeitenmanagement (Purchase-to-Pay; Kennzahl DPO)
Neueste Erkenntnisse aus dem Fachkreis Working Capital Management des Internationalen Controllervereins zeigen, dass ein dauerhaft erfolgreiches Working Capital Management nur dann erreicht werden kann, wenn die cash-relevanten
Geschäftsprozesse optimiert und um einen
durchgängigen Controllingprozess ergänzt werden: Zielfindung,
Planung,
Reporting und Steuerung des Working Capital.
Die das Working Capital betreffenden Prozesse können die wesentlichen Funktionsbereiche eines Unternehmens konfliktträchtig berühren; Unternehmen sollten daher nicht allein kurzfristig Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie Lieferantenverbindlichkeiten im Fokus haben, sondern sich vor allem auf das
Prozessmanagement und die
Lösung resultierender Konfliktfelder konzentrieren. Die nun vorgestellte Richtlinie adressiert diese begleitenden Zielkonflikte in bisher noch nicht vorliegender Tiefe.
Denn entscheidend für die
Optimierung des
WC ist letztlich die bestmögliche Lösung der unternehmensinternen Zielkonflikte. Mit Blick auf das WC stehen die einzelnen Funktionsbereiche eines Unternehmens häufig im Widerstand - ja sogar diametral - zu einander. Der Einkauf hat Rabatte, aber eher keine Ausdehnung der Zahlungsziele im Blick. Der Vertrieb möchte möglichst schnell und viel verkaufen - aufwendige Kreditwürdigkeitsprüfungen, credit limits, das Einfordern überfälliger Forderungen und kurze Zahlungsziele sind da eher hinderlich.
Hohe Lagerbestände und
konstante Verfügbarkeit wirken ebenfalls eher verkaufsfördernd. Innerbetrieblicher Transport und Logistik begrüßen hohe Lagerbestände und Puffer. Die Produktion ist dagegen an hohen Losgrössen und ausreichend verfügbaren Zwischenprodukten interessiert. Stets verfügbare Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sind unter Produktionsgesichtspunkten ebenfalls hilfreich - auch wenn dies das Unternehmen mitunter hohen (Finanzierungs-) Risiken aussetzt.
Die Facharbeit des
ICV zeigt, dass gerade hier der Controller gefordert ist! Denn es wird schnell klar – der dem WCM inhärente
Funktionenkonflikt braucht einen Fürsprecher und Moderator: hier kann das Controlling einen entscheidenden Wertbeitrag leisten! Indem Transparenz geschaffen, einheitliche Ziele definiert, geplant und nachverfolgt werden und die Interessen einzelner Funktions- und Geschäftseinheiten auf ein einheitliches Gesamtziel ausgerichtet werden, kann das WC optimiert werden. Der Controller übernimmt die Funktion des internen Schiedsrichters und sorgt für ausbalancierte Interessen!
Die Erkenntnisse aus der Facharbeit des ICV zeigen, ein erfolgreiches WCM erfordert die
aktive Steuerung durch Controller!
Quelle:
ICV, Working Capital Management – Leitfaden für die nachhaltige Optimierung von Vorräten, Forderungen und Verbindlichkeiten, Haufe Verlag, Freiburg/München, 2013.
letzte Änderung H.V.
am 27.07.2023
Autor:
Dr. Hendrik Vater
Bild:
Bildagentur PantherMedia / Scandinavian Stock
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