In der jüngerer Vergangenheit wurden unter
Schlagworten, wie "flexible
Budgetierung" oder "Rolling
Forecast" neue Anforderungen an die
Planung diskutiert. Es erscheint eine lohnende Aufgabe, zu hinterfragen, woher neue Anforderungen an die Planung kommen, ob Tatsächlich grundsätzlich neue
Instrumente notwendig sind, diese Anforderungen zu erfüllen oder ob es nur um die konsequente Umsetzung der
Controlling-Philosophie geht. Eine Begriffsklärung soll helfen, terminologische Divergenzen zu vermeiden.
1. Begriffsdefinitionen
Stichwort Planung:
"Planung ist die gedankliche Vorwegnahme möglicher zukünftiger Zustände, die Auswahl der anzustrebenden Zustände (Ziele) und die Festlegung der dazu umzusetzenden Maßnahmen. Damit soll das Unternehmen laufend an interne und externe Veränderungen angepaßt werden, wobei Entscheidungen unter Berücksichtigung zukünftiger Wirkungen zu treffen sind [1]."
Stichwort Budgetierung:
"Im weiteren Sinne wird das Wort Budget verwendet, um den rechnerischen Teil der Planung zu kennzeichnen (die Planungsrechnung) - z.B. Absatzmengen, Umsatz, Kosten, Kopfzahlen, Leistungen. Die Budgetierung im engeren Sinne meint den Prozess der jährlichen Planung des wertmäßigen Erfolgs [2]."
Stichwort Erwartungsrechnung (Forecast Jahresende):
"Die Erwartungsrechnung ist die logische Fortsetzung des
Soll-Ist-Vergleichs. Darin werden die Erwartungen der Führungskräfte für die verbleibende Planperiode abgefragt, quantifiziert und qualifiziert, um zu erkennen, ob es bis zum Jahresende (oder bis zum Planende) gelingen wird, die festgelegten Ziele zu erreichen [3]."
Unter Rollierender Planung oder Rolling Forecast kann man die in zeitlichen Intervallen erfolgende Überarbeitung und Ergänzung von Plänen verstehen. In der weiteren Folge wird mit dem Begriff "Planung" gearbeitet und damit automatisch die budgetäre Abbildung impliziert. Für den Forecast ist jeweils zu beachten, auf welchen Planungszeitraum er sich bezieht.
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2. Neue Anforderungen an die Planung
In den letzten Jahren wurden an das
Controlling und damit auch an die Planung, als wesentlicher Teilaufgabe des Controlling, eine Reihe neuer Anforderungen gestellt. Als wichtige
Anforderungen sind zu nennen:
- Die Notwendigkeit zu rascher Reaktion auf die steigende Umfeld- und Marktdynamik in nahezu allen Branchen (Stichwörter Globalisierung, New Economy, Liberalisierung)
- Die Unternehmenssteuerung auf Basis von Erfolgsfaktoren und damit auch nichtmonetären Größen (Stichwort Balanced Scorecard), sowie
- Konvergenzentwicklungen zwischen internem und externem Rechnungswesen (Stichwort Kapitalmarkt)
All diese Anforderungen beeinflussen eine
controllinggerechte Planung in der Praxis. Unter dem Gesichtspunkt der Rollierung, sind die sich schneller ändernden Rahmenbedingungen und Marktgegebenheiten die stärksten Treiber, denn an der herkömmlichen jahresbezogenen Planung wird v.a. die Statik und die Nichtberücksichtigung aktueller Einflüsse kritisiert. Voraussetzung für die Rollierung ist jedoch eine sinnvolle Ausgangsbasis, d.h. eine controllinggerechte Planung.
3. Controllinggerechte Planungspraxis
3.1 Planungsphilosophie
Eine Planung ist
keine
- Prognose im Sinne einer Vorhersage
- Hochrechnung im Sinne einer Extrapolation des aktuellen Jahren, weder mit +, noch mit – x%
- Fortschreibung der aktuellen Situation
- Pflichtübung
- Alleinige Aufgabe der Unternehmensleitung oder zentraler Stellen, wie etwa des Controlling
- Wunschliste an das Folgejahr
Die Planung ist die
Willensbekundung des Managements und der anderen
operativ verantwortlichen Stellen im Unternehmen. Die Planung ist ein Zielfindungs-, - abstimmungs- und –vereinbarungsprozess, an dem im Gegenstromverfahren (t
opdown➪bottom-up➪top-down➪bottom-up) zentrale und dezentrale Einheiten beteiligt sind. Als
Output der Planung resultiert ein verbindlicher betriebswirtschaftlicher "roter Faden" für alle Ebenen des Unternehmens.
Die Planung ist dann kritisch zu sehen, wenn sie auf Jahresbasis erfolgt und der Monatsplan einfach gezwölftelt wird. Es gibt kaum Branchen, die keinerlei Saisonalität aufweisen. Diese
Linearisierung ist eine grobe Vereinfachung, die aus Sicht der Unternehmenssteuerung die Latte in den jeweiligen Monaten systematisch zu hoch oder zu niedrig legt. Ein
pragmatischer Weg, eine saisonalisierte Planung aufzustellen, ist die Planung auf Jahresbasis und die Saisonalisierung anhand der vergangenen Perioden. Dies ist natürlich nur dann sinnvoll, wenn die Saisonalität selbst sich nicht verschiebt. Andernfalls führt kein Weg an einer quartals- oder monatsweisen Planung vorbei.
Ein wesentlicher Faktor in der Planung ist das Vereinbaren zwar anspruchsvoller, aber dennoch
realistischer Ziele:
"Stecken Sie eine 1,75m große Person in (ein Becken mit) 1,90m Wasser und die Chancen stehen gut, dass sie schwimmen lernen wird. Sie wird zwar ein bisschen schlucken und spucken, aber sie kann immer vom Boden abspringen und Luft holen. Stecken Sie dieselbe Person in 2,20m tiefes Wasser, kann es sein, dass sie einen Toten vor Ihren Füssen haben [4]."
Ein solcher Zugang zur Planung gewährleistet zweierlei: es wird ein
positiver Druck in Richtung der gewünschten Unternehmensergebnisse erzeugt und die Planung berücksichtigt motivatorische Anspekte.
3.2 Planungsprozess
-
Iteratives Gegenstromverfahren
In der Praxis setzt sich die
dezentrale Planung im Gegenstromverfahren (Top-down; Bottom-up) durch. Gleichzeitig muss festgestellt werden, dass eine Planungsschleife nicht ausreicht, denn nach der Bottom-up-Konsolidierung wäre es reiner Zufall, wenn die Top-down-Vorgaben erfüllt werden.
Im Regelfall wird die
Umsatz- und Leitungsseite zu defensiv, die Kostenseite, z.B. die Personalkosten, zu progressiv geplant (s. Abb. 1). Die Kunst in der Planung liegt in der Aufarbeitung des resultierenden Deltas, der "Knetungsphase".
Abb. 1: Planung im Gegenstromverfahren
Viele Unternehmen messen der gemeinschaftlichen
Aufarbeitung des Planungsdeltas zwischen den Führungskräften und dem Controlling keine ausreichende Bedeutung bei oder können aus Zeitgründen keine 2. Planungsschleife durchführen. Zentrale Regulierungen sind das Resultat, wodurch die positiven Effekte der dezentralen Planung konterkariert werden.
Nur durch ein abermaliges Top-down-Bottom-up Procedere können die
Erstbudgets sinnvoll und unter Wahrung der Verbindlichkeit für die Planungs- und Umsetzungsverantwortlichen realisiert werden. Allerdings wird es dadurch häufig notwendig sein, die Vorgaben zu überdenken. In einem Konsens bewegen sich beide Seiten (s. Abb.2).
Abb. 2: Knetung des Planungsdeltas
-
Dezentrale versus zentrale Planungsaktivitäten
Um den Aufwand in der Planung zu optimieren, ist es sinnvoll, die
dezentral planenden Verantwortlichen
zentral durch das Controlling,
Rechnungswesen oder die Personalabteilung zu unterstützen. Es wäre ineffizient, würde jeder Kostenstellenleiter die Personalkosten selbst planen. Die Planung der
Kapazitäten nach Qualifikationsprofilen erfolgt dezentral, die Quantifizierung erfolgt zentral. Ähnliches gilt für Investitionen. Die Vorhaben werden dezentral geplant, die Abschreibungen können zentral ermittelt werden.
3.3 Rollierung auf unterschiedlichen Ebenen der Planung
Der Aspekt der Rollierung ist nichts grundsätzlich Neues im Controlling. Bei
konsequenter Umsetzung der Controlling-Philosophie wird diese Vorgehensweise bereits auf unterschiedlichen Ebenen gelebt.
-
Strategische Planung als rollierende Planung
Im Rahmen der
Integration von
strategischer und operativer Planung stellt die Rollierung die einzig sinnvolle Variante dar. Die strategische Planung wird in jährlichen Intervallen überarbeitet, indem die Strategie und die dahinterstehenden Prämissen überprüft werden. Die Strategie wird aktualisiert und adaptiert.
Das erste Jahr des strategischen Planungshorizontes wird in die operative Planung übergeleitet, das letzte Jahr wird ergänzt. Als weiterer Input steht die jeweils letztgültige
Erwartungsrechnung - quasi als rollierter unterjähriger Plan - zur Verfügung. Damit wird sichergestellt, dass die operative Planung auf einer aktuellen Strategie und dem Letztstand der Erkenntnisse des laufenden Jahres aufbaut.
Abb. 3: Rollierende strategische und operative Planung
- Erwartungsrechnung als rollierende unterjährige Planung
Neben dem
Feed-Back (Plan-Ist-Vergleich) ist das
Feed-Forward (Plan-Wird-Vergleich oder Erwartungsrechnung) von essentieller Bedeutung. Über die Erwartungsrechnung ist es möglich, den unterjährig verbesserten Erkenntnisstand für die Unternehmenssteuerung zu nutzen, ohne den Originalplan zu verändern. Dieser Wird-Wert wird in der Praxis auf mehrere Arten ermittelt:
- Hochrechnung bzw. Extrapolation
Die
Kostenabweichung beträgt z.B. im April +5%. Aufbauend auf der Hochrechnung erwarten Sie auch für das Jahresende +5%. Diese Berechnung ist aus zwei Gründen abzulehnen:
- Sie ist mechanistisch und unterstellt, dass das Unternehmen die Abweichung quasi "erleidet“, d.h. auftretende Abweichungen werden in Kauf genommen.
- Gegensteuernde Massnahmen sollen helfen, die Abweichung rückzuführen. Es ist aber genauso denkbar, dass sich negative Entwicklungen unterjährig trotz aller Kraftanstrengungen der Leistungsträger im Unternehmen verstärken. Möglicherweise wird das Jahresendergebnis noch deutlich stärker als 5% abweichen. Die Hochrechnung wäre hier zu defensiv.
- Ergänzung der Istwerte um den Restplan
Die Istwerte werden um den anteiligen Jahresplan der offenen Perioden ergänzt. Auch diese Berechnung ist abzulehnen:
- Die aus den vergangenen Monaten resultierende Abweichung wird nicht hinterfragt (siehe oben).
- Ein Teil des Jahres wurden bereits kostenmäßig nicht plankonform realisiert, dies macht die Annahme, dass der Rest des Jahres plankonform verläuft, nicht plausibel.
- Grobplanung des Restjahres
Der
Erwartungswert sollte sich aus dem realisierten Ist und dem Wird des Restjahres basierend auf einer qualifizierten Neueinschätzung des Restjahres ermitteln. Damit hat die Erwartungsrechnung Plancharakter. Um das
Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht zu gefährden, stellt man bei der Erwartungsrechnung auf eine vergöberter Form der Planung im Sinne der Überarbeitung des Originalplanes in den wichtigsten Punkten unter Berücksichtigung der zu ergreifenden gegensteuernden Maßnahmen ab. Um zu qualitativ hochwertigen Erwartungswerten zu kommen, müssen Controlling und Führungskräfte zusammenarbeiten.
Abb. 4: Erwartungsrechnung
- Rolling Forecast (permanent rollierende Planung)
Haben die bisherigen Ausführungen gezeigt, dass der Aspekt der Rollierung bereits seit langem in der
Controllingpraxis verankert sein sollte, so ist doch noch ein Feld offen: die weitgehende Loslösung vom Geschäftsjahr als dominantem Zeithorizont der Steuerung auf operativer Ebene und damit einhergehend die Orientierung an einem gleichbleibend vorlaufenden Zeithorizont.
Wie die
Erwartungsrechnung, muss auch der Rolling Forecast ein "Plan" sein und darf nicht hochgerechnet werden. Damit ist auch festzuhalten, dass die allgemeinen Planungsprinzipien gelten müssen (s. 2.). Ein solcher rollierender Forecast sollte auf 12 Monaten basieren, manche Unternehmen forecasten auf 18 Monate.
Der Vorteil gegenüber der klassischen Erwartungsrechnung liegt in der größeren
Reichweite der
Vorschaurechnung. In der Erwartungsrechnung werden aufgrund des Geschäftsjahresbezuges die kommenden 9, 6 oder 3 Monate abdeckt, im Extremfall sogar nur noch 1 Monat. Dies betrifft dann aber nur noch die Ergebnisprognose ohne echter Möglichkeit der Ergebnisbeeinflussung (Stichwort Gewinnwarnung). Änderungen in den Rahmenbedingungen oder im Markt können aufgrund der längeren Planungsperiode ebenfalls besser in den Forecast eingearbeitet werden.
Wichtig ist zu beachten, dass dennoch jener Forecast, der
deckungsgleich mit dem
Geschäftsjahr ist, besondere Bedeutung hat. Zum Einen werden von den Eigentümern noch immer periodenbezogene Pläne und Budgets freigegeben und daher auch auf dieser Ebene der primäre Ergebnisvergleich gezogen, zum Anderen muss auch die Kosten- und Ergebnisverantwortung auf eine definierte Periode bezogen werden.
Ein als qualifizierte Messlatte geeigneter rollierender Forecast muss zumindest die
Quartale einzeln abbilden, sonst ist er zur kurzfristigen Steuerung nicht geeignet. Ein quartalsbasierter Forecast erlaubt es den Unternehmen auch weiterhin, eine Erwartungsrechnung für das Geschäftsjahresende zur Verfügung zu haben.
Abb. 5: Unterschied rollierende operative Planung und Rolling Forecast
Da der Forecast in letzter Konsequenz die Planung ersetzen soll, ist ein
praktikables Detaillierungsniveau festzulegen. Da in der Vergangenheit in vielen Unternehmen eher zu detailliert geplant wurde, können hier Maßnahmen zur Konzentration auf das Wesentliche gesetzt werden. Für das Rechnungswesen bedeutet das rollierende Forecasting eine Entwicklung in Richtung vermehrter unterjähriger Buchungen (z.B. im Bereich der Rückstellungen).
4. Zusammenfassung und Konsequenzen der Umstellung
Das Thema Forecasting ist nicht neu. In den Bereichen der strategischen Planung und der Erwartungsrechnung wird diese Vorgehensweise schon lange gefordert und in vielen Unternehmen bereits umgesetzt. Die wesentliche Ergänzung erfährt das Controlling durch die Abkehr von der alleinigen Orientierung am Geschäftsjahr, indem anstelle einer restjahresbezogenen Erwartungsrechnung ein
gleichbleibender Zeithorizont beplant oder "geforecastet" wird.
Die Unternehmen müssen bei Umstellung auf einen Rolling Forecast sicherstellen, dass
- Der Forecast geplant wird, d.h. die Planungsgrundsätze müssen im Forecasting umgesetzt werden
- Der Forecast zumindest die einzelnen Quartale abbildet.
- Die Vorsysteme, insbesondere das externe Rechnungswesen auf verbesserte unterjährige Periodengenauigkeit getrimmt werden, da die "13. Periode" im Forecast kaum berücksichtigbar ist
- Auch nach Übergang zu einem rollierenden Forecast, auf jenem Forecast, der mit dem Geschäftsjahr zusammenfällt, besonderes Augenmerk liegen muss.
Mehr Nutzen ist immer mit mehr Aufwand verbunden, dies gilt auch für den Umstieg von der jahresbezogenen Planung auf den Rolling Forecast. Entfeinerungs- und Adaptionsmaßnahmen im Planungsprozess und Detaillierungsniveau helfen den Unternehmen aber, überproportional von den verbesserten aktiven Steuerungsmöglichkeiten des Rolling Forecast zu profitieren.
Über den Autor:
Mag. Mirko Waniczek ist Manager der Contrast Management-Consulting und zuständig für den Produktbereich Controlling und Kostenmanagement.
Fußnoten:
[1] zit. n. International Group of Controlling, S. 118
[2] zit. n. International Group of Controlling, S. 18
[3] zit. n. International Group of Controlling, S. 62
[4] zit. n. Peters 1991, S. 601 (Übersetzung des Verfassers)
Download des vollständigen Beitrages:
Rollierende Planung/Rolling Forecarst.pdf
Quelle:
contrast.at
letzte Änderung Mirko Waniczek
am 11.08.2024
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