An der derzeit in den Unternehmen vorherrschenden Planungs- und Budgetierungspraxis ist in den letzten Jahren vielfältige Kritik geäußert worden - von Seiten der Wissenschaft aber auch von Unternehmensvertretern selbst. Die klassische Budgetierung wird als zu starr empfunden, um den Unternehmen als zielführendes Steuerungsinstrument in einem durch ständigen Wandel und erhöhte Dynamik gekennzeichneten Unternehmensumfeld zu dienen. Auch haben die Unternehmen gelernt, dass die alljährliche Planung einen hohen Ressourceneinsatz mit sich bringt und die Aussagekraft der Planwerte und ihre Anreizwirkung vielfältigen Einschränkungen unterliegt.
Alljährlich wiederholt sich in den Unternehmen das ungeliebte Planungsritual. Dabei soll die Budgetierung dem Unternehmen dazu dienen seine monetären Ziele für das kommende Geschäftsjahr zu konkretisieren und einen Fahrplan aufzustellen, der die Erfüllung der Planwerte sicherstellt. Teilpläne werden koordiniert und die zugrunde liegenden Prämissen sowie mögliche zukünftige Entwicklungen analysiert. Die aufgestellten Budgets dienen als Messlatte für die Managementleistung. - Soweit die Theorie. Zunehmend wird jedoch, basierend auf umfangreichen Erfahrungen aus der Unternehmenspraxis, Kritik geübt an der traditionellen Budgetierung und ihre Effektivität und Effizienz in Frage gestellt.
Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Schwachstellen der traditionellen Budgetierung und zeigt auf, welche Verbesserungspotentiale sich aus den aktuell diskutierten Ansätzen zur Modernisierung des Budgetierungsprozesses ergeben.
Schwachstellen der traditionellen Budgetierung
Als wesentliche Kritikpunkte an der traditionellen Budgetierung werden insbesondere genannt:
- Starre Fixierung auf die Geschäftsperiode; keine ausreichende Vorausschau in die Zukunft, die Verknüpfung mit strategischen Zielen bleibt auf der Strecke, Vergangenheitsorientierung statt Zukunftsorientierung
- Ungünstige Aufwand / Nutzen Relation; umständliche und langwierige Abstimmungsprozesse und ein hoher Detaillierungsgrad erzwingen einen hohen Einsatz an personellen Ressourcen - nicht nur im Controlling sondern auch in den beteiligten Fachabteilungen
- Geringe “Halbwertzeit” der Planung; kurz nach der Verabschiedung ist die Planung schon wieder veraltet, dynamische Umfeldbedingungen verschärfen dieses Problem
- Anreizprobleme; der Planungsprozess führt zu politischen Spielen mit persönlicher Bonusmaximierung als Budgetierungsprämissen, Bestandswahrung statt Marktorientierung, Planerfüllung anstelle von Reaktion auf Marktentwicklungen, Vernachlässigung nichtmonetärer Größen
Zusammengefasst wird also für die traditionelle Budgetierung konstatiert: Hohe Ressourcenbindung bei geringem Nutzen! Auch empirische Studien sprechen hier eine deutliche Sprache: bspw. benötigen 20 % der Unternehmen mehr als 4 Monate zur Budgeterstellung. Controller geben an bis zu 50 % ihrer Kapazitäten für Planung und Budgetierung zu verbrauchen und auch Manager müssen mit bis zu 20 % ihrer Arbeitszeit zur Planung beitragen.
Ansätze für eine moderne Budgetierung
An diesen Schwachstellen setzen die neueren Ansätze zur Weiterentwicklung der Budgetierung an. Dabei lassen sich in Abhängigkeit von dem zugrunde liegenden Veränderungsumfang und der erreichbaren Behebung der Schwachstellen der traditionellen Budgetierung derzeit drei grundlegende Ansätze unterscheiden:
Better Budgeting
Bei diesem Ansatz wird die traditionelle Budgetierung grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Man konzentriert sich vielmehr darauf, durch eine
permanente Weiterentwicklung der Planung in Form einer “Politik der kleinen Schritte” die Effizienz der bestehenden Systeme und Methoden zu verbessern. Typische Maßnahmen sind bspw. eine
vorsichtige Verringerung der Detailtiefe der Planung oder eine
verbesserte IT-Unterstützung des Budgetierungsprozesses. Auch werden regelmässige
Forcasts eingeführt.
Advanced Budgeting
Der Advanced Budgeting Ansatz geht konsequent einen Schritt weiter, in dem er unterstellt, dass mittelfristig die Bedeutung von Budgets abnehmen wird. Gleichzeitig werden kurzfristige Maßnahmen umgesetzt, die auf eine
Steigerung der Planungsqualität bei gleichzeitiger Verringerung der eingesetzten Ressourcen abzielen. Die typischen Maßnahmen im Rahmen des Advanced Budgeting sind folglich auch grundlegender:
Einbeziehung von extern orientierten Benchmarkgrößen in die Planung, die mit einer verstärkten Nutzung relativer Planungsziele einhergeht. Eine
deutliche Verringerung der Detaillierung der Planung sowie eine stärkere Verbindung von Strategie und operativer Planung. Dieses wird durch die
Einbeziehung nicht-monetärer Größen in die Planung und die Implementierung eines Rolling - Forecast Prozesses erreicht.
Beyond Budgeting
Dieser Ansatz ist am weitesten von dem entfernt, was Controller derzeit unter Planung und Budgetierung verstehen.
Beyond Budgeting übersetzt mit “jenseits der Budgetierung” fordert eine
grundsätzliche Abkehr vom traditionellen “Denken” in Plan und Budgetierungsgrößen. Die Basis bilden dabei 12 als vorbildlich angesehene Management und Perfomance Measurement Prinzipien, die sich konsequent an den Erfordernissen des Marktes ausrichten.
Relative Ziele treten an die Stelle von fixierten Budgetgrößen (Es gilt besser zu sein als der Wettbewerb und nicht einen Plan zu erfüllen) Aber Beyond Budgeting bedeutet mehr als nur den Verzicht auf feste Planvorgaben. In der gesamtheitlichen Anwendung führen die Prinzipien des Beyond Budgeting Ansatzes zu einer Dezentralisierung von Verantwortung und wollen damit Flexibilität, Kreativität und Leistungsansporn im Unternehmen in den Vordergrund stellen. Erfolgreiches Beyond Budgeting ändert daher nicht nur den Budgetierungsprozess sondern fordert und fördert auch eine
Änderung der Unternehmenskultur.
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Gibt es den „richtigen“ Ansatz?
Auf die Frage nach dem “richtigen” Ansatz für ein bestimmtes Unternehmen lässt sich keine pauschale Antwort geben. In Abhängigkeit von der Dynamik des Unternehmensumfelds, der Komplexität des Unternehmens und seiner Geschäftsmodelle lassen sich jedoch grundsätzliche Aussagen über die Eignung der drei beschriebenen Ansätze treffen. Diese sind in der folgenden Grafik zusammengefasst.
Neben der grundsätzlichen Eignung der einzelnen Ansätze hat jedes Unternehmen natürlich auch im Rahmen einer Kosten / Nutzen Analyse individuell zu betrachten welches Vorgehen die ökonomisch sinnvollste Alternative darstellt. “Nichts ist beständiger als die Veränderung” - und die macht, wie wir gesehen haben auch vor der Budgetierung nicht halt. Der Controller ist jedoch nicht auf sich allein gestellt. Eine Vielzahl aktueller Veröffentlichungen bieten Grundlagen und Best Practices, Standesorganisationen wie der Internationale Controllerverein unterstützen durch Verlautbarungen und Arbeitsgruppen zur “Modernen Budgetierung” und spezialisierte Controller-Communities im Internet ermöglichen eine virtuellen Erfahrungsaustausch mit Fachkollegen.
Sofortmaßnahmen in der Budgetierung
Die im Folgenden aufgeführten “Sofortmaßnahmen” stellen Ansatzpunkte für eine schrittweise Verbesserung der Planungsprozesse dar.
Stringente Organisation des Planungsprozesses
Grundlage einer effizienten Planung ist eine stringente Organisation. Zu Beginn der Planung sollten Vorgaben Top-Down erfolgen. Das Management sollte frühzeitig und umfassend am Planungsprozess beteiligt werden. Als zentrales Hilfsmittel sollte eine möglichst detaillierte Richtlinie existieren, die den Planungsprozess unternehmensweit strukturiert und allen Beteiligten bekannt ist. Die Richtlinie sollte insbesondere auch die zeitliche Abfolge des Planungsprozesses für die einzelnen Bereiche verbindlich festlegen (Planungskalender) und damit deren Tätigkeiten synchronisieren.
Harmonisierung der Datenbasis
Eine einheitliche Datenbasis, insbesondere bei der Konsolidierung der Daten von Unternehmen in Konzernstrukturen, ermöglicht dauerhafte Effizienzgewinne im Budgetierungsprozess. Automatisierte Schnittstellen zwischen Datenbeständen unterschiedlicher Datenbanken beschleunigen die Übernahme von Daten und verringern die Gefahr von Abweichungen.
Verbesserung der IT Unterstützung
Eine leistungsfähige IT Umgebung in Verbindung mit einer Softwarelösung, die den Planungsprozess durch automatisierte Planungsroutinen unterstützt erhöht die Geschwindigkeit bei der Verarbeitung und Zusammenführung der Planungsdaten.
Erhöhung der Nutzerfreundlichkeit der eingesetzten Planungswerkzeuge
Eine konsequente Unterstützung des Planungsworkflows durch eine entsprechende Softwarelösung erleichtert die Planungstätigkeit für alle Beteiligten. Eingabemasken, die den Nutzer intuitiv durch den Planungsprozess leiten erhöhen die Akzeptanz bei den Beteiligten und die Qualität der Planungsdaten. Kommentierungsmöglichkeiten zu einzelnen Planungsdaten steigern deren Aussagekraft und verringern die Anzahl der Rückfragen. In der Planungssoftware integrierte Plausibilitätskontrollen schaffen Sicherheit und vermeiden Fehler schon bei der Eingabe.
Entfeinerung der Planung
Eine Verringerung des Detaillierungsgrads der Planung vermindert den Ressourcenaufwand u.U. erheblich. Gleichzeitig lässt sich eine Fokussierung der Budgetierung auf zentrale Planungspositionen erreichen. So können bspw. strategische wichtige Kosten- oder Erlösgrößen intensiv geplant werden, während auf Positionen von untergeordneter Bedeutung ganz verzichtet wird, diese in globale Budgets überführt oder auf Basis der Ist-Kosten fortgeschrieben werden.
Forecast Prozesse implementieren
Durch die Implementierung von Forecasts zu definierten unterjährigen Zeitpunkten wird die Prognosefähigkeit der Planung gesteigert. Es bietet sich an einen höheren Forecast- Rhythmus zu wählen - unter Umständen monatlich - den Detaillierungsgrad jedoch zu begrenzen. Dieses hält den Aufwand für die Erstellung und Analyse in Grenzen. Wird ein sog. Rolling Forecast implementiert, lässt sich die starre Fixierung der Planung auf das Ende der Planungsperiode überwinden. Strategische und operative Planung werden stärker verbunden.
FAQ
Wie lässt sich feststellen ob mein Unternehmen sich eher für Better-, Advanced- oder Beyond Budgeting eignet?
Die Frage lässt sich nicht generell beantworten. Es gibt Unternehmen, die mit der klassischen, seit vielen Jahren praktizierten Planung nach wie vor sehr zufrieden sind. Andere Unternehmen, deren Umfeld sich durch eine hohe Dynamik auszeichnet, stoßen dagegen mit der traditionellen Budgetierung schnell an ihre Grenzen. In der Literatur wird der grundsätzliche Einsatzbereich der drei Ansätze häufig über die Umfeldfaktoren Komplexität und Dynamik bestimmt. Für die Eignung in Bezug auf ein spezielles Unternehmen sind jedoch noch weitere Faktoren bedeutsam: Führungsstil, Strategie, Größe des Unternehmens etc.
Ist Beyond Budgeting überhaupt praktikabel für ein Unternehmen das Geld verdienen muss?
Es gibt Beispiele von Unternehmen, die sehr erfolgreich nach dem Beyond Budgeting Ansatz steuern. Svenska Handelsbanken kann hier stellvertretend genannt werden. Allerdings entfaltet der Beyond Budgeting Ansatz seine Stärken nur dann, wenn die Unternehmenskultur und das Unternehmensumfeld zu diesem Steuerungsansatz passen.
Was ist ein “Rolling Forecast”?
Die wesentlichen Merkmale des rollierenden Forecast lassen sich in Abgrenzung zum herkömmlichen Forecast wie folgt zusammenfassen:
- Ein stets gleich bleibender Horizont (losgelöst vom Geschäftsjahr),
- Periodizität: i. d. R. quartalsweise oder monatliche Erstellung,
- gegebenenfalls kombinierter Detaillierungsgrad aus Fein- und Grobberichterstattung,
- wichtige monetäre und nichtmonetäre Inhalte “Konzentration auf das Wesentliche“.
Kann man auch auf Basis der bestehenden Planung auch mit geringen Mitteln Verbesserungen erzielen?
Die operative Budgetplanung ist in der überwiegenden Zahl der Unternehmen das bedeutendste Steuerungsinstrument. Der Weiterentwicklung dieses Instrumentes sollte daher durchaus einiges an Augenmerk geschenkt werden. Aber auch mit vergleichsweise geringen Mitteln lassen sich Verbesserungen erzielen. Im Vorfeld sollten jedoch die bestehenden Probleme identifiziert und bewertet werden. Nur auf der Basis einer solchen Analyse lässt sich bestimmen, ob eine Verringerung des Detaillierungsgrades, zusätzliche Softwareunterstützung, qualifizierende Maßnahmen bei den Beteiligten etc. – oder eine Kombination bestimmter Maßnahmen zu den gewünschten Verbesserungen führt.
Eignen sich die vorgestellten Konzepte auch für mittelständische Unternehmen?
Insbesondere die Konzepte, die auf der traditionellen Budgetierung aufsetzen sind für den Mittelstand geeignet. Aber es ist auch denkbar, dass es sich für ein mittelständisches Unternehmen lohnt, sich näher mit Beyond Budgeting auseinanderzusetzen. Voraussetzung ist, dass die Umfeldbedingungen passen und eine geeignete partizipative Unternehmenskultur besteht.
Generell besitzt gerade für mittelständische Unternehmen die Weiterentwicklung der operativen Planungssysteme eine erhebliche Bedeutung. Denn mittelständische Unternehmen operieren heute in den seltensten Fällen noch in geschützten Nischen. Ein globaler Wettbewerb ist bereits Realität, dynamische Märkte erfordern neue Angebotsmodelle, Chancen müssen kurzfristig ergriffen werden aber die strategischen Ziele dürfen nicht aus dem Fokus rücken. All diesen Anforderungen muss durch ein modernes Steuerungsinstrumentarium Rechnung getragen werden.
letzte Änderung Dipl. Kfm. Jens Obermöller
am 31.05.2022
Bild:
Bildagentur PantherMedia / ridofranz
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12.12.2008 10:12:02 - Volker Hilden
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