Werden nicht alle Erzeugnisse, die in der
Betrachtungsperiode hergestellt wurden, in der gleichen Periode auch verkauft, so haben sich die
Bestände an fertigen und/oder unfertigen Erzeugnisse verändert, es liegen also Bestandsveränderungen vor.
Das Vorliegen von
Bestandsveränderungen ist die Regel, denn es ist schwer vorstellbar, dass in einem
Unternehmen in jeder Periode genau so viel produziert wie verkauft wird. Ausnahmen stellen lediglich Betriebe dar, die nicht lagerfähige
Produkte wie z. B. Strom oder Transportleistungen herstellen. Liegen in einer Periode Bestandsveränderungen vor, so ist zwischen Herstellkosten der Produktion und Herstellkosten des Umsatzes zu unterscheiden.
Die Zahlen der
Buchhaltung liefern die
Kosten, die für die in einer Periode hergestellten Erzeugnisse entstanden sind, also die
Herstellkosten der Produktion. Wurde weniger verkauft als hergestellt, so müssen die
Herstellkosten der verkauften, also umgesetzten Erzeugnisse geringer sein als die Herstellkosten der produzierten Erzeugnisse. Man stelle sich einen neu gegründeten Betrieb vor, der zwar schon Produkte herstellt, aber wegen eines noch nicht vorhandenen Vertriebsnetzes noch nichts verkauft. Alle produzierten Erzeugnisse liegen auf Lager.
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In diesem Fall sind
Herstellkosten der
Produktion entstanden, während sich die Herstellkosten für die umgesetzten, also verkauften Erzeugnisse auf Null belaufen. Die produzierten Erzeugnisse, bewertet zu Herstellkosten, erhöhen den
Lagerbestand des Unternehmens. Angenommen, es sind Produkte im Wert von 100.000 € (Herstellkosten) erzeugt worden, so lassen sich die Herstellkosten der umgesetzten Erzeugnisse folgendermaßen ermitteln:
|
Herstellkosten der Produktion
|
100.000
|
–
|
Bestandsmehrung
|
100.000
|
=
|
Herstellkosten des Umsatzes
|
0
|
Der
umgekehrte Fall liegt vor, wenn ein Unternehmen die Produktion in der Betrachtungsperiode schon eingestellt hat, es befinden sich jedoch noch Erzeugnisse im Wert von 100.000 € (Herstellkosten) auf Lager, die nun verkauft werden. Da nicht mehr produziert wird, betragen die Herstellkosten der Produktion Null. Wenn sämtliche, zu Beginn der Periode auf Lager befindlichen Erzeugnisse im Lauf der Periode verkauft werden, betragen die Herstellkosten der umgesetzten Erzeugnisse 100.000 €. Die Herstellkosten der umgesetzten Erzeugnisse lassen sich also folgendermaßen ermitteln:
|
Herstellkosten der Produktion
|
0
|
+
|
Bestandsminderung
|
100.000
|
=
|
Herstellkosten des Umsatzes
|
100.000
|
Die Herstellkosten der Produktion unterscheiden sich von den Herstellkosten des Umsatzes einer Periode also um die Bestandsveränderungen an
fertigen und
unfertigen Erzeugnissen:
|
Herstellkosten der Produktion
|
|
+
|
Bestandsminderung
|
|
–
|
Bestandsmehrung
|
|
=
|
Herstellkosten des Umsatzes
|
|
Der
Unterschied zwischen den HK der Produktion und den HK des Umsatzes ist aus folgendem Grund von Bedeutung:
Die meisten Unternehmen benutzen die Herstellkosten des Umsatzes und nicht die Herstellkosten der Produktion als Zuschlagsgrundlage für die Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten.
Warum die HK des Umsatzes als Zuschlagsgrundlage für diese beiden Bereiche verwendet werden, lässt sich zumindest für den
Vertriebsbereich begründen:
Die Höhe der Vertriebsgemeinkosten hängt eher mit der Anzahl der verkauften als mit der Anzahl der hergestellten Produkte zusammen. Je mehr verkauft wird, desto größer ist die Aktivität im Vertriebsbereich und desto höher sind dann auch die Kosten. Im Verwaltungsbereich ist dieser Zusammenhang nicht so offensichtlich, deshalb werden in Ausnahmefällen in diesem Bereich auch die Herstellkosten der Produktion als Zuschlagsgrundlage verwendet.
Bevor also die
Zuschlagsätze für den Verwaltungs- und Vertriebsbereich ermittelt werden können, sind die Herstellkosten des Umsatzes zu errechnen.
Wir sehen uns nun einen
Betriebsabrechnungsbogen (BAB) an:
|
Material
|
Fertigung
|
Verwaltung
|
Vertrieb
|
Hilfs- und Betr. Stoffe
|
4.000
|
8.000
|
-
|
-
|
Gehälter
|
2.500
|
2.500
|
12.500
|
12.500
|
Sozialkosten
|
250
|
7.250
|
1.250
|
1.250
|
AfA
|
3.200
|
6.400
|
4.800
|
1.600
|
Zinsen
|
5.000
|
10.000
|
3.000
|
2.000
|
Summe:
|
14.950
|
34.150
|
21.550
|
17.350
|
Die
Materialeinzelkosten sollen nach wie vor 100.000 € und die Fertigungslöhne 70.000 € betragen. Zusätzlich wird folgende Annahme gemacht: Der Bestand an Fertigerzeugnissen hat sich in der Betrachtungsperiode um 20.000 € verringert und die Halbfertigerzeugnisse haben um 15.000 € zugenommen.
Zunächst wird der BAB um zwei Zeilen erweitert. Es wird zusätzlich eine Zeile angefügt, in der die Zuschlagsgrundlagen für die
Kostenstellen eingetragen werden. In einer weiteren Zeile erfolgt dann zunächst die Berechnung der Zuschlagsätze für den Material- und den Fertigungsbereich:
|
Material
|
Fertigung
|
Verwaltung
|
Vertrieb
|
Hilfs- und Betr. Stoffe
|
4.000
|
8.000
|
-
|
-
|
Gehälter
|
2.500
|
2.500
|
12.500
|
12.500
|
Sozialkosten
|
250
|
7.250
|
1.250
|
1.250
|
AfA
|
3.200
|
6.400
|
4.800
|
1.600
|
Zinsen
|
5.000
|
10.000
|
3.000
|
2.000
|
Summe:
|
14.950
|
34.150
|
21.550
|
17.350
|
Zuschlagsgrundlage
|
100.000
|
70.000
|
|
|
Zuschlagssatz
|
14.95%
|
48,79%
|
|
|
Als
Zuschlagsgrundlage für die Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten sind die Herstellkosten des Umsatzes anzusetzen, die nun außerhalb des BAB ermittelt werden müssen:
MEK
|
100.000
|
MGK
|
14.950
|
FEK
|
70.000
|
FGK
|
34.150
|
HK der Produktion
|
219.100
|
+ Bestandsminderung
|
20.000
|
– Bestandsmehrung
|
15.000
|
HK des Umsatzes
|
224.100
|
Nun können die HK des Umsatzes in den BAB als Zuschlagsgrundlage im Verwaltungs- und Vertriebsbereich eingetragen und die
Zuschlagsätze ermittelt werden:
|
Material
|
Fertigung
|
Verwaltung
|
Vertrieb
|
Hilfs- und Betr. Stoffe
|
4.000
|
8.000
|
-
|
-
|
Gehälter
|
2.500
|
2.500
|
12.500
|
12.500
|
Sozialkosten
|
250
|
7.250
|
1.250
|
1.250
|
AfA
|
3.200
|
6.400
|
4.800
|
1.600
|
Zinsen
|
5.000
|
10.000
|
3.000
|
2.000
|
Summe:
|
14.950
|
34.150
|
21.550
|
17.350
|
Zuschlagsgrundlage
|
100.000
|
70.000
|
224.100
|
224.100
|
Zuschlagssatz
|
14.95%
|
48,79%
|
9,62%
|
7,74%
|
Nun lässt sich das so genannte
Kalkulationsschema zur Ermittlung der
Selbstkosten einer Periode vervollständigen:
|
in €
|
in Prozent
|
MEK
|
100.000
|
|
MGK
|
14.950
|
14,95%
|
FEK
|
70.000
|
|
FGK
|
34.150
|
48,79%
|
HK der Produktion
|
219.100
|
|
+ Bestandsminderung
|
20.000
|
|
– Bestandsmehrung
|
15.000
|
|
HK des Umsatzes
|
224.100
|
|
+ VwGk
|
21.550
|
9,62%
|
+ VtGk
|
17.350
|
7,74%
|
Selbstkosten des Umsatzes
|
263.000
|
|
Die Art der Zuschlagsatzbildung im BAB beinhaltet einige
Unterstellungen:
Im Materialbereich wird unterstellt, dass ein
Zusammenhang besteht zwischen Materialeinzelkosten und Materialgemeinkosten. Ein Produkt B, welches doppelt soviel Materialeinzelkosten verursacht wie ein Produkt A hat auch doppelt so viel Materialgemeinkosten zu tragen.
In gleicher Weise wird unterstellt, dass es einen Zusammenhang zwischen Fertigungslöhnen und Fertigungsgemeinkosten gibt. Die folgende Tabelle soll dies verdeutlichen:
|
Produkt A
|
Produkt B
|
Zuschl.-Satz
|
MEK
|
300.00
|
600.00
|
|
MGK
|
44.85
|
89.70
|
14,95%
|
FEK
|
100.00
|
200.00
|
|
FGK
|
48.79
|
97.58
|
48,79%
|
HK
|
493.64
|
987.28
|
|
Im Verwaltungs- und Vertriebsbereich wird nun unterstellt, dass es einen Zusammenhang zwischen den
Gemeinkosten dieser Bereiche und den Herstellkosten des Umsatzes gibt. Für den Vertriebsbereich erscheint diese Annahme plausibel: Wenn in einer Periode viele Produkte verkauft werden, so
steigen sicher auch die mit dem Verkauf einhergehenden
Aktivitäten und damit Gemeinkosten im Vertriebsbereich. Es gibt in diesem Bereich also sicher eher einen Zusammenhang zwischen Gemeinkosten und Herstellkosten des Umsatzes als zwischen Gemeinkosten und Herstellkosten der Produktion.
Was den
Verwaltungsbereich angeht ist der Zusammenhang zwischen Verwaltungsgemeinkosten und Herstellkosten des Umsatzes nicht so eindeutig. In den meisten Unternehmen werden trotzdem die HK des Umsatzes als Zuschlagsgrundlage angesetzt. Es sei jedoch hier schon darauf hingewiesen, dass in Ausnahmefällen Im Verwaltungsbereich die HK der Produktion als Zuschlagsgrundlage Verwendung finden.
Aufgaben zum Kapitel "Bestandsveränderungen" >>
letzte Änderung E.R.
am 25.09.2022
Autor:
Dipl. Volkswirt Friedrich Schnepf
|
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