Korruptionsgefahren frühzeitig aufdecken

Umsetzung von Compliance durch Gesundheitsinstitutionen

Dr. Jürgen Stierle
Gesundheitsinstitutionen sind rechtlich zur Minimierung korruptionsbedingter Risiken und Schäden verpflichtet. Durch den Einsatz von Frühwarnsystemen können auch Kliniken Korruptionsgefahren frühzeitig aufdecken. So gibt es z.B. in der Helios Kliniken GmbH eine konzernweite Regelung "Transparenz zur Korruptionsprävention". Darüber hinaus empfiehlt es sich, einen eigenen Korruptionscontroller bzw. Compliance-Beauftragten zu bestimmen.

Es stellt sich zunächst für viele Führungskräfte von Gesundheitsinstitutionen die Frage, ob die Durchführung eines Projektes Korruptionscontrolling/Compliance notwendig ist und welche Aktivitäten durchgeführt werden müssten, um sich strategisch im Wettbewerb zu positionieren. Nach dem Lagebild Korruption des Bundeskriminalamtes (BKA) aus dem Jahre 2008 wird Korruption als Teil der Wirtschaftskriminalität in 1244 Fällen zu 45 % zur Erlangung von Aufträgen und zu 14 % zu Erlangung von sonstigen Wettbewerbsvorteilen von Firmen oder Einzelpersonen eingesetzt.

Weitere Vorteile der Geber waren z.B. Erhalt gefälschter Rechnungsbeträge (4 %), Gebührenersparnis (6 %), behördliche Genehmigungen (13 %), Aufenthalts/Arbeitserlaubnisse (2 %), behördeninterne Informationen (3 %) sowie Beeinflussung der Strafverfolgung (4 %). Die Summe der materiellen Vorteile auf Geberseite betrug ca. 372 Mio. Euro.


Bei den Korruptionsstraftaten wurden von der Polizei 3020 Tatverdächtige (Nehmer: 1.694 und Geber: 1326) ermittelt. Der Anteil der Nehmer im Gesundheitswesen betrug 6 % und der Anteil der Geber im Bereich Phama/Gesundheit betrug 7,8 %. Beispielsweise führte der "Herzklappenskandal" bundesweit zu ca. 2000 Ermittlungsverfahren wegen Korruptionsstraftaten, bei denen viele Verfahren gegen Ärzte oder Mitarbeiter von pharmazeutischen Unternehmen eingestellt worden sind.

Der Bundesgerichtshof hatte am 23. Mai 2003 einen ärztlichen Direktor einer Klinikabteilung, der zudem Professor an der Universität Heidelberg war, wegen Vorteilsannahme verurteilt. Der Professor hatte von einem Klienten umsatzabhängige Zuwendungen auf das Konto eines Fördervereins erhalten und hierbei das hochschulrechtlich vorgeschriebene Verfahren zur Behandlung von Drittmitteln (Anzeige und Genehmigung) nicht eingehalten.

Natürlich sind die Mitarbeiter in öffentlichen und privaten Gesundheitsinstitutionen in den meisten Fällen unbestechlich, lehnen korruptive Praktiken überwiegend ab und räumen der Bekämpfung aller Formen der Korruption einen hohen Rang ein. Nach einer KPMG-Studie aus dem Jahr 2006 betrachten 71 % der befragten Unternehmen das Phänomen Wirtschaftskriminalität als ein ernsthaftes Problem für das Wirtschaftsleben. Die befragten Unternehmen waren in den letzten 3 Jahren hauptsächlich von:
  • Diebstahl/Unterschlagung (82 %),
  • Untreue (51 %),
  • Betrug (40 %) sowie
  • Korruption (17 %)

betroffen. Weiterhin schätzen die Unternehmen die Dunkelziffer im Bereich Wirtschaftskriminalität auf ca. 83 %. Dennoch verbinden nur wenige Unternehmen mit dieser Einschätzung auch ein erhöhtes eigenes Risiko. Nach der im Jahr 2007 durchgeführten Studie von PricewaterhouseCoopers und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg beträgt der Gesamtschaden, den deutsche Unternehmen allein durch die aufgedeckten Delikte entstanden ist, ca. 6 Milliarden Euro pro Jahr. In dieser Summe sind Managementkosten zur Bewältigung der Kriminalitätsfolgen von rund 1,75 Milliarden Euro berücksichtigt, nicht jedoch Verluste von Privatpersonen.

Begriffsdefinition

Korruption

Die einzelnen Wissenschaften definieren Korruption sehr unterschiedlich. In der Wirtschaftsethik wird der Begriff "Korruption" als normwidriges Verhalten eines Funktionsträgers beschrieben. Der Anwendungsbereich erstreckt sich von unmoralischem Verhalten bis zur Erfüllung von strafrechtlichen Tatbeständen für Bestechungsfälle. Der Begriff "Funktionsträger" weist darauf hin, dass ein "Prinzipal-Agent" Verhältnis vorliegt, jemand also im Auftrag eines anderen tätig wird. Der Begriff "Normwidrigkeit" beschreibt eine Regelverletzung des Agenten. Durch die Rechtsordnung (Gesetze, Erlasse, Compliance-Richtlinie) ist es u.a. den Agenten verboten, Geschenke anzunehmen.

Das nicht integre Verhalten des Mitarbeiters ist gekennzeichnet durch mangelnde Ehrlichkeit, Gewissenshaftigkeit und Vertrauenswürdigkeit und beeinträchtigt die Unternehmenskultur sowie den langfristigen Erfolg des Unternehmens. Aus der Sichtweise der Wirtschaftswissenschaft handelt es sich um einen nicht legalen Tausch zwischen dem Agenten und dem Klienten, bei dem der Agent durch Missbrauch der Vertrauensstellung zwischen ihm und dem Prinzipal eine nicht erlaubte Handlung als Leistung erbringt. Hierdurch entsteht dem Prinzipal und dem Wettbewerber ein Schaden.

Compliance

Der Begriff "Compliance" (englisch "Befolgung") beinhaltet die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien und freiwilligen Verhaltensvorschriften durch öffentliche und private Unternehmen seiner Mitarbeiter sowie den Kunden und Lieferanten. Compliance ist ein wichtiges Element der ordnungsgemäßen Unternehmensführung (Corporate Governance).

Korruptionscontrolling

Der englische Begriff Controlling Corruption wurde im Jahr 1988 erstmalig von Klitgaard verwendet. Im deutschsprachigen Raum forderte Schaupensteiner erstmalig 1994 ein gezieltes Korruptionscontrolling zur Korruptionsbekämpfung. Im Jahre 2006 entwickelte der Autor im Rahmen einer Forschungsarbeit (Korruptionscontrolling in öffentlichen und privaten Unternehmen) an der Bergischen Universität Wuppertal auf der formalen Grundlage der Agency-Theory ein Korruptionscontrollingmodell mit den Akteuren Prinzipal, Agent und Klient. Dieses Modell wurde mit seinen Prämissen, Grundbeziehungen und Elementen sowie den Zielen, Verhaltensnormen und Verhaltensweisen der Akteure in öffentlichen und privaten Unternehmen beschrieben.

Die Beziehungen zwischen den Akteuren im Grundmodell werden in Abbildung 1 dargestellt. Aufgrund dieses Modells konnte folgende deutsche Begriffsdefinition entwickelt werden: Korruptionscontrolling ist die planmäßige und systematische Minimierung von korruptionsbedingten Risiken/Schäden durch den Prinzipal bzw. die externen/internen Prüfungs- und Steuerungsorgane des öffentlichen/privaten Unternehmens durch die Implementierung eines Frühwarnsystems, die Steuerung der Aufbau- und Ablauforganisation sowie die Steuerung der Mitarbeiter und Kunden/Lieferanten. [...]

Download der weiteren Kapitel:

Compliance 1
Compliance 2
Compliance 3
Compliance 4




letzte Änderung D.J.S. am 17.08.2024
Autor:  Dr. Jürgen Stierle


Autor:in
Herr Dr. Jürgen Stierle
Als Diplom-Kaufmann leitet er seit 1996 als Geschäftsführer das Trainings-und Beratungsunternehmen Stierle-Consulting und führt mit seinem Team u.a. Seminare, Coaching und Projekte in den Bereichen Gesundheitscontrolling, Korruptionscontrolling, Compliance, Unternehmensführung, Personalmanagement und Verkauf in öffentlichen und privaten Unternehmen durch. Er promovierte im Jahr 2005 an der bergischen Universität Wuppertal mit dem Thema „Korruptionscontrolling in öffentlichen und privaten Unternehmen“. Seit 2007 motiviert und fördert er als Lehrbeauftragter die Studenten verschied. Hochschulen.
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