Als
versteckte Kredittage wird der Zeitraum bezeichnet, der von der
Leistungserbringung bis zur Rechnungsstellung vergeht. Vereinfacht ausgedrückt, verlängert sich die dem Kunden eigentlich gewährte Forderungslaufzeit von beispielsweise 30 Tagen, um die versteckten Kredittage, weil eine Rechnung nicht unmittelbar nach Leistungserbringung erstellt wird oder werden kann. In vielen Betrieben vergehen hier schnell bis zu drei Wochen und mehr. Das bedeutet, dass Unternehmen ihr Geld erst nach rund 7 Wochen oder später erhalten, wenn der Kunde pünktlich zahlt. Mit allen negativen Auswirkungen auf
Liquidität und
Rentabilität. Oft sind die Zusammenhänge den Beteiligten nicht klar und fast immer liegt zumindest ein Teil des Problems in fehlerhaften oder unpräzisen Abläufen und Zuständigkeiten.
Der Beitrag soll Anregung geben, sich mit dem Thema zu befassen und zeigt beispielhaft, wie sich die
Anzahl versteckter Kredittage reduzieren und damit die Liquidität verbessern lässt. Zum Artikel gehört eine
Excel-Lösung zur direkten Anwendung.
1. Warum sind versteckte Kredittage so problematisch?
Über eine
ausreichende Liquidität zu verfügen ist nicht nur in Krisenzeiten überlebenswichtig. Unternehmen müssen jederzeit in der Lage sein, allen Zahlungsverpflichtungen uneingeschränkt nachkommen zu können. Liquidität wird u. a. benötigt, um Mitarbeiter, Materialeinkauf, Subunternehmer oder Investitionen zu bezahlen. Wichtige Voraussetzung hierfür ist, dass erbrachte
Leistungen möglichst
zeitnah abgerechnet werden. Faustregel: 1-3 Tage nach der Leistungserbringung. Häufig passiert das aber nicht, und der Zeitraum ist deutlich größer. Es gibt Betriebe, in denen zwischen Leistungserbringung und Rechnungsstellung mehrere Wochen oder sogar Monate liegen. Ein wichtiger Grund ist, dass Prozesse nicht richtig funktionieren und nicht alle für die Rechnungserbringung nötigen Unterlagen zeitnah der Buchhaltung vorgelegt werden (können). Und es gibt Unternehmer, die Rechnungen aus Zeitgründen nur einmal pro Monat oder seltener stellen. Oft sind die Zusammenhänge oder negativen Folgen einer späten Rechnungsstellung schlicht nicht bekannt.
Beispiel:
Ein Unternehmen wickelt einen Auftrag mit einem Volumen von 20.000 Euro ab. Die Rechnung an den Kunden wird nicht sofort, sondern erst nach 20 Tagen gestellt. Das Zahlungsziel für den Kunden beträgt 30 Tage. Es entstehen also 20 versteckte Kredittage. Der gesamte Zeitraum muss vorfinanziert werden. Bei einem Zinssatz von 5% fallen für die versteckten Kreditdaten knapp 56 Euro Zinsen an, für die 30 Tage Zahlungsziel noch einmal rund 83 Euro, insgesamt etwa 139 Euro. Kann die Anzahl versteckter Kredittage halbiert werden, beträgt die Zinslast nur noch rund 111 Euro.
Auf den ersten Blick scheint die mögliche Ersparnis gering. Bezogen auf den gesamten Jahresumsatz kommen aber schnell mehrere tausend Euro zusammen, die sich einsparen lassen. Auch, wenn ein Unternehmen keinen Kredit zur Vorfinanzierung benötigt, müssen
Zinskosten angesetzt werden, denn auch die Bereitstellung von Eigenmitteln kostet. Zudem steht das Geld nicht für andere Zwecke, etwa Investitionen, zur Verfügung. Nicht zuletzt belastet jeder versteckte Kredittag die Liquidität, weil das Geld später eingeht als möglich.
Unternehmen sollten also ein ausgeprägtes Interesse daran haben,
Rechnungen so schnell wie möglich zu stellen, um sowohl die Kosten niedriger zu halten als auch die Liquidität zu sichern.
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2. Vorschläge zur Verringerung versteckter Kredittage
Eines sei vorab gesagt: Versteckte Kredittage werden sich nur in wenigen Fällen komplett vermeiden lassen, vor allem, wenn es sich um Unternehmen mit arbeitsteiliger Organisation handelt und mehrere Personen in den Prozess der Rechnungsstellung involviert sind. Es ist jedoch fast immer möglich, die Anzahl der Tage um 50 bis 70 % zu reduzieren, was bereits enorme Vorteile mit sich bringt, etwa bei der
Sicherung der Liquidität oder der
Verringerung der Zinskosten.
Zum Beitrag gehört eine einfache
Excel-Arbeitshilfe, die bei der Analyse und Verbesserung unterstützen kann (
Download hier >>).
Hinweis zur Arbeitshilfe
Alle Zahlen und Angaben dienen ausschließlich dazu, zu zeigen, wie die Anwendung funktioniert. Es handelt sich nicht um realistische Werte, die Rückschlüsse auf gute oder weniger gute Ausprägungen zulassen. Eingaben sind in allen Zellen mit blauer Schrift möglich. Wenn Eingaben in anderen Zellen vorgenommen werden sollen, muss vorher geprüft werden, ob es Formeln gibt, deren Überschreiben die Datei unbrauchbar macht. Teile der Arbeitsblätter können ausgeblendet werden. Alle Arbeitsblätter lassen sich auf einer Seite ausdrucken.
Bestandsaufnahme – Wie groß ist der Handlungsbedarf?
Zu Beginn sollte eine Bestandsaufnahme durchgeführt werden, um festzustellen, wie groß der Handlungsbedarf im Betrieb ist. Dazu sollten zunächst mindestens die folgenden Fragen ehrlich beantwortet werden:
- Ist das Phänomen versteckte Kredittage mit den negativen Folgen bekannt?
- Wird versucht, jede Rechnung so schnell wie möglich nach Leistungserbringung oder Projektende zu stellen?
- Gelingt das immer oder kommt es zu Verzögerungen?
- Welcher Natur sind mögliche Verzögerungen, z.B. unklare Abläufe oder Zuständigkeiten, Rechnungsstellung nur einmal im Monat?
- Ist geklärt, wer genau am Rechnungserstellungsprozess beteiligt ist, z.B. Vertrieb, Projektleitung, Service, Buchhaltung?
- Wissen die Personen genau, wer bis wann was tun muss?
- Gibt es feste Termine, bis zu denen alle zur Rechnungsstellung nötigen Unterlagen vorliegen müssen?
- Werden konsequent elektronische Rechnungen (XRechnung, PDF) versendet, um die Transportzeiten klein zu halten?
- Gibt es Eskalationspfade, die bei Problemen, etwa Kundenreklamationen, greifen?
- Gibt es Regeln für den Vertragsabschluss, in denen festgelegt wird, ab wann der eigene Betrieb eine Rechnung stellen darf? Beispielsweise ist es im Baubereich üblich, Rechnungen erst zu stellen, wenn alle Werkzeuge oder Gerüste entfernt wurden. Hier kann eine Regelung im Vertrag aufgenommen werden, dass die Rechnungsstellung möglich ist, auch wenn die Werkzeuge noch nicht entfernt wurden.
Zahlentransparenz herstellen
Ergänzend kann zumindest für die größeren Kunden eine konkrete Analyse mit Zahlen erfolgen. Dazu lässt sich das
Tabellenblatt "Kredittage" nutzen. Je Kunde wird zunächst der Kaufpreis oder Auftragswert eingegeben. Anschließend das Datum für die Leistungserbringung oder das Aufragsende. Das Zahlungsziel (Fällig) wird automatisch auf Basis der in Zelle F 53 hinterlegten Tage errechnet. Gibt es für Kunden unterschiedliche
Zahlungsziele, müssen die Werte ggf. manuell in die Spalte E eingetragen werden. Zum Schluss müssen die Daten für den tatsächlichen Zahlungseingang erfasst werden.
Auf Basis dieser Angaben errechnen sich die Tage, die zwischen Zahlungseingang und Rechnungsstellung (Tage RG. Eingang) und zwischen Zahlungseingang und Leistungserbringung vergehen (Tage Ges.). Hinterlegt man in Zelle I 2 einen Zinssatz, werden die Zinsaufwendungen für die eigentliche
Forderungslaufzeit (Basis Tage RG. Eingang) und den Gesamtprozess (Tage Ges.) errechnet. Im Beispiel zeigt sich, dass für die versteckten Kredittage etwa 150 Euro mehr anfallen als eigentlich nötig.
Abb. 1 Auszug Tabellenblatt Kredittage
Hinweis zur Wahl des Zinssatzes
Wenn für die Überbrückung der Zeit zwischen Leistungserbringung und Zahlungseingang
Kreditmittel benötigt werden, kann man durchaus den Zinssatz verwenden. Kann der Zeitraum mit vorhandenen Mitteln überbrückt werden, sollte dennoch ein kalkulatorischer Zins angesetzt werden. Es gibt Möglichkeiten, diesen rechnerisch zu ermitteln, was aber gerade für kleine Betriebe oft zu aufwändig ist. Gibt es bereits einen internen Zinssatz, mit dem sich z.B. Projekte rentieren sollen, kann dieser verwendet werden.
Oder man orientiert sich auch hier am Bankzins. Wichtig ist nur, dass auch im Fall von vorhandenen Mitteln berücksichtigt wird, dass diese verzinst werden müssen. Denn das Geld könnte ja auch anders eingesetzt werden, etwa für eine Investition, und würde hier im Normalfall auch eine Rendite erwirtschaften. Da das Geld aber in Forderungen gebunden ist, stehen die Mittel entweder nicht zur Verfügung oder müssen aus anderen Quellen beschafft werden.
Möglichkeiten, die Anzahl versteckter Kredittage zu reduzieren
Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass neben dem Unwillen des Unternehmers, sich mit "dem Papierkram", der
Rechnungsstellung, zu befassen, oft organisatorische Mängel sind, die verhindern, dass Rechnungen zeitnah gestellt werden.
Unternehmer, die sich ungerne mit der Rechnungsstellung befassen, sind sich oft nicht der möglichen Folgen bewusst. Sie können u.a. mit Beispielen wie zuvor gezeigt sensibilisiert werden. Gibt oder gab es bereits
Liquiditätsengpässe, lässt sich auch gut darstellen, dass diese hätten verhindert oder reduziert werden können.
Will sich der Unternehmer mit dem Thema weiter ungerne befassen, sollte versucht werden, die Rechnungsstellung zu delegieren, etwa an die Buchhaltung oder die Bürokraft. Wichtig ist in jedem Fall, dass es klare
Zuständigkeiten und Kompetenzen gibt, um Missverständnisse zu vermeiden.
Organisatorische Mängel beseitigen
Weitaus häufiger gibt es in Unternehmen
organisatorische Probleme und unklare Zuständigkeiten, die eine schnelle Rechnungsstellung erschweren. Das ist v.a. bei Betrieben der Fall, die Projekte oder komplexe Aufträge erledigen. Projektleiter oder andere Verantwortliche wickeln Vorhaben meist unter Zeitdruck ab und sind direkt im Anschluss im nächsten Projekt eingebunden. Dann ist die Zusammenstellung der rechnungsbegründenden Unterlagen für die Projektleiter nicht mehr so wichtig. Oft gibt sich erst nach Tagen oder Wochen die Gelegenheit, sich um die Zusammenstellung aller nötigen rechnungsbegründenden Unterlagen zu kümmern. In dieser Zeit entstehen mehr oder weniger viele versteckte Kredittage.
Hier hat es sich bewährt, das Thema mit allen Betroffenen zu besprechen, ihnen die Hintergründe zu erläutern und auch ihnen anhand von Beispielen zu zeigen, welche negativen Folgen eine späte Rechnungsstellung haben kann. Anschließend geht es darum, zu prüfen, wie sich der Zeitraum von der Leistungserbringung bis zur Rechnungsstellung verringern lässt. Auch hier zeigen die Erfahrungen, dass es hilfreich ist, wenn es
klare Regeln und verbindliche Handlungsanweisungen für alle Beteiligten gibt.
Beispielsweise sollte es eine
Checkliste geben, in der alle möglichen rechnungsbegründenden Unterlagen aufgeführt werden, damit nichts vergessen werden kann. Denn in der Praxis gibt es oft mehr Dokumente, als vielen Mitarbeitern bewusst ist.
Abb. 2 zeigt ein Beispiel. Es handelt sich um eine Kopiervorlage, die beliebig an die Gegebenheiten des eigenen Unternehmens angepasst und verändert werden kann.
Abb. 2 Vorlage zur Zusammenstellung rechnungsbegründender Unterlagen
Eine weitere Arbeitshilfe kann dazu beitragen, die wichtigsten Zeiten für ein Projekt oder ein Vorhaben zu erfassen und aus den Angaben die Gesamtzahl Tage, die finanziert werden müssen und den
Anteil stiller Kredittage zu erfassen.
Zunächst sollten ausgewählte
Projektdaten eingegeben werden. Dann die entsprechenden Zeiten, die bei einem Vorhaben wichtig sind. Es geht auch darum, darzustellen, ob und in welchen Fällen es noch zu Abweichungen von Planungen und tatsächlichem Geschehen gekommen ist. Beispielsweise kann es bereits bei Projektbeginn zu Verzögerungen kommen, wenn z. B. Materialien nicht bereitstehen oder es Änderungen gibt. Besonders wichtig ist, dass vorgegeben wird, bis wann alle Dokumente spätestens bei der Buchhaltung vorliegen müssen, damit diese die Rechnungen erstellen kann. Und es sollte auch vorgegeben werden, in welchen Fällen
Abweichungen von diesen Fristen möglich sind und dass Betroffene Begründungen vorlegen müssen.
Zeitangaben müssen manuell vorgenommen werden. Aus den Angaben errechnen sich automatisch die Anzahl versteckter Kredittage und die Gesamtzahl Tage, die zwischen geplantem Projektende und tatsächlichem Zahlungseingang vergehen. Wenn die Anzahl der Tage anders berechnet werden soll, müssen die Formeln geändert werden. Beispielsweise kann statt dem geplanten Ende des Projekts auch das tatsächliche Ende gewählt werden.
Abb. 3 Vorlage Projektanalyse (Bitte anklicken für Volldarstellung)
Um die Prozesse nachhaltig zu verbessern, sind klare Regeln erforderlich. Einige Beispiele:
- Wie viele Tage nach Projektende müssen die rechnungsbegründenden Unterlagen spätestens in der Buchhaltung vorliegen?
- Wer ist verantwortlich für die Zusammenstellung und ist sichergestellt, dass dies allen Beteiligten bekannt ist?
- Soll die Buchhaltung verpflichtet werden, 2-4 Tage vorher den Status zu erfragen?
- In welchen Fällen ist es erlaubt, von den Fristen abzuweichen, z.B. wenn der Kunde reklamiert und sich weigert, ohne Lösung das Abnahmeprotokoll zu unterzeichnen?
- Wie muss wer ab wann Überschreitungen dokumentieren?
- Wann ist es erforderlich, Vorgesetzte oder Geschäftsleitung einzubinden, z.B. wenn ein Kunde auf Grund von Mängeln kein Abnahmeprotokoll unterzeichnen möchte?
- Wie oft sollen Rechnungen mindestens gestellt werden, z.B. einmal pro Woche?
- In welchen Abständen sollen Erfolgskontrollen vorgenommen werden, z.B. mit Kennzahlen oder einer monatlichen Auswertung der Zahlen, wie es z.B. mit dem Tabellenblatt "Kredittage" möglich ist?
Praxis-Tipp
Es kann überlegt werden, ein
Handbuch "Vermeidung versteckter Kredittage" zu erstellen, in dem alle wesentlichen Punkte erfasst werden. Das (digitale) Handbuch lässt sich allen Beteiligten z.B. über das Intranet zur Verfügung stellten.
3. Fazit
Versteckte Kredittage tragen dazu bei, dass der Geldeingang z. B. aus Projekten oder Aufträgen später erfolgt als möglich, was
Kosten verursacht und die
Liquidität verschlechtert. Unternehmen sollten prüfen, ob versteckte Kredittage in ihrem Betrieb auftreten und es notwendig ist, die Anzahl zu reduzieren. Ursachen für versteckte Kredittage sind fast immer
fehlerhafte oder unklare Abläufe und Zuständigkeiten oder dass der Unternehmer sich nicht regelmäßig damit befasst, Rechnungen zu stellen. Unternehmer lassen sich oft motivieren, Rechnungen zeitnaher zu stellen, wenn ihnen gezeigt wird, welche Folgen es hat, wenn sich Zahlungseingänge unnötig verzögern. Liegen die Probleme in den Prozessen, können diese oft einfach verbessert werden, wie es beispielhaft im Beitrag gezeigt wurde.
Excel-Arbeitshilfe: Forderungsmanagement – Versteckte Kredittage reduzieren >>
letzte Änderung J.E.
am 30.05.2023
Autor:
Jörgen Erichsen
Bild:
Bildagentur PantherMedia / Andriy Popov
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Autor:in
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Herr Jörgen Erichsen
Jörgen Erichsen ist selbstständiger Unternehmensberater. Davor hat er in leitenden Funktionen in Konzernen gearbeitet, u.a. bei Johnson & Johnson und Deutscher Telekom. Er ist Autor von Fachbüchern und -artikeln rund um Rechnungswesen und Controlling. Außerdem ist er als Referent zu diesen Themen für verschiedene Träger tätig. Beim Bundesverband der Bilanzbuchhalter und Controller (BVBC) leitet Jörgen Erichsen den Arbeitskreis Controlling.
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