In den 90er Jahren war das Einkaufen in der Stadt noch ein ganz anderes Erlebnis, als es heute der Fall ist. Wir gingen in den Einkaufsstraßen an den Läden vorbei und wenn uns etwas im Schaufenster gefallen hat, betraten wir den Laden, um uns das Produkt einmal näher anzusehen. Wenn dann die Beratung vom Verkäufer/in auch noch gut, stand einem Kauf kaum noch etwas im Wege.
Für den Einzelhändler waren für erfolgreiche Umsätze folgende Dinge ausschlaggebend. Zum einen wurde ein gutes Dekorations-Team erforderlich, welches die Schaufenster und den Laden in ein tolles Einkaufserlebnis verzauberten. Des Weiteren ist natürlich ein gutes Verkaufs-Team erforderlich, welches sich einmal sehr gut mit der angebotenen Ware auskannte und selbstverständlich auch über genügend soziale Kompetenz dem Kunden gegenüber verfügt.
Das Marketing abseits vom Schaufenster lief primär über Werbeanzeigen bzw. Handzettel, die im Wochenblatt ausgehändigt worden. Controlling-seitig ließ sich nur erahnen, wie viele Kunden das Geschäft aufgrund der Werbeanzeigen betraten. Oft funktionierte dies über Rabattmarken, die aus der Zeitung ausgeschnitten worden und beim Kauf an der Kasse vorgelegt worden. Hiermit konnte das Vertriebs- oder auch Marketing-Controlling entsprechend analysieren, inwieweit eine Coupon-Aktion erfolgreich war.
Doch dann passierte das, was meistens passiert - Die Gesetze und Gerichtsurteile, die uns in diesem Artikel noch öfter begegnen werden. Viele Kunden, die das Wochenblatt nicht erhielten und über keinen Coupon verfügten, machten ihren gesetzlichen Anspruch gültig, die Ware ebenfalls zu dem reduzierten Preis zu bekommen. Schnell stellte die Marketingabteilung ihre Aktion wieder um und in der Werbung wurde das Produkt mit einem prozentualen Rabatt angeboten.
Die Situation heute
In der heutigen Zeit ist die
Digitalisierung für den Einzelhändler Fluch und Segen zugleich. Nicht selten passiert es, dass die Kunden das Geschäft betreten und mit entsprechenden Apps den EAN-Code des Produktes scannen und die Mitarbeiter des Verkaufs damit konfrontieren, dass es das Produkt bei einem Online-Händler um X-Prozent günstiger gibt. Das ist noch der mildere Fall, da es auch viele Kunden gibt, die sich beim Einzelhändler ausführlich beraten lassen und zuhause nach dem besten Preis im Internet suchen und dort bestellen.
Wie kann sich der Einzelhandel wehren?
Natürlich haben die meisten Einzelhändler, insbesondere die Filialketten, heute einen
Online-Shop. Das Marketing ist hier ebenso gefordert wie das Controlling, dass die Preise dem Markt entsprechend angepasst werden. Zum einen aus Marketing-Sicht, um den Kunden zu gewinnen bzw. zu halten und das Controlling aus wirtschaftlicher Sicht, ob das Unternehmen es sich finanziell leisten kann, Produkte zum gleichen oder gar niedrigeren Preis zum Wettbewerber anzubieten.
Diese Preise müssen natürlich genauso im Einzelhandel wie im Online-Shop angeboten werden. Hinzu kommt ein entsprechender Service-Grad vor Ort. Nicht jeder Kunde hat bei einer Reklamation Lust, lange auf eine Rückerstattung des Kaufpreises oder ein Ersatzprodukt zu warten. Der Einzelhandel kann hier punkten, was Rückgabe bzw. Umtausch betrifft.
Die Retourenquote – das tatsächliche Umlaufvermögen
Speziell bei der
Retouren-Quote bzw. den damit verbunden Wert geraten der Einkauf und das Controlling öfter in Konflikte. Zum einen sagt der Einkauf, dass ein geringerer
Warenbedarf nötig ist, weil ja immer wieder über die Retouren wieder verkaufsfähige Ware das Lager erreicht, Verschrottung und defekte Ware mal abgesehen. Doch das stimmt nicht - Hier sollte immer nach dem Bestellumsatz ausgegangen werden und der Preisreduzierung ausgegangen werden. Dazu später mehr.
Bei den
Retouren kann wirklich vom
Umlaufvermögen gesprochen werden. Denn in der Regel befindet sich ein Teil der Ware auf dem Postweg (Versendung und Rücksendung) und beim Kunden bis dieser sich entscheidet, die Ware zurückzusenden. Hinzukommt die Verarbeitung bei der
Logistik, bis die Ware wieder verkaufsfähig im Lager bzw. im Online-Shop angeboten wird. Dieser Betrag der Retoure ist eine
Investition, die bei der
Warenbedarfskalkulation eingeplant werden muss.
Nehmen wir einmal an, der Händler möchte nach Abzug der Retouren einen
Warenumsatz von 100.000 Euro erzielen und einen durchschnittlichen Rabatt von 20% beim Kunden anbieten. Die Retouren-Quote wird mit 40% angesetzt. Der Aufschlagsfaktor bzw. Gewinnspanne zwischen dem Ein- und Verkaufspreis belaufen sich auf 2,0 bzw. 50% netto.
Zwischen den
Bestellumsatz und dem
Versandumsatz wird eine
Storno-Quote von 3% angesetzt. Dies sind die Stornierungen aus Widerruf oder auch Kreditkartenbetrug. Für die Kalkulation des Warenbedarfs sollte von unten nach oben gerechnet werden. So lautet die Berechnung für den Warenbedarf wie folgt:
Warenbedarf VP
|
214.777
|
|
Warenbedarf EK
|
107.388
|
Rabatt 20 %
|
42.955
|
|
Handelsspanne 50 %
|
Bestellumsatz
|
171.821
|
|
Stornos 3 %
|
5.155
|
|
Versandumsatz
|
166.667
|
|
Retouren 40 %
|
66.667
|
|
Warenumsatz
|
100.000
|
|
Das bedeutet, das insgesamt 107.388 Euro investiert werden müssten, um 100.000 Euro Warenumsatz zu erzielen. Natürlich kommt jetzt das Argument vom Einkauf, dass der
Retouren-Wert (Einkaufspreis) ja wieder reinkommt und somit weniger Ware benötigt werden würde.
In diesem Beispiel 33.333 Euro (Hälfte des Retouren-Wertes) und sich somit der Warenbedarf von 107.388 Euro um 33.333 auf 74.055 Euro reduzieren würde, ABER: Gerade in
dynamischen Branchen (Textilien & Schuhe, Bücher, DVDs, etc.) wird natürlich täglich bestellt und wie im ersten Abschnitt beschrieben ist die Ware auch immer unterwegs (Postzustellung, Kunde, Retoure und Logistik).
Gehen wir einen Schritt weiter und erweitern unsere obere
Deckungsbeitragsrechnung. Als nächstes ziehen wir vom Warenumsatz den Wareneinsatz ab (nach wie vor 50%) und kommen zum
Rohertrag. Ich beziehe mich hier bewusst auf den Rohertrag, da der
E-Commerce auf den Handel bezogen ist. In der Industrie wird hier vom
Deckungsbeitrag I bzw. DB I gesprochen, welcher im Handel erst später zum Einsatz kommt. Nachdem der Rohertrag ermittelt wurde, ist der E-Commerce-Händler mit der
Sondereinzelkosten Vertrieb – kurz SEK konfrontiert und das Marketing kommt ins Spiel.
Letzte Änderung W.V.R am 09.10.2023
Autor(en):
Kristoffer Ditz