Bedeutung von Wissen
In den letzen 200 Jahren hat sich ein fundamentaler
gesellschaftlicher Wandel, weg von der arbeitsintensiven Agrargesellschaft hin zu einer wissens- und informationsorientierten Gesellschaft vollzogen. Der damit einhergehende Veränderungsprozess erfordert eine neue Wertigkeit der einzelnen
Produktionsfaktoren.
Wissen gewinnt als zukunftsweisender Produktionsfaktor immer stärker an Bedeutung und überholt die traditionellen Faktoren in Form von Boden, Arbeit und Kapital. [1]
Es gilt: "In an economy where the only certainty is uncertainty, the one sure source of lasting competitive advantage is knowledge."[2] In einem solchen Umfeld, das zunehmend durch internationalen Wettbewerb, Technologisierung und verkürzte
Produktlebenszyklen gekennzeichnet ist, sind
Wissensvorsprünge in vielen Bereichen der entscheidende Wettbewerbsvorteil.
Um diesen gesteigerten Anforderungen begegnen zu können, haben Unternehmen begonnen, ihr
Wissen gezielt zu managen, um es zu identifizieren, zu entwickeln, es nutzbringend einzusetzen und zu bewerten. Es gilt auch hier ein Satz von Peter Drucker "You can’t manage what you can’t measure".[3] Dies macht deutlich, dass verlässliche und aussagekräftige Methoden zur Messung, Bewertung und
Kommunikation des
Wissenswertes Voraussetzung für eine effektive Steuerung dieser wichtigen Ressource sind.
Wissensmanagement
Abb. 1: Wissensmanagementkreislauf [4]
Das Wissensmanagement besteht aus
sechs Kernprozessen: Wissensidentifikation, -erwerb, - entwicklung, -(ver)teilung, -nutzung und -bewahrung. Durch die Bestimmung von Wissenszielen und die Durchführung einer kontinuierlichen Wissensbewertung entsteht ein ganzheitlicher
Wissensmanagementkreislauf.
Die
Wissensziele stellen Aussagen über erwünschte und angestrebte Zustände dar, die als Ergebnis von Entscheidungen und Handlungen eintreten sollen. Der Prozess der Zieldefinition ist das Zentrum des Wissensmanagementkreislaufes, da Wissensziele den einzelnen Aktivitäten des Wissensmanagements ihre Richtung geben. "Wenn wir wüssten, was unser Unternehmen weiß, dann könnten wir Kundenwünsche besser erfüllen, innovative Produkte früher anbieten, schneller auf Marktveränderungen reagieren und unsere
Produktivität steigern. Kurz gesagt, wir könnten schneller besser werden." [5] Mit genau dieser Problemstellung beschäftigt sich der erste Baustein des Wissensmanagementkreislaufes, die
Wissensidentifikation.
Durch den im Unternehmensalltag immer größer werdenden Bedarf an Wissen und die gleichzeitig immer weiter fortschreitende Spezialisierung und Fragmentierung des Wissens ist es für Unternehmen kaum mehr realisierbar, alle erforderlichen
Wissensbereiche aus eigenen Ressourcen abzudecken. Eine Möglichkeit, identifizierte Wissenslücken zu schließen, bildet der Zukauf extern bereits bestehenden Wissens (=Wissenserwerb). Hierbei ist es wichtig, "das für den Markterfolg entscheidende, also das wertschöpfende Wissen zu identifizieren, es dann systematisch zu erschließen, verfügbar zu machen und weiter zu entwickeln." [6]
Den dritten wesentlichen Baustein des Wissensmanagementkreislaufes und gleichzeitig die zweite Möglichkeit
Wissenslücken zu füllen, stellt die Wissensentwicklung dar. Kern ist die Entwicklung neuer, intern oder sogar extern noch nicht vorhandener
Kompetenzen, die zu neuen Produkten und Prozessen im Unternehmen führen. Vorteil der Wissensentwicklung ist, dass
strategische Wissenskomponenten im Kompetenzportfolio des eigenen Unternehmens bestehen bleiben.
Die
(Ver)teilung von Wissen stellt einen zentral oder dezentral gesteuerten Eingriff dar, der die schnelle und zielorientierte Verbreitung spezifischer Wissensbestände auf eine bestimmte Anzahl von Organisationsmitgliedern zum Ziel hat. [7] "Verteilen" meint dabei die eher technische Ausrichtung der Wissensweitergabe, wogegen "teilen" die Bereiche beschreiben soll, in denen persönliche
Interaktion nötig ist, um individuelle Erfahrungen und Erwartungen weiterzugeben. Hierbei stellen sich immer die Fragen, wer welches Wissen benötigt und wie die Prozesse der Wissensverteilung optimiert werden können.
Auch wenn die vorausgegangenen Bausteine des Wissensmanagementkreislaufes optimal erfüllt sind, scheitert ein Unternehmen, wenn das dort identifizierte, erworbene oder entwickelte Wissen nicht zum Einsatz kommt (=
Wissensnutzung). Nur die produktive Anwendung des Wissens macht das Wissensmanagement auch in Resultaten fassbar. "Nur genutztes Wissen stiftet einen Nutzen für Unternehmen." [8]
Wissen in Unternehmungen muss jedoch nicht nur aufgefunden, erweitert und genutzt werden. Ziel muss es sein, das Wissen langfristig für den dauerhaften Erfolg der Unternehmung "im Gedächtnis zu behalten" (=
Wissensbewahrung). Damit bildet es die Basis für neue Erfahrungen, aus denen neues Wissen entstehen kann. Der Verlust von Mitarbeitern oder nur deren interne Wechsel kostet die Unternehmung immer einen Teil ihres "Gedächtnisses" und führt so zur teilweisen "Amnesie". [9] Jedoch ist mit dieser Forderung nicht die Bewahrung überholten Wissens gemeint. Es besteht in jedem Falle die Notwendigkeit, das "Verlernen zu Lernen", sofern das Wissen nicht mehr relevant ist. [10]
Ziel der
Wissensbewertung ist es, dem Unternehmen kritische Informationen für die Evaluation von Wissensaktivitäten und dem daraus resultierenden Output zur Verfügung zu stellen, um so eine optimale Ausnutzung von Wissen als Unternehmensressource zu gewährleisten. Nur wenn sich Unternehmen um aussagefähige Indikatoren und objektive Bewertungsmaßstäbe zur Messung ihres organisationalen Wissens bemühen, bekommen die in den vorangegangenen Punkten aufgezeigten Bausteine des Wissensmanagementkreislaufes wirklich Bedeutung.
Knowledge Value Added
Betrachtet man skandinavische Unternehmen und österreichische Universitäten, ist ein
Intellectual Capital Report bereits Normalität, und auch in Deutschland wird dem Wissen, als steuerbare und kommunizierbare Ressource, im Rahmen beispielsweise des Deutschen Rechnungslegungsstandards Nr. 15 und der Initiative "
Wissensbilanz Made in Germany" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technik immer höhere Bedeutung zugemessen.
Jedoch werden bestehende Bewertungs- und Steuerungsinstrumente aus unserer Sicht den hieraus resultierenden praktischen Anforderungen nicht umfassend gerecht. Die Bewertung des Wissens muss zwei grundlegende Zielrichtungen verfolgen
Zum einen ist die
Steuerung im Sinne eines Wissenscontrollings von wesentlicher Bedeutung. Auf mögliche Methoden und
Instrumente, um dieser Forderung gerecht zu werden, wird nachfolgend genauer eingegangen. Eine weitere und, in Zeiten der Dienstleistungsgesellschaft und der damit steigenden Relevanz immaterieller Werte, nicht minder wichtige Dimension der Bewertungsbestrebungen liegt jedoch in der Kommunikation gegenüber
Stakeholdern (Banken, Shareholder, …) mit dem Ziel, den "Wissenswert" klar und aussagekräftig dar zu stellen. Ein ganzheitliches Modell muss beide grundlegende Vorteile bieten:
Controlling und
Communication.
Um in diesem Sinne eine umfassende Steuerung und
Kommunikation zu ermöglichen, müssen zwei Kernbereiche berücksichtigt werden:
- Die Anforderung Communication wird über die Abbildung eines so genannten "Knowledge Value Added" [11, KVAifc] erreicht. Dieser ermöglicht als aussagekräftige, wertorientierte und benchmarkingfähige Kennzahl die externe Kommunikation gegenüber den Stakeholdern.
- Der KVA [ifc] basiert auf der zweiten beschriebenen Herausforderung, dem Controlling. Dieses kann mittels der unten aufgezeigten induktiv-analytischen Steuerungsansätze oder bspw. einer um Wissenskomponenten ergänzten BSC erreicht werden.
Nur die effektive und effiziente Kombination von interner Steuerung (=Controlling) und externer Kommunikation (Communication) des Wissenswertes führt zu einem erfolgreichen Ergebnis.
Praxisorientierte Umsetzung
Die praktische Umsetzung erfolgt mittels eines von der ifc EBERT entwickelten und angewandten "
6-Stufen-Modells":
Stufe 1. Einsatz eines induktiv-analytischen Bewertungsmodells
Die im folgenden Abschnitt dargestellten Ansätze zur Beschreibung und Bewertung von
immateriellem Vermögen sind ein wichtiger Schritt zu einem bewussten, akzeptierten und zielführenden Umgang mit der Ressource Wissen. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen deduktiv-summarischen und induktiv-analytischen Ansätzen zur Wissensbewertung. [12]
Abb. 2: Wissensbewertungsansätze [13]
[...]
Quellen:
[1] Steinhübel, V., Distel, K.; Steuerung von Wissen – Wissen bilanzieren, in: Input Magazin: Zeitschrift für die Wirtschaft, April 1/05 S. 8 ff.
[2] Nonaka, I., Takeuchi, H., The knowledge creating company- how japanese companies create the dynamics for innovation, New York/Oxford, 1995, S. 96
[3] Drucker, P., Management in the 21st Century, München, 1999, S. 32
[4] Distel, K. Erfolgsfaktor Wissen –Methoden der Bewertung und Steuerung-, unveröff. Diplomarbeit, 2004, S.15
[5] Tracy, M., Wiersema, F., Customer intimacy and other value disciplines, Umfrage unter Führungskräften, in: Harvard Business Review, Januar-Februar, 1993, S. 85
[6] Steinhübel, V., in: do IT magazin, Kennen Sie den IQ Ihres Unternehmens, 10. Jahrgang, Nr.1/März 2006, S. 08
[7] Vgl.: Probst, G., Raub, S., Romhardt, K., Wissen managen –Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen, Wiesbaden, 2003, S.149
[8] Probst, G., Raub, S., Romhardt, K., Wissen managen –Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen, Wiesbaden, 2003, S.174ff.
[9] Vgl.: Probst, G., Raub, S., Romhardt, K., Wissen managen –Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen, Wiesbaden, 2003, S.189f.
[10] Vgl. hierzu auch Hedberg, B., How Organizations Learn and Unlearn? In: Nytstrom, P.C., Starbuck, W.H. (Hrsg.): Handbook of Organizational Design, London 1981
[11] Diese Kennzahl wurde von der Institut für Controlling Prof. Dr. Ebert GmbH entwickelt
[12] North, K., Probst, G., Romhardt, K., Wissen messen –Ansätze, Erfahrungen und kritische Fragen, in: Zeitschrift für Führung und Organisation, 3, 1998, S. 159f.
[13] Vgl.: North, K., Probst, G., Romhardt, K., Wissen messen –Ansätze, Erfahrungen und kritische Fragen, in: Zeitschrift für Führung und Organisation, 3, 1998, S. 160
Download des vollständigen Beitrages:
Steuerung von Wissen – Communication und Controlling.pdf
letzte Änderung P.D.V.S.
am 19.08.2022
Autor:
Prof. Dr. Volker Steinhübel, Dipl.-Wirtschaftsjuristin Kathrin Distel
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Autor:in
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Herr Prof. Dr. Volker Steinhübel
Geschäftsführer des Instituts für Controlling Prof. Dr. Ebert GmbH (IFC EBERT). Bereits in seiner Dissertation erforschte Professor Steinhübel die Wirkungen und Werte der strategischen Unternehmenssteuerung. Heute berät und coacht er Unternehmen und Führungskräfte vor allem in der Ausrichtung und Optimierung des Managements.
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