Ehrbarer Kaufmann oder geschmeidige Führungskraft, Anreize statt Fehlerkultur, Zertifikat statt Engagement, Methodenhörigkeit statt Wirkungsorientierung, Gemeinsinn statt individuelle Anonymität – und wo bleibt die
Identität? In der Gesellschaft fehlen Köpfe, die in der Lage sind, geistige wie materielle Werte in der Vision zu verbinden und Führungskräfte sind heute oft nicht in der Lage, selbst auferlegte Regeln konsequent umzusetzen.
Marketing degradiert den redlichen Kaufmann zum Quacksalber, der alles verspricht, nichts einhaltet, jedem dient, illoyal ist und zu Höchstpreisen verkauft. Er wird damit zum Kopisten und nicht zum Individualisten. Er bekennt sich nicht zu langfristigem Erfolg, zu Einzigartigkeit oder zum Einhalten von Regeln, was auf
mangelnde Identität zurückzuführen ist, da sein nach vorne verengender, röhrenförmiger Blick nur einen beschränkten Horizont zulässt. Angst, nicht dazuzugehören, etwas zu verpassen und konsequent zu handeln, hemmen Unternehmenskulturen ihr Potential entfalten zu lassen.
Eine
Unternehmenskultur hat die Aufgabe, über die Wertebegriffe des Firmenzwecks die Unternehmensziele mit machbaren wirtschaftlichen und sozialen Ergebnissen für den/die EignerInnen sowie deren Mitarbeitenden, zu verwirklichen. Denn ohne Wirtschaftlichkeit schaffen wir es nicht und ohne Menschlichkeit ertragen wir es nicht. Die Unternehmenskultur ist das
Spiegelbild der Führungskräfte und zeigt, wie sie die Wertebegriffe des Firmenzwecks mit den Firmenzielen zu verbinden vermögen ohne ständigen Widerspruch zu erzeugen.
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Verwaltungsräte sollten starke Identitäten haben
Mitglieder von
Verwaltungsräten sollten mit dem Namen der Firma im gleichen Atemzug genannt werden, weil sie als
Gewissen der Organisation gelten. Oft sind den Mitarbeitenden weder deren Namen, noch deren Gesichter bekannt. Noch weniger sind sie regional oder national verankert. Weshalb ist das so? Weshalb scheinen sie wie Bruderschaften zu wirken? Dass diese Personen oft mit wenig Identität zur Firma wahrgenommen werden, zeigt ihre bescheidene Wirkung.
Bei näherem Hinsehen interpretieren solche Gremien ihre Aufgabe so, in dem sie jährlich "
Harte Ziele" und "
Weiche Ziele" (Indikatoren aus früheren Personalbefragungen) mit der
Operativen Führung vereinbaren und daraus einen legitimierten "Bonus" ableiten. Dies sind Abgeltungsmethoden, die keine neuen Versuche und Wagnisse für intrinsische Anreize berücksichtigen und bei welchen Visionen meist keine Rolle mehr spielen.
Die etablierten
Anreize sind einseitig und zu stark
wachstumsorientiert, hatten in den 70-er Jahren des letzten Jahrtausends ihre Anfänge und fanden in den 00er Jahren ihren Höhepunkt bis die Überbeanspruchung die Finanzkrise 2008 bewirkte. Danach fand wieder eine Rückbesinnung zu nachhaltigen Werten wie Begrenzung, Kontrolle, Machbarkeit, Nachhaltigkeit und Fairness statt gefolgt von Umwelt, Oekologie. Alles sind Werte, die Nachvollziehbarkeiten beinhalten. Hinzukommen Industrie 4.0, Digitalisierung und Genderakzeptanz, deren Bedeutung noch nicht ganz klar sind.
Wortcontainer legitimieren Aktivismus
In all die neuartigen "
Wortcontainer", die einer Neuorientierung dienen sollten, konnte jedermann seine Glaubensrichtung interpretieren. Dies half der allgemeinen Suche nach neuen Ufern wenig, aber sie wurde wenigstens mit Schlagwörtern befeuert. Sofern der vermittelte Inhalt dem eigenen Auftritt nicht entsprach, wurde mit "Fake-News" nachgeholfen. Wortcontainer haben den Vorteil sich dahinter verstecken zu können, ohne sich die Mühe machen zu müssen Zusammenhänge, Tatsachen und Absichten darzulegen.
Die Sprache spiegelt unser Denken
Schlagwörter, Wortcontainer der letzten 10-bis 20 Jahren beeinflussen weltweit unsere heutigen und zukünftigen
Führungskräfte. Die "Unsrigen", vor allem im europäischen Raum, zeichnen sich nebst ihrer geographischen Herkunftskultur über ihre Ausbildung, ihren Auftritt und Ausdruck aus. Ihre Ausbildung ist über die
Methodenhörigkeit ersichtlich, Auftritt und Ausdruck über Unisexmode, sowie einer unpräzisen, mit Floskeln und Anglizismen geprägten Sprache.
Führungskräfte mit fehlender Identität glauben oft, mit unverbindlichen und
frei interpretierbaren Floskeln, abgeklärt zu wirken. Mit Worthülsen, skurrilen Metaphern und schneller Sprache soll Weltgewandtheit mit jovialer und oberflächlicher Mimik und Gestik vermittelt werden. Zurück bleiben erschreckte und nicht ernst genommene Mitarbeitende.
Beispiele:
- wir sind gut aufgestellt
- wieder so ein Bedenkenträger
- wir handeln fokussiert
- bilateral - Runden drehen
- proaktiv sein
- Wasserstandsmeldung
- Wertschöpfungskette
- Dampf auf dem Kessel haben
- die Kuh vom Eis holen
- wir brauchen Herausforderungen
- auf Schiene gesetzt
- Fall-Back Szenario
- tragfähige Erfolgskriterien
- systematisches Benchmarking
- praxisnahe Anforderungen
- wir sitzen auf der Fahrerseite
- Ich bin da ganz bei Ihnen
- auf der Tonspur rüberbringen
- usw.
Die Herkunftsidentität wird unterschätzt
Michal Kosinski, ein englischer Psychologe, entwarf mit den "
Big five" eine Persönlichkeitsmessung zur Identitätsfindung von Führungskräften:
- Offenheit (wie aufgeschlossen sind sie gegenüber Neuem?)
- Gewissenhaftigkeit (wie perfektionistisch sind sie?)
- Extraversion (wie gesellig sind sie?)
- Verträglichkeit (wie rücksichtsvoll und kooperativ sind sie?)
- Neuritizismus (sind sie leicht verletzlich?)
Anhand dieser
Dimensionen kann relativ genau ermittelt werden, welche Identität dieser Mensch zeigt und welche Bedürfnisse und Ängste er hat, aber auch wie er sich tendenziell verhalten wird. Eine sehr
zukunftsgerichtete Persönlichkeitsmessung, die Charaktereigenschaften von Führungsmenschen berücksichtigt und nicht deren Methodenwissen.
Die "Big five" haben in der englischen Sprache jedoch eine andere Bedeutung als in der
deutschen Sprache wie z.B:
- open mindedness: andere Meinung zuzulassen
Offenheit: deutsches Empfinden - etwas Persönliches von sich geben
- Perfection: der Beste sein
Gewissenhaftigkeit: deutsches Empfinden - gründlich, zuverlässig
- Compatibility: Vereinbarkeit, Austauschbarkeit
Verträglichkeit: deutsches Empfinden – rücksichtsvoll, umgänglich u.s.w.
Dieses Beispiel soll ansatzweise aufzeigen wie unterschiedlich Führungskräfte werten und gewertet werden, wenn ein Deutscher in englischer Sprache oder ein Engländer in deutscher Sprache getestet wird. Aber auch, wie
Wertebegriffe in einer anderen Sprache sehr unterschiedliche Assoziationen hervorrufen.
Symptome fehlender Identitäten in der Unternehmenskultur
Zeigen oder leben Führungskräfte keine Identität, können folgende
Situationen entstehen:
- Konflikte werden nicht sofort angegangen, sondern in der jährlichen Mitarbeiterbeurteilung abgerechnet.
- Vorgesetzte machen keine eigenen Verantwortungs-u. Schuldeingeständnisse.
- Kundenreklamationen werden dem Kundendienst zugeschoben, statt mit Betroffenen sofort gelöst.
- Hohe Informationsvielfalt in der Gerüchteküche.
- Das Vorschlagswesen wird trotz Reglement nicht benutzt.
- Die Mitarbeitervertretung bringt nur Vorwürfe statt Vorschläge ein.
- Eine Du’zis Kultur wird mit penetrant gepflegten Freizeitanlässen erzwungen.
- Statt Freiraum für Innovationsmöglichkeiten werden andauernde Reorganisationen als ständige Herausforderungen des Marktes verkauft.
- Ordnung und Disziplin lassen nach, weil weder Selbstverantwortung noch Sanktionen eingefordert werden.
Es ist nicht Aufgabe der Mitarbeitenden, Führungskräfte ohne Identität auszuhalten und dadurch eine "Whistleblower Rolle" übernehmen zu müssen.
Vorgesetzte und ihre Angst vor Identifikation
Solche Vorgesetzte sind leicht erkennbar, weil sie nach oben etwas anderes sagen, als sie nach unten vertreten. Sie fühlen sich zwar zwischen Hammer und Amboss, glauben jedoch mit diesem Verhalten besser überleben zu können oder es allen recht zu machen.
Es ist der Umgang mit Anstand, Angst, Konflikten, Scham und Mut, der vielen Führungskräften den Zugang zu einer Identität gegenüber der Firma behindert. Weil diese Haltung als Bedrohung und Distanz wirken kann, hat sie einen starken
verunsichernden Einfluss auf die Unternehmenskultur.
Die 3 wichtigsten Orientierungspfeiler für eine Führungsidentität
Die
Zuschreibung der Identität hängt davon ab, nach welchen Werten sich das
eigene Naturell in seinem Leben/Arbeit ausrichtet und schlussendlich den eigenen Lebenssinn nährt.
- Sinn und Zweck der Organisation
Durch Verstehen und Akzeptanz entsteht Identifikation.
- Das Leitbild dient als Identitätsabgleich
Wer kein Leitbild vorgibt, kann, aufgrund fehlender Orientierung keine Identifikation einfordern.
- Sich zu einer Führungsidentität bekennen
Führen über Gemeinsinn oder Führen über Eigensinn
(vergleiche nachfolgende Grafiken).
Was fördert Identifikation und führt zu Identität?
Aufsichtsorgane und Führungskräfte einer Organisation wären glaubwürdiger, wenn sie eine
Selbstverpflichtungserklärung abgäben, um sich zugänglicher für ihre Tugenden, ethischen Grundsätzen und Verantwortung zu zeigen. Ihr Amt als ehrbarer Verantwortungsträger würde damit verbindlicher. Eine messbare, greifbare und glaubwürdige Personen-Identität wird geschaffen, solange sie authentisch umgesetzt wird.
Die Identität einer Führungsperson ist daran zu erkennen, wie sie das
definierte Wertegefüge der Organisation
authentisch und wirkungsorientiert umzusetzen vermag. Dabei ist der ständige Abgleich der eigenen Wertehaltung unabdingbar. Identität bedeutet bei der Sache sein und Selbstverantwortung in der Identitätsvernetzung leben.
Oftmals verhindern
interne Wettbewerbe unter den Mitarbeitenden das Verständnis, die Unternehmensziele als Ganzes zu sehen. Nur selten gewährleisten Einzelkämpfer den Erfolg der Firma. Die Identifikation wird gefördert, wenn die
Wertschätzung der Einzelnen über ihre Arbeit und Haltung zum Ausdruck kommt, die schliesslich zum Gesamtziel der Firma beigetragen haben. Wird diese Sichtweise von den Vorgesetzten wahrgenommen, erfährt die gelebte Unternehmenskultur Integrität (kongruente Wertehaltung).
Wie sieht es mit der Identität in Ihrer Unternehmenskultur aus? Zeigen Sie Mut und bereichern Sie Ihre Unternehmenskultur mit Ihrer eigenen Identität.
letzte Änderung H.R.H.U.R.F.S.
am 28.02.2023
Autor:
Hans R. Hässig und Roland F. Stoff
Bild:
Bildagentur PantherMedia / Wolfgang Behm, Dr. Peter Fischer
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Autor:in
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Herr Hans R. Hässig und Roland F. Stoff
Hans R. Hässig und Roland F. Stoff sind Autoren des Buches "Unternehmenskultur verstehen" (s. Literaturhinweis). Sie haben langjährige Erfahrung als Führungskräfte auf Geschäftsleitungsebene in KMUs, auf Konzernebene im In- und Ausland, in der Industrie, der öffentlichen Verwaltung und im Gesundheitswesen. Mit ihren Instrumenten machen sie Unternehmenskulturen sichtbar und prüfen diese auf Ihre jeweilige Authentizität.
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