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Wenn Pioniere größere Herausforderungen wahrnehmen

Wie Unternehmer in wachsenden Organisationen die Entscheidungsfindung für effektivere Delegation gestalten

Lukas Michel
Kleine Unternehmen werden wesentlich durch den Führungsstil ihres Gründers geprägt. Als Pioniere nehmen sie direkten Einfluss auf die Entscheidungen ihrer Mitarbeiter. Der tägliche Kontakt mit Kunden und Mitarbeitern stellt sicher, dass Marktmöglichkeiten wahrgenommen und Risiken frühzeitig erkannt werden. Mit zunehmender Größe dieser Organisationen nimmt die Komplexität der Führung zu. Gleichzeitig delegieren Unternehmer mehr Verantwortung an die Mitarbeiter. Dabei müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Mitarbeiter Entscheidungen im Sinne der Strategie und der Werte fällen. Intelligente Führungssysteme liefern die Instrumente und Praktiken für effektive Delegation. Wachsende Organisationen rüsten sich hiermit für größere Herausforderungen.

Kleine Unternehmen leben von der informellen, direkten Führung ihres Gründers. Als Pioniere und Unternehmer prägen diese den Sinn und Zweck der eigenen Organisation. Spezielle Produkte und Dienstleistungen begeistern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hierfür setzen sie sich ein und können eigene Ideen realisieren. Durch den engen Kontakt mit Kunden reagieren sie schnell und unkompliziert auf Marktchancen und Risiken. der Firmengründer nimmt durch persönliche Gespräche direkten Einfluss auf die Mitarbeiter und ersetzt dadurch formelle Aktionspläne. Um die Ziel zu erreichen, ziehen alle Mitarbeiter am gleichen Strick. Sie teilen Rollen und Verantwortung und packen die anstehenden Aufgaben an. Die eigentliche Herausforderung für das Unternehmen ist das Überleben. Entsprechend sind Wachstum und Cash Flow die zwei wichtigsten Kennzahlen. Für formelle Kontrollen gibt es wenig Bedarf. Diese beschränken sich auf interne Kontrollinstrumente wie eine verlässliche Buchhaltung und die Information der Eigentümer.

Nach der eigentlichen Pionierphase werden diese Unternehmen zu groß um informell geführt zu werden. Zusätzliche Hierarchien, funktionale Strukturen, Präsenz in mehreren Märkten und diverse Standorte erschweren die Kommunikation. Der Gründer ist kaum mehr in der Lage, sich um alle Schlüsselentscheide zu kümmern. Ohne effektive Kontrollmechanismen ergeben sich Ineffizienzen und Marktchancen werden verpasst. Um das Wachstum beizubehalten, müssen Leistungspläne als Kontrollinstrumente für Entscheidungen eingeführt werden. An Incentive Pläne gekoppelte Kennzahlen stellen zusätzlich sicher, dass die richtigen Ziele umgesetzt werden. Führungskräfte verlassen sich dabei auf Berichte mit Abweichungsanalysen. Diese ermöglichen ihnen, die Leistung der Organisation zu führen. Die wachsende Anzahl von Mitarbeitern verlangt die Einführung von Verhaltensspielregeln damit sich die Risiken in einem akzeptablen Rahmen halten. Die Führungsarbeit wird zunehmend komplexer und formeller.

Um die Komplexität von größeren Organisationen zu reduzieren, formalisieren Unternehmer die Entscheidungsfindung und delegieren ihre Verantwortung. Sie behalten dabei jene Entscheidungen für sich, welche die Leistung, die Risiken und die Zukunft der Organisation unmittelbar gefährden oder wesentlich prägen. Den großen Teil der Entscheidungen delegieren sie an die Führungskräfte und Mitarbeiter in ihrer Organisation.

  Formale Kontrollsysteme Diagnostische Prozesse Interaktive Praktiken Gemeinsame Prinzipien
Pionier Organisationen Finanz Kennzahlen Chancen und Risiken werden direkt angegangen Einflussnahme durch den Unternehmer Unternehmer lebt die Prinzipien täglich vor
Formale Organisationen Formale Kontrollsysteme ermöglichen informierte Entscheidungen Strategie, Risiko und Performance Prozesse geben Richtung Zielvereinbarung und Umsetzungsplanung verpflichten zu Leistung Vision, Mission, Werte und Grundsätze führen das Verhalten
Neue Führungsrollen Feedback und Information Lernen – entscheiden – umsetzen Echter Führungsdialog Spielregeln und Grenzen

Abbildung 1: Formale Führungssysteme reduzieren Komplexität


Bei allen Entscheidungen stehen Unternehmer und Mitarbeiter gleichsam in diversen Spannungsfeldern:
  • Erreichen wir unsere Ziele mit einer zentralen, effektiven Organisation oder mit dezentralen, flexiblen Fähigkeiten? 
  • Welche Chancen nehmen Mitarbeiter wahr und bleiben gleichzeitig auf die relevanten Themen fokussiert? 
  • Inwieweit geht es darum, kurzfristige Leistung zu erzielen oder in künftige Marktchancen zu investieren? 
  • Inwieweit stimmen die persönlichen Interessen der Mitarbeiter mit dem Missionserfolg der Organisation überein? 

Idealerweise lösen Unternehmer und Mitarbeiter diese Konflikte, indem sie Entscheidungen im Sinne der Strategie, der Vision und der Werte fällen. Dabei richten sie ihre Entscheidungen und ihr Verhalten nach dem aus, was für sie Sinn macht. Die Herausforderung für Unternehmer ist, in ihren Organisationen das gemeinsame Verständnis und den Kontext für das zu schaffen, was wichtig ist

Unternehmer gestalten den gemeinsamen Sinn durch den Einsatz ihres Führungssystems [1]. Es liefert die Instrumente, Prozesse und Praktiken, welche den intensiven Dialog mit Führungskräften und Mitarbeitern über Ambitionen, Richtungen, Grenzen, Werte und Ziele ermöglichen. Mit diesen Systemen fällen modere Führungskräfte und Mitarbeiter intelligente Entscheidungen. Das Resultat ist effektive Delegation von Verantwortung.

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Abbildung 2: Führungssysteme Intelligente Führungssysteme übernehmen fünf Aufgaben.

Die Ausrichtung wird bestimmt durch die Strategie, die Ziele, die Fähigkeiten und die für die Umsetzung notwendigen Investitionen. Mit diagnostischen Prozessen verknüpft, fokussiert dies die Aufmerksamkeit von Mitarbeitern auf die wichtigen Dinge. Entscheidungen werden so gefällt, dass relevante Chancen wahrgenommen und Risiken minimiert werden. Dadurch entstehen gemeinsame Absichten als schlagkräftige Antwort auf die Herausforderungen des Marktes.

  Ausrichtung Umsetzung Diagnostiken Grundsätze Grenzen
Instrumente Strategie, Ziele, Abstimmung der Fähigkeiten und Investitionen Pläne und "Business Reviews" Messwerte, Information, Feedback Vision, Werte, Zielvereinbarung und Bewertung Mission, Führungsgrundsätze, Risiko Limiten
Vorteile Fokussieren die Aufmerksamkeit auf die wichtigen Dinge Bestimmen, was getan wird Ermöglichen informierte Entscheidungen Etablieren, wie Dinge getan werden Etablieren, wie Dinge getan werden
Resultate Schaffen gemeinsame Absichten Schaffen eine gemeinsame Agenda Schaffen ein gemeinsames Verständnis Schaffen gemeinsame Werte und Verhaltensweisen Schaffen gemeinsame Normen

Abbildung 3: Gestaltung von Führungssystemen

Solche diagnostische Prozesse stellen sicher, dass Mitarbeiter sinnvoll in die Diskussion über die Strategie, die Risiken und die Leistung der Organisation einbezogen werden. Diese Prozesse funktionieren als geschlossene Regelkreise mit Lernen, Entscheiden und Umsetzen als gemeinsame Prinzipien.  

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Abbildung 4: Ständiger Führungszyklus mit diagnostischen Prozessen

Die Umsetzung der Strategie wird durch den laufenden Dialog über Ziele, Leistung, Pläne und die kritische Bewertung der Resultate unterstützt. Diese Praktiken klären, was getan wird, und stellen die Performance sicher. Das Resultat dieses Dialogs ist die gemeinsame Agenda. Das heißt, Führungskräfte und Mitarbeiter setzen die gleichen Ziele um.

Mit den steigenden Anforderungen des Wettbewerbs und komplexeren Organisationen stehen Mitarbeiter oft vor widersprüchlichen Anforderungen. Oft führen diese zu Stress und limitieren die Leistungsfähigkeit. Stress kann auch dazu führen, dass der Fokus verloren geht oder schlimmer, dass Mitarbeiter ungewollte Kreativität entfalten und bestimmte Limiten überschreiten.

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Abbildung 5: Führungsdialog durch interaktive Praktiken

In wachsenden Organisationen – wenn Führungskräfte ihre Mitarbeiter nicht mehr jeden Tag sehen – sind interaktive Praktiken von zentraler Bedeutung. Sie ermöglichen, dass Führungskräfte mit echten Führungsgesprächen gezielt Einfluss auf Entscheidungen und das Verhalten der Mitarbeiter nehmen. Planungs-, Risiko- oder Leistungsgespräche verstärken die Koordination und stellen die Abstimmung von Zielen sicher. Koordination reduziert Doppelspurigkeiten über Organisationsgrenzen hinweg. Eine gute Abstimmung der Ziele verstärkt die gemeinsame Agenda über hierarchische Strukturen hinweg. Gleichzeitig erhalten Führungskräfte hiermit die Möglichkeit, Prioritäten zu setzen und bekommen gleichzeitig ein besseres Gespür für die Umsetzung der Strategie. So zu sagen ersetzen diese Praktiken den Unternehmer, ohne dessen Geist zu verlieren.

Diagnostiken stellen sicher, dass Organisationen die sich ständig verändernden Herausforderungen innerhalb und ausserhalb ihrer Grenzen im Auge behalten. Als Mess-, Informations- und Feedbacksysteme stellen sie sicher, dass Entscheidungen auf der Basis von Wissen und verlässlichen Information getroffen werden. Hierfür schaffen Diagnostiken das gemeinsame Verständnis über die Ziele und die Ausrichtung von Organisationen.

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Abbildung 6: Feedback Mechanismen durch formale Kontrollsysteme

In wachsenden Organisationen ist das Wissen bei den Mitarbeitern an der Peripherie. Diese treffen täglich viele kleine und größere Entscheidungen mit aktuellen Informationen von Kunden und vom Markt. Andererseits fällt der CEO wichtige Entscheidungen über die künftige Ausrichtung. Für all diese Entscheidungen müssen traditionelle Kontrollsysteme zusätzlich als interaktive Diagnostiken gestaltet werden. Durch Feedback Mechanismen verfügen Mitarbeiter und Führungskräfte gleichsam über relevante Informationen. Das Zentrum der Organisation bekommt damit eine neue Rolle. Es muss den Informationen von Mitarbeitern Bedeutung geben und Mitarbeitern Richtung vermitteln.

In diesem Sinne sind formale Kontrollsysteme mehr als nur Temperaturmesser in der Organisation. Sie helfen Mitarbeitern, Chancen und Risiken zu erkennen und ermöglichen so informierte Entscheidungen.

Grundsätze bestimmen die Motivation und das Verhalten von Mitarbeitern. Sie halten fest, wie Dinge getan werden. Mit der Vision, mit Werten und mit individuellen Zielen wirken Grundsätze als ständigen Antrieb für Organisationen. Das Resultat sind gemeinsame Einstellungen von Mitarbeitern. Organisationen werden hiermit verlässlich. Kunden, Aktionäre und Mitarbeitern schätzen es, wenn eine Organisation das liefert was sie verspricht.

Grenzen in Organisationen definieren die Spielregeln für die Entscheidungsfindung von Mitarbeitern. Hierfür stecken die Mission, Risikolimits und Führungsrichtlinien den Handlungsspielraum ab. Mitarbeiter wissen somit genau was innerhalb und außerhalb der Grenzen liegt. Oft werden diese gemeinsamen Normen auch als Governance beschrieben. Sie sind dann relevant, wenn sie als formale Grundlagen das gewünschte Verhalten bewirken.

Gemeinsame Normen stecken den Rahmen ab für das was "innerhalb" und "außerhalb" der Grenzen der Organisation liegt. Hiermit wissen Mitarbeiter nach welchen Maßstäben sie Entscheidungen treffen können, und sie richten ihr Verhalten nach diesen Werten aus. Als gemeinsame Verhaltensregeln entlasten sie Führungskräfte von mehr Detailkontrollen. Mitarbeiter entscheiden im Rahmen ihres Handlungsspielraumes selbständig und übernehmen Verantwortung.

Die Herausforderung ist, diese Prinzipien als Vision, Mission, Werte, Spielregeln und Risikolimits, so zu formulieren, dass diese nicht zur Farce werden oder Zynismus erzeugen. Wir kennen nur zu gut jene Leitbilder welche immer dann gelten, wenn es um die Suche von Fehlern oder um Schuldige geht, nicht aber, wenn diese einmalige Marktmöglichkeiten einschränken. Um das zu vermeiden, müssen diese Prinzipien spezifisch genug aber nicht zu detailliert sein. Nur so überleben sie die nächsten Veränderungen und dienen als echte Führungsinstrumente.

Wenn Pionier Organisationen grösser werden, helfen integrierte Führungssysteme den Führungskräften und Mitarbeitern, intelligente Entscheidungen zu treffen. Unternehmer können hiermit Verantwortung in ihrer Organisation effektiv delegieren und schaffen für Mitarbeiter die Voraussetzungen für mehr Sinn. Die Organisation ist hiermit bereit, grössere Herausforderungen anzunehmen.

 

Fußnoten:
[1] Michel L., Seemann P., How CEOs Organize their Sphere of Power, Critical Eye Review Online, Oxford, Juni 2005.

 

lukas-michel.jpgDer Autor:
Lukas Michel ist Gründer von i3 Performance Solutions und berät CEOs und deren Teams bei der Organisation von Verantwortung, in Entscheidungsfindung und Performance. Als CEO und Mitglied der Geschäftsleitung diverser internationaler Organisationen hat er vielen Führungskräften in unterschiedlichen Kulturen zum Erfolg verholfen. Er spricht regelmäßig an Konferenzen und publiziert in den Bereichen Führung, Performance und Entscheidungsfindung.

Download des vollständigen Beitrages: Wenn Pioniere größere Herausforderungen wahrnehmen.pdf



letzte Änderung Lukas Michel am 16.05.2022

Literaturhinweise
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