Pilotenstreik bei Lufthansa durch Missverständnis im Controlling

Die Erfolgskennzahl der Lufthansa: EAT - Earnings after taxes

Dr. Peter Hoberg
Am 14. November 2016 konnte der erstaunte Controller lesen, warum die Piloten der Lufthansa unter Führung der Spartengewerkschaft "Vereinigung Cockpit" (VC) ein kurz vorher unterbreitetes Gehaltsangebot der Lufthansa abgelehnt haben.

Der Pressemitteilung von VC ist zu entnehmen, dass die Lufthansa die letzten 5 Jahre 5 Milliarden Euro Gewinn gemacht hätte und jetzt kein Geld für eine faire Entlohnung der circa 5000 Piloten (von 10.000) ausgeben wolle. Betroffen sind die privilegierten Piloten insbesondere von Lufthansa und Germanwings, während andere Piloten der Gruppe deutlich niedriger entlohnt werden.

Gefordert wurden 18 Prozent, um den Lohnerhöhungsstopp (nicht Lohnstopp wie man manchmal lesen kann) der letzten 5 Jahre auszugleichen. Das Argument hört sich auf den ersten Blick schlüssig an. Allerdings stimmt es nicht mit den Tatsachen überein. Dies ist besonders bitter, weil das Lufthansa Controlling die betriebswirtschaftlich richtigen Gewinngrößen ausweist, dies aber der VC wohl nicht vermitteln konnte. Oder die VC wollte es nicht verstehen…

In jedem Fall sollten die Grundlagen neutral aufbereitet sein, so dass jeder Gutwillige sich seine Meinung bilden kann.


1. Übliche Gewinngrößen

Es gibt eine große Anzahl von Gewinngrößen. Zunächst ist zu unterscheiden, ob die Gewinne sich auf das interne oder das externe Rechnungswesen stützen. Da für den Außenstehenden nur die publizierten Daten des externen Rechnungswesens zur Verfügung stehen, soll von diesen ausgegangen werden. Die Lufthansa berichtet besonders das EBIT (Earnings before interest and taxes) und den Jahresüberschuss (EAT = Earnings after taxes). Auf weitere vorgelagerte Gewinngrößen wie Ebitda, Ebita, Bruttoergebnis usw. wird hier nicht weiter eingegangen. Auch das EBT (Earnings before taxes) ist in diesem Zusammenhang nicht so wichtig. Gemäß den jeweiligen Geschäftsberichten der Lufthansa haben sich in den letzten 5 Jahren die folgenden Daten ergeben:

lufthansa1.jpg
Abb. 1: Ebit und Eat der LH-Gruppe in den Jahren 2011 bis 2015

Man sieht, dass nur die Summe der Ebits in etwa 5 Milliarden Euro über die letzten 5 Jahre ausmacht. Aber diese Größe enthält weder die Abzüge für Fremdkapitalzinsen noch die für Ertragssteuern. Dies ist erst für das Eat der Fall, das zeigt, welcher Betrag für die Eigenkapitalgeber zur Verfügung steht. Er kann ausgeschüttet oder thesauriert werden.

Es sei angemerkt, dass VC das schwache Eat des Jahres 2011 durch eine Prognose des Jahres 2016 ausgetauscht hat. Damit würden laut VC die Konzernergebnisse (Eat) 5 Milliarden Euro erreichen. Aber auch mit dieser Interpretation der letzten 5 Jahres sind die Eigenkapitalkosten noch nicht berücksichtigt, zumal im Ebit und Eat die hohen Belastungen durch die Erhöhung der Rückstellungen für die Pensionsverpflichtungen aufgrund der Senkung des Abzinsungsfaktors nicht abgebildet sind.

Wichtig ist nun die Frage, ob die Eigenkapitalgeber eine akzeptable Verzinsung für das zur Verfügung gestellte Aktienkapital erhalten haben. Denn die Lufthansa steht auch auf der Finanzierungsseite im Wettbewerb und muss die Eigenkapitalgeber immer wieder überzeugen, ihr das Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Diese Eigenkapitalkosten müssen berücksichtigt werden.

2. Betriebswirtschaftlich korrekte Gewinngrößen

Um die kompletten Kapitalkosten sachgerecht abbilden zu können, hat die Lufthansa die Größe Eacc (Earnings after cost of capital) etabliert. Sie ist nach Ertragssteuern definiert. Und die Definition des "capital" umfasst nicht nur das Fremdkapital (wie das Eat), sondern auch das Eigenkapital, was ebenfalls angemessen verzinst werden muss. Diese Verzinsung wird über das CAPM (Capital Asset Pricing Modell) abgeleitet, welches das höhere Risiko für das Eigenkapital berücksichtigt und für den Eigenkapitalgeber eine Risikoprämie vorsieht (vgl. hierzu das Standardwerk Brealey/Myers/Allen, S. 183 ff.).

Wenn das Eacc positiv ist, sind alle Stakeholder bedient worden und die Lufthansa hat Wert geschaffen. Erst ein positives Eacc könnte verteilt werden, obwohl es ja eigentlich den Eigenkapitalgebern zusteht.
Die folgende Eacc-Werte lassen sich der Roadshow 2015 (S. 45) der Lufthansa entnehmen (Zinssatz (wacc): 5,9%):

Lufthansa2.jpg
Abb. 2: Earnings after cost of capital (Eacc) der LH-Gruppe in den Jahren 2011 bis 2015

Die Zahlen zeigen deutlich, dass es der Lufthansa in den letzten Jahren nicht gelungen ist, Werte zu schaffen. Gegenüber dem normalen Anspruch haben die Aktionäre in Summe 748 Millionen Euro verloren. Die stark schwankenden Werte unterstreichen die Einschätzung, dass die Aktionäre eine Risikoprämie erhalten müssen.

Auch wenn der Vergleichszeitraum wieder ein Jahr nach hinten (also auf 2012 bis 2016) geschoben wird, entsteht keine hohe Summe, selbst bei der Annahme, dass das Eacc des Jahres 2015 wieder erreicht wird. Für die Argumentation in der Gehaltsfindung ist die Schlussfolgerung einfach: Die angeblich zur Verfügung stehenden hohen Gewinne sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht vorhanden.

3. Schlussfolgerung

Die methodisch korrekte Ermittlung von Gewinnen muss die Entlohnung aller Stakeholder beinhalten. Während dies für Personal, Lieferanten, Kreditgebern usw. immer durchgeführt wird, werden die Eigenkapitalkosten häufig nicht berücksichtigt. Aber erst wenn die Eigenkapitalgeber eine faire Entlohnung erhalten haben (was auch eine Risikoprämie umfassen muss), hat ein Unternehmen erfolgreich gearbeitet.

Bei der Lufthansa hat in den letzten Jahren im Durchschnitt keine Wertschaffung stattgefunden (so dass die Aktionäre nicht viel Spaß hatten). Insofern stehen auf dieser Seite keine Beträge zur Verfügung, um Gehaltserhöhungen ohne Probleme durchführen zu können. Es wäre zu wünschen, dass die VC dieses als falsch entlarvte Argument nicht mehr anführt.



letzte Änderung W.V.R. am 30.08.2024
Autor:  Dr. Peter Hoberg
Bild:  Ingrid Friedl / Lufthansa

Literaturhinweise
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03.12.2016 14:32:10 - Winnie

Grundsätzlich nachvollziebar.

Aber ohne Nennung der konkret eingepreisten Zinssatzes für die geforderte Aktionärsverzinsung bleibt es sehr vage.

Es wurden evtl. nicht “keine Werte“, sondern “nur“ nicht die geforderten/gewünschten Werte geschaffen.

Statt 12 % vielleicht nur 8 % EK-Rendite?

Wäre ja für viele Leute auch in Ordnung. ;)
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08.12.2016 15:42:25 - Steph

..also das im EBIT und im EAT die Rückstellungen für die Pensionsverpflichtungen der
Flugkapitäne (und übrigens auch der Vorstände) nicht enthalten sein sollen...,da möchte ich schon wissen, wie der Jahresüberschuss ermittelt wurde.

Dann stellt sich auch die Frage, warum nicht der EBITDA als Grundlage herangezogen wird, dieser ist wesentlich Aussagekräftiger.

Und das man nun den Streikenden unterstellt, dass sie nicht an die Aktieninhaber denken, finde ich schon extrem abgehoben. Mag ja sein, dass der Streik nicht in Ordnung ist, dies aber mit betriebswirtschaftlichen Argumenten zu begründen und sogenannte "Eigenkapitalkosten" in die Gewinnermittlung hineinzurechnen...das geht überhaupt nicht.

Wenn man schon rechnen will, dann bitte richtig.
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10.12.2016 11:53:13 - Alex

Die Berechnung des EAT ohne Berücksichtigung von Pensionsverpflichtungen finde ich auch sehr fragwürdig. Diese sollten definitiv bereits vorher berücksichtigt sein. Ggf. sind nur finanzmathematische Gewinne / Verluste mit Wirkung aufs OCI gemeint, was aus dem Artikel allerdings nicht hervorgeht.
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19.12.2016 23:13:36 - Mike

0. "...die letzten 5 Jahre 5 Milliarden Euro Gewinn..." Diese 5 Mrd. beziehen sich, wie man es aus dem Text liest, aus dem Ebit 2011..2015 laut der ersten Tabelle. Was hat das Ebit mit einem "Missverständnis im Controlling" zu tun? Ebit als Kennzahl des ext. ReWe nach IFRS versus Controlling als (Teil des) int. ReWe?
Andererseits ist EBIT auch nicht gleich Gewinn, also eine falsche Aussage von Leuten, die es eigentlich wissen müssten. Die Summe der Eat von ~ 3 Mrd. wäre offensichtlich richtiger.

1. in der Aussage zu 0. wurde nichtmal um ein Jahr verschoben. Das angeblich so schlechte Jahr 2011 ist mit einem Ebit von 734 Mio. € trotzdem in den 5 Mrd. enthalten.

2. Die Verschiebung im Betrachtungszeitraumes um ein Jahr wäre trotzdem durchaus legitim. Hier sollen schliesslich Löhne für die Folgejahre ausgehandelt werden. Wie in den meisten Planungsrechnungen kann auch hierbei auf die Prognosewerte des laufenden Jahres und nicht nur auf die IST-Werte des letzten abgelaufenen Wj/Gj's aufgesetzt werden.

3. Natürlich sind die Erhöhungen der Rückstellungen für Pensionen im Eat enthalten, wie sonst sollte die Lufthansa diese sonst in die Bilanz bekommen? Per Umwandlung von EK oder Lohnverbindlichkeiten???

4. Das an die Anteilseigner ausschüttbare Ergebnis wird nach allen Kosten aus dem Gewinn (Eat) ermittelt. Die Einführung einer konzern-eigenen "Hilfsvariable" namens Eacc ist zwar ein Argument in den Lohnverhandlungen, aber bei weitem keine Diskussionsgrundlage.
Interessiert die IG-Metall derartige Kennzahlen bei den Verhandlungen mit den ebenfalls im globalisierten Wettbewerb stehenden Unternehmen? Auch andere AGs müssen ihren Aktionären eine "vernünftige" Dividende anbieten.

5. "(so dass die Aktionäre nicht viel Spaß hatten)" Seit wann geht es um Spaß? Wenn, dann geht es um Freude an der höheren Entlohnung des angelegten Kapitals. Spaß ist, wenn man drüber lachen kann ("Einen Spaß machen").
Der Aktionär bekommt, was (im besten Falle geplant) übrig bleibt. Ohne den Produktionsfaktor Arbeit gäbe es nämlich gar nix.
[ Zitieren | Name ]

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