Das Phänomen "Unternehmenssynergien" hat im Zusammenhang mit der Rechtfertigung von M&A-Transaktionen eine herausragende Bedeutung erlangt. Viele externe Wachstumsstrategien, aber auch Akquisitionen und Fusionen im Rahmen von Konsolidierungs-/Restrukturierungsstrategien sind durch die in Aussicht gestellten Synergien des Managements motiviert. In besonderem Maße trifft dies auch auf
M&A-Transaktionen zu, die in der aktuellen globalen Wirtschaftskrise erfolgen. In der Mehrzahl der Fälle werden indessen die Synergieerwartungen, die sich an die Zusammenschlüsse knüpfen, zumindest aus der Perspektive der Eigentümer des Käuferunternehmens nicht erfüllt. [1,2,3]
Dieser Befund macht deutlich, dass ein intensiveres Verständnis für das Entstehen, Ausbleiben und Bewerten der angestrebten Synergien der Eigentümer des Erwerbers entwickelt werden muss. Im folgenden Beitrag soll gezeigt werden, wie die mit der Analyse und Bewertung verbundenen Risiken durch die Implementierung eines
Synergiecontrollings, maßgeblich reduziert werden können. Der Fokus der Betrachtung liegt hierbei auf der
Pre-Merger-Phase.
Begriff der Synergien und Dyssynergien
In der betriebswirtschaftlichen Literatur existieren unterschiedliche Definitionen zum Begriff der Synergien bzw. Dyssynergien. Die Begriffe werden dort verwendet, wo durch das Zusammenwirken oder die Kombination von Eigenschaften und Faktoren das "Ganze" (Unternehmen) andere Eigenschaften aufweist, als die Summe seiner Teile. Mit der Realisierung von
Synergiepotentialen sollen Verbesserungen der unternehmerischen Leistungsfähigkeit einhergehen und in eine langfristige Unternehmenswertsteigerung münden. Es darf jedoch nicht der Eindruck entstehen, dass es sich bei Synergien ausschließlich um mögliche positive Wirkungen und Ergebnisse handelt.
Gerade im Zusammenhang mit
Mergers & Acquisitions müssen mögliche negative Wirkungen und Ergebnisse, sog. Dyssynergien, berücksichtigt werden. Dyssynergien beinhalten neben den Aufwendungen, die zur Realisierung von Synergiepotentialen notwendig sind, auch alle sonstigen negativen Eigenschaften des "Ganzen", die aus Verbundnachteilen entstehen können. Erst die Zusammenführung von Synergie- und Dyssynergiepotentialen führt zum "
Netto-Synergiepotential". Die Potentialbezeichnung weist darauf hin, dass sich weder Synergien noch Dyssynergien zwangsläufig in einem bestimmten Ausmaß einstellen, sondern dass deren positives Ausmaß der Realisierung (Synergien) bzw. deren Ausmaß der Vermeidung (Dyssynergien) durch zielgerichtete Maßnahmenbündel beeinflusst werden kann.
Der Prozess des Synergie-Controllings im Rahmen von Mergers & Acquisitions
Die Aufgabe des Synergiecontrollings besteht darin, für einen Planungs- und Steuerungsapparat zu sorgen, der darauf hinwirkt, dass die Unternehmung (Erwerber) aus dem Netto-Synergiepotential einer M&A Transaktion den maximalen Beitrag zum Unternehmenswert für seine Eigentümer realisiert.
Kernelemente eines Synergiecontrollings sind a) im Rahmen der
Pre-Merger Phase: die systematische Identifikation, Kategorisierung, Quantifizierung und Bewertung der angestrebten Synergieeffekte sowie der unweigerlich entstehenden Dyssynergien sowie b) im Rahmen der
Post-Merger Integration Phase: die systematische Realisierung der Synergieeffekte sowie die Vermeidung der Dyssynergien.
Eine erfolgreiche Implementierung eines Synergiecontrollings setzt voraus, dass der Prozess- und Projektcharakter von M&A-Projekten im Controlling organisatorisch in geeigneter Form abgebildet wird. Idealtypisch müssen die projektverantwortlichen
Controller bereits in der Pre-Merger-Phase vollständig eingebunden sein und den Prozess bis zum Abschluss der Post-Merger-Integration "begleiten". Synergiecontrolling ist eine hoch komplexe Aufgabe, die sowohl exzellente Kenntnisse des eigenen Unternehmens (
Inhouse-Expertise) wie auch eine tiefgehende Einbindung in den
Due-Diligence-Prozess des Zielunternehmens voraussetzt.
Darüber hinaus ist eine langjährige Erfahrung in Mergers & Acquisition-Prozessen und der Bewertung von Synergiepotentialen unerlässlich. Ganzheitliche Synergiecontrolling-Prozesse erstrecken sich oftmals über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Die enorme Bedeutung von Mergers & Acquisitions für den Erfolg eines Unternehmens macht deutlich, dass es sich hierbei um eine Top-Management-Aufgabe handelt. Innerhalb einer Projekt- bzw. Stabsorganisation berichtet das Synergiecontrolling deshalb im Regelfall direkt an den
CFO.
In die Unternehmenspraxis finden diese Überlegungen häufig keinen oder nur in unzureichendem Maße Eingang. Vielfach erfolgt die Pre-Merger-Phase (Mergers & Acquisitions im engeren Sinne) ohne intensive Einbindung erfahrener Synergie-Controller. Nicht selten muss diese Aufgabe parallel zum Tagesgeschäft erledigt werden. Erst nach Abschluss der Transaktion und mit Start der Post-Merger-Integration-Phase beginnt das Synergiecontrolling tatsächlich.
In der unzureichenden Synchronisierung von M&A-Prozessen und Synergiecontrolling liegt eine der wesentlichen Ursachen für die meist zu positiven Einschätzungen der Netto-Synergiepotentiale. M&A-Prozesse sind überwiegend hoch kompetitive
Bieterwettbewerbe. Die Analyse und Bewertung der Synergiepotentiale und die Entscheidung ob und in welchem Ausmaß die Bieter bereit sind, einen Teil dieser Netto-Synergiepotentiale bereits zum Abschluss der Transaktion zu bezahlen, ist oftmals ausschlaggebend für den Zuschlag. Die überhöhten Kaufpreise (
Synergieprämien) in Verbindung mit den tatsächlich realisierten Netto-Synergien wirken meist nicht wertsteigernd für die Eigentümer der Bieter oder vernichten oftmals sogar massiv deren Unternehmenswert.
Identifikation und Kategorien von Synergiepotentialen
Eine Zuordnung der unterschiedlichsten Formen von Synergiepotentialen zu verschiedenen Kategorien ermöglicht eine frühzeitige, grobe Einschätzung, um welche Variante von Synergiepotentialen es sich im Wesentlichen handelt. Daraus können Erkenntnisse hinsichtlich möglicher gemeinsamer Merkmale einzelner Kategorien von Synergiepotentialen wie z.B. Chance-/Risiko-Profile, kritische Erfolgsfaktoren etc. abgeleitet werden. Auch wenn jeder Einzelfall ein komplexes Projekt darstellt und im Ergebnis zu vollkommen unterschiedlichen Potentialprofilen führen wird, so lassen sich doch mögliche, typische Charakteristika der einzelnen Kategorien identifizieren.
Eine
Variantenmatrix kann den
Entscheidungsträgern dabei helfen, sich einen ersten systematischen Überblick über die geplanten Synergiepotentiale zu verschaffen. Es bestehen fundamental unterschiedliche Anforderungen und
Chance-/Risiko-Profile zwischen einzelnen Varianten. Synergiepotentiale aus strukturellen Veränderungen wie etwa aus einer geplanten Zusammenlegung wesentlicher Produktionsstandorte unterscheiden sich maßgeblich von rein
operativen Kostensenkungsmaßnahmen im Rahmen der Zusammenlegung von Verwaltungsfunktionen. Diese Unterschiede müssen sowohl bei der Bewertung, aber auch auch bei der Frage der Zahlungsbereitschaft für Synergieprämien berücksichtigt werden.
Kategorie der Synergie
|
Ausprägung (Beispiele)
|
Höhe des Synergie-potentials
|
Risikoprofil in der Synergie- Realisierung
|
Umsetzungs-dauer für die Realisierung
|
Verantwortlicher GF / Vorstand
|
Strukturell
|
- Standortsynergien (Zugang zu LCC-Standorten, Zusammenlegung von Standorten bzw. Wertschöpfungsstufen, Verlagerung von Wertschöpfungsstufen
|
Großes Potential auf der Kostenseite
|
Teilweise sehr hohes Risiko und sehr hohe Dyssynergien
|
bis zu mehreren
Jahren
|
Produktions-vorstand
|
Strategisch
|
-
Synergien im Produkt- und Dienstleistungsportfolio (neue Produkte)
- Synergien in der Marktbearbeitung (neue Märkte, z.B. gemeinsame Nutzung Vertriebsgesellschaften, Kooperationspartnerschaften, Händlernetzwerke etc.)
- Synergien im Geschäftsmodell (z.B. vertikale bzw. horizontale Integration in der Wertschöpfungskette, neue Technologien, F&E-Kompetenz, Markennutzung etc.
|
Großes Potential auf der Umsatzseite
|
Oftmals hohe interne Barrieren und Risiko von Dyssynergien; Konjunkturzyklus und Timing sind oft entscheidend
|
Meist nur mittel- bis langfristig zu realisieren
|
CEO
|
Operativ
|
-
Umsatzausweitung (Preis- und- oder Mengenwachstum mit bestehendem Produktportfolio in bestehenden Märkten), Kostensekungen (Material, Personal, Sachkosten)
|
Potential auf der Kostenseite
|
Oftmals hohe interne Barrieren in der Realisierung
|
Meist kurzfristig zu realisieren
|
CEO
|
Finanziell
|
|
Potential auf der Kostenseite
|
Oftmals auch hohe Dyssynergien (Kapitalmarkt-standard)
|
Kurz- bis mittelfristig zu realisieren
|
CFO
|
Kulturell
|
|
Potential sowohl auf der Kostenseite wie auch Umsatzseite
|
Pre-Merger-Einschätzung sehr schwierig, hohes Risiko von Dyssynergien
|
Meist nur langfristig zu realisieren
|
Personalvorstand
|
Quantifizierung von Synergiepotentialen
Ein häufig vernachlässigter Punkt ist die systematische Auseinandersetzung mit
Synergiewerten hinsichtlich Ihrer Einflussnahme auf die Bestimmung des Unternehmenswertes des Zielobjekts sowie der möglichen Synergieprämie. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich:
- in einem ersten Schritt einen "objektiven Stand-alone-Unternehmenswert" auf Basis der vom Bieter verwendeten Methode der Unternehmensbewertung für beide Gesellschaften, die in den Merger involviert sind, getrennt zu ermitteln. Die erwarteten Cashflows werden jeweils einzeln mit ihren zugehörigen WACC-Sätzen diskontiert (Annahme: DCF-Methode).
- In einem zweiten Schritt wird der Unternehmenswert eines Zusammenschlusses der beiden Unternehmen durch Addition der beiden Einzelwerte ermittelt.
- In einem dritten Schritt werden die Synergie und Dyssynergieeffekte eingebaut und der Unternehmenswert des Unternehmensverbundes auf Basis der geplanten Cashflows des Unternehmensverbundes und des neuen WACC-Satzes ermittelt.
Die Differenz beider
Unternehmenswerte stellt den Netto-Synergiewert dar. Es ist wichtig, dass in diesem Zusammenhang der Netto-Synergiewert von einem "
Value of Control" klar getrennt bleibt. Der "Value of Control" ist der Anteil der
Unternehmenswertsteigerung, der durch die Übernahme der Kontrolle des Zielunternehmens durch den Bieter und seine unterstellten Fähigkeiten, das Unternehmen "stand-alone wertsteigernd zu managen" entsteht. [4]
Durch eine klare Unterscheidung zwischen Netto-Synergiewert und Value of Control wird sichergestellt, dass es erstens nicht zu einer Vermengung und Doppelzählung beider Effekte kommt und zweitens die im Anschluss an die Quantifizierung regelmäßig zu erfolgende Verteilung des Nettosynergiewerts und des Value of Control zwischen Bieter und Zielobjekt kausal voneinander getrennt bewertet und verhandelt wird.
Synergieprämien in seiner Mergers & Acquisitions
Wenn Synergien in
Mergers & Acquisitions-Transaktionen Unternehmenswert generieren, stellt sich unmittelbar die Frage, in welchem Ausmass der Netto-Synergiewert zwischen den Eigentümern des akquirierenden Unternehmens und des Zielunternehmens aufgeteilt wird.
Das Auftreten von
Synergiewerten erfordert sowohl die Eigenschaften des bietenden Unternehmens, wie auch des Zielunternehmens. Der Anteil des Bieters am Synergiewert hängt davon ab, wie einzigartig bzw. spezifisch seine Eigenschaften in Bezug auf die Realisierung des Synergiewertes sind. Synergiewerte, die im Extremfall ausschließlich von einem Bieter zu realisieren sind, sollten von den Eigentümern dieses Bieter auch weitgehend vollständig für sich reklamiert werden. Das Zielunternehmen kann diesen spezifischen Synergiewert also mit keinem anderen Bieter realisieren. Synergiewerte, die das Zielunternehmen auch mit vielen anderen Bietern realisieren kann, werden auch in starkem Ausmass von den Eigentümern des Zielunternehmens beansprucht werden.
Im Rahmen der
Operationalisierung der Spezifität bzw. Einzigartigkeit (der Eigenschaften) des Bieters müssen die wesentlichen Quellen des Nettosynergiewertes auf die einzelnen Synergiekategoerien aufgeteilt werden. Innerhalb jeder Kategorie muss überprüft werden, wie einzigartig und spezifisch die Eigenschaften des Bieters in Bezug auf den Nettosynergiewert sind.
In der Praxis zeigen viele Studien, dass der überwiegende Teil der Synergiewerte in Mergers & Acquisitions von den Eigentümern der Zielunternehmen vereinnahmt werden. [5,6] Dieser Befund führt die Argumentation und Motivation von Mergers & Acquisitions durch die in Aussicht gestellten Synergien durch das Management des Bieters ad adsurdum.
Wenn die
Bieter-Eigentümer nicht auch zukünftig bereits vorab große Teile möglicher Synergiewerte im Rahmen von überzogenen Synergieprämien an die Eigentümer der Zielunternehmen "verschenken" wollen, deren Realisierung sich im Rahmen der Post-Merger-Integration erst noch durch harte
Managementarbeit materialisieren muss, so müssen Sie zukünftig deutlich restriktiver und disziplinierter bei der Bewertung und Verteilung von Synergieprämien vorgehen.
Fazit
Das Phänomen der
Unternehmenssynergien wird auch zukünftig eine bedeutende Rolle im Rahmen von Mergers & Acquisitions spielen. Durch die Implementierung eines Synergiecontrollings im Rahmen der Pre-Merger Phase können maßgebliche Verbesserungen in der Analyse und Bewertung von Synergiepotentialen realisiert werden. Darüber hinaus schaffen die Ergebnisse dieses
Synergiecontrollings die notwendige Transparenz für Eigentümer und Kontrollgremien, die für die Einschätzung von Synergiepotentialen und Synergieprämien zwingend erforderlich ist.
Quellen:
[1] Vgl. Sirower, M.L., Der Synergie-Effekt. Chancen und Risiken von Fusionen für Unternehmer, München 2001
[2] Vgl. Bühner R., Spindler, H.-J., Synergieerwartungen bei Unternehmenszusammenschlüssen, In:1986, S.601-606
[3] Vgl. BAIN & COMPANY, Results Newsletter: Mit Disziplin zur Meisterschaft, München Nov. 2004
[4] Details zum Value of Control, Vgl. Aswath Damodaran, Stern School of Business, The Value of Control, Working Paper 2005
[5] Moeller, S.B., F.B. Schlingemann and R.M. Stulz, 2004, Wealth Destruction on a massive Scale? A Study of Acquiring Firm Returns in the recent Merger Wave, Journal of Finance. V60, 757-792
[6] Aswath Damodaran, Stern School of Business, The Value of Control, Working Paper 2005
Download des vollständigen Beitrages:
Synergiemanagement im Rahmen von Mergers & Acquisitions.pdf
letzte Änderung Dipl. Kfm. Armin Bire
am 26.08.2022
Bild:
Dipl. Kfm. Armin Bire, ADCURAM Group AG
|