Neulich im Golfclub: Multiples Staatsversagen bei Hybrid-Fahrzeugen

Dr. Peter Hoberg
Es war wieder soweit. Nach einer anstrengenden Woche trafen sich die erfolgreichen Unternehmer der Kleinstadt wieder im örtlichen Golfclub, weniger des Sportes wegen, sondern hauptsächlich, um unter sich zu sein. Sie saßen im gemütlichen Kaminzimmer und wurden von Ihrer Lieblingskellnerin Pauline bedient. Sie war BWL-Studentin und freute sich schon immer auf die Unternehmerrunde. Neben den großzügigen Trinkgeldern gab es häufig amüsante Streitgespräche, im Laufe derer die Unternehmer ihr Praxisferne vorwarfen, sie aber häufig mit neuen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen ganz frisch aus der Vorlesung für Verblüffung sorgen konnte. Dies war für die erfolgsgewohnten Unternehmer nicht ganz unwichtig, denn als Patriarchen der alten Schule gab es in ihren Unternehmen keine ausgeprägte Diskussionskultur. Viele ihrer Mitarbeiter hatten sich damit abgefunden, dass der Chef immer Recht hatte und wagten kaum noch, auf Probleme hinzuweisen. Auch deswegen war der Golfclub nützlich, denn von Kollegen konnte man ja Ratschläge (und natürlich Aufträge) annehmen.

Der Ablauf der munteren Runde startete immer gleich. Nachdem jeder unaufgefordert sein Lieblingsgetränk erhalten hatte, wurde gefragt: "Nun, Paulinchen, was hast du denn diese Woche Besonderes an der Hochschule gelernt?" Meist wurde noch ein Studentenwitz angehängt (schön, dass du uns zuliebe schon um 15 Uhr aufgestanden bist).

Förderpolitik für Hybrid-Autos zum Haare raufen

An diesem Tag raufte sich Dieter Durchblick, der Wirtschaftsredakteur, die Haare: "Ich fasse es nicht, wie schlecht wir regiert werden." Die anderen Mitglieder der edlen Runde nickten zustimmend. "Meinst Du die Steuerpolitik (das Lieblingsthema der Runde) oder Corona?", wurde er gefragt.
"Nein", antwortete er: "Ich meine eines der wichtigsten Themen unserer Zeit, den Klimawandel. Hier liegt multiples Staatsversagen vor!"

Es erhob sich ein großes Durcheinander, weil ein jeder einen anderen unsinnigen Beschluss bezüglich der Klimawende zur Sprache bringen wollte. Schließlich wollte Pauline von Dieter Durchblick wissen, was er dieses Mal im Speziellen meinte. Sie war schon gewohnt, dass einige Diskussionen sehr durch die unternehmerische Brille geführt wurden. Aber bei Dieter Durchblick hörte sie immer besonders aufmerksam zu.

"Also stellt Euch Folgendes vor", begann er: „Ihr habt einen dieser beliebten großen Geländewagen (SUV) mit einem Gewicht von über zwei Tonnen, was sicherlich eine Katastrophe für die Umwelt ist. Bei der Produktion, im Verbrauch und auch in Flächenbeanspruchung sind solche Fahrzeuge eigentlich nicht zumutbar, außer bei sehr seltenen Sonderanwendungen."

Alle stimmten zu, auch wenn einige diese "Stadtpanzer" gekauft hatten, mit denen dann die Ehefrau die Kinder zur Schule brachte. Durchblick fuhr fort: "Jetzt stellt Euch vor, dass Ihr diese Fahrzeuge noch größer und ca. eine halbe Tonne schwerer macht. Wie ist das zu beurteilen?"

"Blöde Frage", kam die Antwort von Bernhard Birkenstock, dem Leiter der Biomarktkette: "Dann wird die Katastrophe noch größer."

"Wie nicht anders zu erwarten bei unserer Regierung, passiert bei dieser Addition genau das Gegenteil – auf dem Papier", behauptete Durchblick. Der Protest war allgemein.

Kurt Kappe: "Wenn schon der Zweitonnenpanzer bestimmt zehn Liter pro 100 Kilometer benötigt, kann es ja nur schlimmer werden, wenn das Fahrzeug noch schwerer und größer wird. Pauline, weißt du, wieviel CO2 bei zwhn Litern ausgestoßen wird?“

Pauline war gut im Kopfrechnen, was sie bei der Kellnerei auch jede Woche trainieren konnte: "Wir haben in einer Fallstudie an der Hochschule gelernt, dass ein Liter Benzin bei der Verbrennung zu ca. 2,33 kg Ausstoß an CO2 führt. Das wären dann bei 10 L/100 km ca. 23,3 kg pro 100 km oder 233 g pro km.“

Stefan Steuer, der Chefcontroller eines großen Markenartiklers, lobte Pauline: "Gut, das ist deutlich mehr als das Doppelte des für 2021 gültigen Grenzwertes von 95 g pro km und mehr als das Dreifache der zukünftigen Grenze in 2025."

Durchblick: "Der Trick liegt darin, dass die 400 bis 500 Kilogramm Zusatzgewicht auf einen zusätzlichen elektrischen Antriebsstrang inklusive Akku zurückzuführen sind. Damit erhält man einen Hybrid, der mit Strom und/oder Benzin fahren kann, was sich zunächst nicht schlecht anhört."

"Und wieso wird der CO2-Ausstoß jetzt weniger, wenn das Auto schwerer und größer wird?", wollte man wissen. Durchblick antwortete: "Ihr müsst schon ordentlich Ideologie zu Hilfe nehmen, wenn Ihr das verstehen wollt. Die Politik will unbedingt E-Fahrzeugen zum Durchbruch verhelfen. Daher hat man beschlossen, dass Fahrzeuge mit hybriden Antriebskonzept entgegen der Wirklichkeit als weitgehend sauber eingestuft werden, indem der Elektrobetrieb für CO2-neutral erklärt wird."

"Willst Du sagen, dass der elektrisch bedingte CO2-Ausstoß gar nicht gerechnet wird?", kam als Frage. Durchblick: "Genau, statt den 233 g CO2 pro km wird nur der Benzinanteil gewertet, der noch nach Leerfahren des Akkus von den 100 Kilometer übrig bleibt. So gehen die großen SUV-Hybriden von BMW, Audi, Mercedes, Volvo usw. mit 20 bis 40 g CO2 pro km in die Rechnung ein. Und selbst wenn es viel mehr wäre, würde der CO2-Ausstoß auf dem Papier – und nur dort – auf 50 g reduziert, wenn der Hybrid theoretisch 50 elektrische Kilometer schafft. Ab 2022 gelten 60 Kilometer, ab 2025 80 Kilometer.“

Hein Blöd, ein begeisterter Anhänger der Regierung (zumindest war er es vor dem Impfchaos) war sauer: "Du willst uns wohl für blöd verkaufen. Das kann nicht sein. Ich informiere mich und stelle das beim nächsten Mal richtig." Auch die anderen Teilnehmer wollten sich schlau machen, bevor man weiterdiskutierte. Zu unwahrscheinlich erschien ihnen die Geschichte. Insofern schimpfte man wieder über die zu hohen Einkommensteuern, wo sich alle einig waren.

Am nächsten Samstag sah Hein Blöd ziemlich verlegen aus (er hatte sogar überlegt, ob er absagen sollte): "Ich muss zugeben, dass durch die Aufrüstung zum Hybriden der offizielle CO2 Ausstoß dramatisch gesenkt wird, obwohl insb. Dienstwagenfahrer kaum elektrisch fahren." Allerdings kam ihm Dirk Dreimalschlau, der Marketingberater, zu Hilfe: "Ja, aber wenn wir den Wagen nur elektrisch betreiben, ist er ja sauber."

Kurt Kappe entgegnete ihm: “Für dich kommt der Strom wohl aus der Steckdose.“ Dreimalschlau versuchte, sich zu wehren: "Wenn ich erneuerbaren Strom nutze, ist doch alles ok."

Da griff Konrad Kolben, der Besitzer einer Autoreparaturkette in die Diskussion ein: "Das ist leider ein verbreitetes Missverständnis. Zusätzlicher Strom kommt fast ausschließlich aus fossilen Kraftwerken, weil der erneuerbare Strom in Deutschland immer zu 100 Prozent abgenommen wird, auch wenn er manchmal verschenkt werden muss. Weniger CO2 geht also nur über einen geringeren Energieverbrauch, weil dann fossile Kraftwerke abgeschaltet werden."

Dieter Durchblick fasste zusammen: "Wenn der Verbrauch der Hybride in CO2 Ausstoß umgerechnet werden soll, muss natürlich auch der Stromverbrauch mitgezählt werden. Wenn wir für fossile Energie ganz grob mit 800 g CO2 pro kWh rechnen, so führt ein elektrisch zurückgelegter Kilometer bei einem Verbrauch von ca. 30 kWh pro 100 km zu einem zusätzlichen Ausstoß von 240 g CO2. Das ist sogar mehr als bei der Fahrt mit dem Verbrenner.

Stefan Steuer ergänzte: „In jedem Fall ist es Wahnsinn, dass solche Fahrzeuge beim Kauf mit über 3.000Euro gefördert werden, obwohl sie wesentlich zu Umweltverschmutzung beitragen. Der Nettopreis muss nur unter 65.000 Euro liegen." Er wandte sich an Pauline: "Warum ist eine Kaufpreisgrenze wohl nicht vernünftig?"

Pauline hatte dieses Problem bereits an der Hochschule diskutiert, als es um gefährliche Incentives ging: "Das Ziel des Gesetzes ist ja die Reduktion von CO2. Für den Hersteller gibt es kaum einen Anreiz, das Fahrzeug besonders sparsam zu machen. Eher im Gegenteil: Wenn er teure Energiespartechnik einbaut, kann das Fahrzeug über die Fördergrenze rutschen."

Steuer lobte Pauline: "Prima, und an den hohen Ressourceneinsatz, der in ein 2,5 tonnen schweres Auto hineinfließt, möchte ich gar nicht denken. Und so ein Auto macht natürlich im Stadtverkehr keinen Sinn, weil es durch das hohe Gewicht bei weitem zu viel verbraucht und zu viel Verkehrsfläche benötigt."

Bei diesem Stichwort rastete Bernhard Birkenstock fast aus: "Ja, das ist eine Sauerei. Ich wollte diese Woche im Parkhaus am Marktplatz parken. Aber ich habe keinen Platz gefunden, weil jeweils zwei SUVs sich drei Parkplätze geteilt haben. Für so breite Fahrzeuge sollte es ein Einfahrtverbot geben." Als er einige kritische Blicke der Kollegen sah, ergänzte er: „Beziehungsweise sollte es besonders teure und dafür breite Extraplätze geben."

Jetzt unterbrach ihn der praktisch veranlagte Kurt Kappe, der Hersteller von Getränkeverschlüssen: "Genug kritisiert. Wie kriegen wir den Karren wieder aus dem Dreck?"

"Das ist zum Glück nicht so schwer", antwortete Konrad Kolben: "Wenn überhaupt gefördert werden muss, dann nur solche Fahrzeuge, die sehr wenig CO2 ausstoßen und zwar vollständig gerechnet, unabhängig von der Antriebsart."

Stefan Steuer musste kontern: "Das stimmt, aber darauf kannst Du lange warten. Denn das wären heutzutage kleine leichte Verbrenner, die schon heute weniger als 90 g CO2 pro km ausstoßen. Aber gerade diese werden zurzeit von den Herstellern vom Markt genommen, weil sie die nächsten Zielmarken 2025 und 2030 nicht mehr schaffen. Das geht nur mit der falschen Vorgabe, dass die Erzeugung von Strom kein CO2 erzeugt."

Bernhard Birkenstock seufzte auf: "Gibt es denn keinen Hoffnungsschimmer?"

Dieter Durchblick konnte eine Miniverbesserung zum Trost anführen: "Ab 2022 werden die Supercredits für Mehrfachgewichtung der E-Fahrzeuge und die Gewichtsnachlässe zurückgefahren. BMW muss 2021 erst ab einen Ausstoß von 103 g bezahlen, während der durchschnittliche Hersteller bereits ab 95 g bezahlen muss."

Stefan Steuer: "Ein kleines Problem hat die Regierung noch. Wenn ein Gericht fordern würde, dass der strombedingte CO2-Ausstoß den Tatsachen entsprechend berücksichtigt werden muss, könnte ab 2025 mit einem Grenzwert von unter 70 g CO2 pro km kein Auto mehr verkauft werden, weil alle mehr ausstoßen. Und es wird sich Druck aufbauen, weil seit diesem Jahr alle Fahrzeuge den Verbrauch an Benzin beziehungsweise Diesel und Strom aufzeichnen müssen."

An diesem Abend ging man sehr betrübt über des mehrfache Staatsversagen nach Hause.



letzte Änderung P.D.P.H. am 03.10.2024
Autor:  Dr. Peter Hoberg
Bild:  Bildagentur PantherMedia / kristt


Autor:in
Herr Prof. Dr. Peter Hoberg
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms. Seine Lehrschwerpunkte sind Kosten- und Leistungsrechnung, Investitionsrechnung, Entscheidungstheorie, Produktions- und Kostentheorie und Controlling. Prof. Hoberg schreibt auf Controlling-Portal.de regelmäßig Fachartikel, vor allem zu Kosten- und Leistungsrechnung sowie zu Investitionsrechnung.
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