Neulich im Golfclub: Wie findet man gute Mitarbeiter?

Dr. Peter Hoberg
Es war wieder soweit. Nach einer anstrengenden Woche trafen sich die erfolgreichen Unternehmer der Kleinstadt wieder im örtlichen Golfclub, weniger des Sportes wegen, sondern hauptsächlich um unter sich zu sein. Sie saßen im gemütlichen Kaminzimmer und wurde von Ihrer Lieblingskellnerin Pauline bedient. Sie war BWL-Studentin und freute sich schon immer auf die Unternehmerrunde. Neben den großzügigen Trinkgeldern gab es häufig amüsante Streitgespräche, im Laufe derer die Unternehmer ihr Praxisferne vorwarfen, sie aber häufig mit neuen betriebs- wirtschaftlichen Erkenntnissen ganz frisch aus der Vorlesung für Verblüffung sorgen konnte.

Dies war für die erfolgsgewohnten Unternehmer nicht ganz unwichtig, denn als Patriarchen der alten Schule gab es in ihren Unternehmen keine ausgeprägte Diskussionskultur. Viele ihrer Mitarbeiter hatten sich damit abgefunden, dass der Chef immer Recht hatte und wagten kaum noch, auf Probleme hinzuweisen. Auch deswegen war der Golfclub nützlich, denn von Kollegen konnte man ja Ratschläge (und natürlich Aufträge) annehmen.

Der Ablauf der munteren Runde startete immer gleich. Nachdem jeder unaufgefordert sein Lieblingsgetränk erhalten hatte, wurde gefragt: "Nun, Paulinchen, was hast Du denn diese Woche Besonderes an der Hochschule gelernt?" Meist wurde noch ein Studentenwitz angehängt ("schön, dass Du uns zuliebe schon um 15 Uhr aufgestanden bist").

Streit um den demographischen Wandel

Nach Veröffentlichung des Berufsbildungsberichts hatten die Zeitungen darüber berichtet, dass die Anzahl der Ausbildungsverträge erneut weit unter dem früheren Niveau gelegen habe. Dazu passend regten sich einige Teilnehmer auf, dass sie keine geeigneten Auszubildenden mehr finden konnten.

Kasimir Kelle, der sich vom Maurerlehrling zum Bauunternehmer hochgearbeitet hatte, erinnerte sich: "Wir zu unserer Zeit waren froh, dass wir überhaupt eine Lehrstelle gefunden hatten. Wir bekamen nur 80 Mark pro Monat und mussten hauptsächlich Bier und Zigaretten für die Kollegen holen." Einige der Anwesenden hatten ähnliche Erfahrungen und es kam zu einem Austausch von Reminiszenzen.

Aber schon bald gewannen die aktuellen Probleme wieder die Überhand, zumal die meisten Anwesenden beklagten, zu wenige gute Mitarbeiter zu finden. Man stöhnte besonders über die Ungerechtigkeit, als Pauline erzählte, dass einige Unternehmen heutzutage bereits Prämien wie Notebooks oder Smartphones aussetzten, um gute Bewerber zu gewinnen.
  
Norbert Naseweis, der Marketingberater, hatte schnell eine Erklärung zur Hand: "Durch die gute Wirtschaftslage ist die Nachfrage der Unternehmen nach Azubis einfach zu hoch."

Pauline war froh, dass sie gerade an der Hochschule über dieses Thema diskutiert hatten, und sagte: "Herr Naseweis, das stimmt nicht ganz. Die Nachfrage durch die Unternehmen – also die Anzahl der angebotenen Ausbildungsstellen – ist in den letzten Jahren sogar kontinuierlich zurückgegangen. Aber noch schneller gefallen ist die Anzahl von Schulabgängern, die Auszubildende werden wollten. So hat es zur Jahrtausendwende circa 100.000 mehr neue Verträge gegeben als im Jahr 2016, in dem es nur noch circa 520.000 waren."

Stefan Steuer, der Chefcontroller eines großen Markenartiklers, ergänzte: "Stimmt, Pauline. Es existieren zwei Gründe für die fehlenden Kandidaten. Einmal geht die Zahl der Schulabgänger immer weiter zurück. Es sind im Schnitt nur noch gut 700.000 Jugendliche pro Jahr. Und von denen wollen dann auch noch immer mehr studieren. Inzwischen schreiben sich über 55 Prozent eines Jahrgangs an den Hochschulen ein. Und diese Entwicklung wird anhalten."

Dieter Durchblick, der als Wirtschaftsredakteur gut informiert war, präzisierte: "Ja, das demographische Problem zeigt sich darin, dass wir nicht mehr weit über eine Million Neugeborene pro Jahr haben, sondern nur noch gut 700.000, zum Glück mit wieder steigender Tendenz in den letzten Jahren. Maximum waren aber fast 1,4 Millionen zu Anfang der Sechzigerjahre. Dazu kommt, dass fast 50.000 Schüler die Hauptschule ohne Abschluss verlassen."

Stephan Weihen, der Besitzer der Molkerei, ergänzte: "Und dann hat die ... von Nahles (die volle Bezeichnung der SPD-Ministerin wollen wir dem Leser ersparen) noch die Rente mit 63 eingeführt. Gerade unsere guten Facharbeiter haben das Angebot mit Freude genutzt und wir bekommen keinen Nachwuchs."

Hans Hopfen, der Brauereibesitzer, fragte verzweifelt: "Müssen wir dann unseren Laden zumachen ohne Nachwuchs? Und du Pauline, du studierst ja auch."

Pauline antwortete „Herr Hopfen, man kann auch Hochschulabsolventen einstellen, zumal es mit 2,8 Millionen doppelt so viele Studenten wie Auszubildende in Deutschland gibt.“

Dieter Durchblick fügte hinzu: "Circa 30 Prozent der Studenten brechen ihr Studium ab. Einige kann man sicher für eine gute Ausbildung gewinnen."

Bernd Brot, der Chef der örtlichen Bäckereikette half mit einer anderen Idee weiter: "Ich habe gute Erfahrungen mit älteren Auszubildenden gemacht. Die waren mit einem ganz anderen Ernst bei der Sache und haben den jungen Leuten gezeigt, wie man arbeitet. Ein weiterer Vorteil bei denen ist, dass sie meistens auch bleiben. Denn jungen Auszubildenden fällt nicht selten ein, dass Sie dann doch studieren wollen."

Pauline fragte neugierig: "Die Azubis verdienen ja nicht sehr viel. Lohnt es sich dann nicht auch, sie einzustellen, selbst wenn sie nach dem Abschluss bald wieder gehen?" Die Reaktion war lebhaft, aber sehr geteilt. Insbesondere die Vertreter von technischen Berufen führten aus, dass die Ausbildung sehr lang und betreuungsintensiv sei und dass es sehr lange dauere, bis eine gewisse Produktivität erreicht sei.

Auf der anderen Seite ging Hans Hopfen den Hotelbesitzer Bertold Bude direkt an: "Als ich neulich bei dir auf einem Bankett war, habe ich ein junges Mädchen aus der Nachbarschaft getroffen, das gerade bei dir die Ausbildung begonnen hatte. Die war voll eingesetzt und hat sicher so viel geleistet wie ihre besser bezahlten Kolleginnen."

Bertold Bude wurde rot, versuchte aber die Verteidigung: "Bei den geringen Preisen, welche die Gäste zu zahlen bereit sind, können wir uns Festangestellte nur zu einem ganz kleinen Anteil leisten. Außerdem müssen wir die Auszubildenden auch während der Berufsschulzeit bezahlen."

Pauline wollte fragen, wie hoch denn die Übernahmequote nach Ende der Ausbildung sei. Hier nimmt die Hotel- und Gaststättenbranche einen sehr unrühmlichen Platz ein. Sie verzichtete aber angesichts der Erregung von Hotelbesitzer Bude darauf.

Auch die Einstellung von Flüchtlingen wurde diskutiert. Viele der Anwesenden hatten sich engagiert – aus mehr oder weniger großem Eigennutz –, hatten aber mit den Behörden schlechte Erfahrungen gemacht, so dass diese Bemühungen nach den ersten Versuchen eingestellt wurden. Denn wer will schon einen Flüchtling einstellen, wenn er nach der Lehre oder sogar während der Lehre ausgewiesen werden kann.

Dieter Durchblick wies auf eine andere Möglichkeit hin: "Da es in Deutschland mehr als doppelt so viele Rentner wie Schüler gibt, kann man auch die Neurentner ansprechen. Vielen fehlt nach einigen Wochen ohne Arbeit die geregelte Tätigkeit. Wenn wir den Geeigneten unter ihnen das richtige Angebot machen, können wir sicher einige reaktivieren. Selbst wenn sie nur Teilzeit arbeiten, würde das helfen."

An diesem Tag gingen einige der Anwesenden nachdenklich nach Hause. Sie beschlossen, sich neue und auch ungewöhnliche Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel zu überlegen.



letzte Änderung P.D.P.H. am 11.03.2025
Autor:  Dr. Peter Hoberg
Bild:  panthermedia.net / Perig MORISSE


Autor:in
Herr Prof. Dr. Peter Hoberg
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms. Seine Lehrschwerpunkte sind Kosten- und Leistungsrechnung, Investitionsrechnung, Entscheidungstheorie, Produktions- und Kostentheorie und Controlling. Prof. Hoberg schreibt auf Controlling-Portal.de regelmäßig Fachartikel, vor allem zu Kosten- und Leistungsrechnung sowie zu Investitionsrechnung.
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