Es war wieder soweit. Nach einer anstrengenden Woche trafen sich die erfolgreichen Unternehmer der Kleinstadt wieder im örtlichen Golfclub, weniger des Sportes wegen, sondern hauptsächlich, um unter sich zu sein. Sie saßen im gemütlichen Kaminzimmer und wurden von Ihrer Lieblingskellnerin Pauline bedient. Sie war BWL-Studentin und freute sich schon immer auf die Unternehmerrunde. Neben den großzügigen Trinkgeldern gab es häufig amüsante Streitgespräche, im Laufe derer die Unternehmer ihr Praxisferne vorwarfen, sie aber häufig mit neuen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen ganz frisch aus der Vorlesung für Verblüffung sorgen konnte. Dies war für die erfolgsgewohnten Unternehmer nicht ganz unwichtig, denn als Patriarchen der alten Schule gab es in ihren Unternehmen keine ausgeprägte Diskussionskultur. Viele ihrer Mitarbeiter hatten sich damit abgefunden, dass der Chef immer Recht hatte und wagten kaum noch, auf Probleme hinzuweisen. Auch deswegen war der Golfclub nützlich, denn von Kollegen konnte man ja Ratschläge (und natürlich Aufträge) annehmen. Der Ablauf der munteren Runde startete immer gleich. Nachdem jeder unaufgefordert sein Lieblingsgetränk erhalten hatte, wurde gefragt: „Nun, Paulinchen, was hast Du denn diese Woche Besonderes an der Hochschule gelernt?“ Meist wurde noch ein Studentenwitz angehängt (schön, dass Du uns zuliebe schon um 15 Uhr aufgestanden bist).
An diesem Tag hatte man wie üblich über die verrückten politischen Entscheidungen der Regierung geschimpft. Man regte sich über Kanzler Scholz auf, der aus der Abhängigkeit vom "russischen Diktator" nichts gelernt hätte und sich jetzt dem noch viel schlimmeren "chinesischen Diktator" Xi in die Arme warf. Trotz der Kriegsdrohungen gegen Taiwan beehrte er Xi mit seinem Besuch. Und als Gastgeschenk bringt er auch noch die Sondererlaubnis mit, dass wesentliche Anteile (24,9 Prozent) am Hamburger Hafen übernommen werden können. Die Anwesenden wussten als erfahrene Manager natürlich, dass die knappe Unterschreitung der Sperrminorität reine Augenwischerei war. Pauline wurde gefragt, warum das nur Volksverdummung sei. Sie antwortete: "Über andere Anteilseigner, welche China wohlgesonnenen sind, kann man schnell von 24,9 Prozent auf über 25,01 Prozent kommen."
Dieter Durchblick, der Wirtschaftsredakteur, lobte: "Gut, das ist ein Punkt. Im Weiteren würde es mich nicht überraschen, wenn es einen
Sideletter geben würde, der bereits weitere Anteile zusichert, wenn die Öffentlichkeit nicht mehr zuschaut."
Kurt Kappe fragte neugierig: "Sideletter?"
Anzeige
Bleiben Sie auf dem Laufenden! Mit unseren Social-Media-Kanälen auf LinkedIn, Facebook und Instagram werden Sie über neue Beiträge, Excel-Tools und aktuelle Stellenangebote informiert. Folgen Sie uns! LinkedIn >> Facebook >> Instagram >>
Stefan Steuer, der Chefcontroller eines großen Markenartikelunternehmens, übernahm die Antwort: "Lieber Kurt, das ist ähnlich zu den Zusicherungen, die du bei deinen Leasingverträgen erhältst, dass du nämlich am Ende kaufen darfst, obwohl das in den Teilamortisationsverträgen nicht zulässig ist." Das Beispiel der selbst begangenen Tricksereien verstanden alle…
Gerold Steiner, der Besitzer eines Mineralbrunnens, wollte von dem peinlichen Thema wegkommen und fragte: "Was haltet Ihr denn von den Diskussionen über die verschiedenen Preisbremsen?"
David Durst, der Getränkehändler, zeigte sich begeistert: "Jetzt kann ich meinen Pool wieder günstig mit Gas beheizen."
Dieter Durchblick antwortete: "Solche nicht beabsichtigen Nebenwirkungen gibt es praktisch immer, wenn der Staat eingreift. Denkt an den Tankrabatt von 30 Cent pro Liter. Davon haben hauptsächlich diejenigen profitiert, die viel gefahren sind und das in großen durstigen Fahrzeugen. Und die, welche es nicht nötig hatten."
Stefan Steuer ergänzte: "Viel schlimmer noch ist die psychologische Wirkung. Die Leute hatten sich gerade an die höheren Preise gewöhnt. Verhaltenswissenschaftlich gesagt, hatten sie einen neuen Preisanker akzeptieren müssen, auf einem Niveau deutlich über 2 Euro pro Liter. Viele hatten dementsprechend ihre Fahrleistung reduziert. Durch die Subvention, die zwar teilweise in den Taschen der Ölmultis landete, sah der Preis für Kraftstoff plötzlich günstig aus, weil er niedriger als der Preisanker war. Da brauchte man ja nicht mehr zu sparen. Dass so etwas auch von der FDP kam, die ja vorgibt, etwas von der Wirtschaft zu verstehen, kann ich bis heute nicht begreifen. Ich habe Herrn Lindner deswegen eine Mail gesendet, aber natürlich keine Antwort erhalten, obwohl ich sie angemahnt hatte."
Gerold Steiner fragte weiter: "Was ist denn nun von der Gaspreisbremse zu halten, außer dass David seinen Pool günstig heizen kann?"
Dieter Durchblick: "Da herrscht weiterhin das totale Chaos. Erinnert Ihr Euch noch an die Gasumlage, mit der die Gas-Versorger subventioniert werden sollten, die sich auf das günstige Gas von dem netten Herrn Putin verlassen hatten? Die musste am Tag vor der Einführung gestoppt werden. Und so geht es weiter."
Stefan Steuer nahm den Faden auf: "Traurig ist auch, dass die Politik aus dem gescheiterten Tankrabatt nichts gelernt hat. Wieder wird ein Gut – dieses Mal der Gaspreis - nach unten manipuliert. Dazu suggeriert die Politik, dass sie die Preise per Gaspreisbremse limitieren kann, wobei die Kosten sich natürlich nicht ändern, sondern nur auf die Steuerzahler überwälzt werden. Wenn wir Pech haben, steigen sie sogar, weil weniger gespart wird."
Dieter Durchblick: "Dabei kann der Gaspreis gar nicht hoch genug sein, um Steuerungswirkungen auszuüben. Damit werden die notwendigen Anpassungen verzögert. Aber immerhin soll dieses Mal nur ein Anteil von zurzeit 80 % der Menge subventioniert werden. Wer mehr als 20 Prozent sparen könnte, hat dafür einen viel geringeren Anreiz. Immerhin muss er das Geld nicht zurückzahlen. Und es gilt wieder: Wer bisher besonders viel verbraucht hat, profitiert am meisten. Nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung gehen 70 % der Unterstützungen an die 30 Prozent der einkommensstärksten Haushalte."
Jetzt war wieder
Stefan Steuer dran: "Es herrscht wie immer totales Chaos. Denn es gibt wie jedes Mal große Abgrenzungsprobleme. Zunächst wurden die Rentner vergessen; danach war zu fragen, warum die Nutzer von Öl- oder Pelletsheizungen frieren sollten, die von Gas und Fernheizungen aber nicht. Dann wurde hastig eine Einkommensgrenze von 75.000 Euro eingeführt, ab der die Subventionen dann zu versteuern sind. Solche Grenzen führen dann zu neuen Ungerechtigkeiten."
Pauline fragte irritiert: "Herr Steuer, was machen Sie aber mit den Menschen, die das nicht bezahlen können?"
Stefan Steuer antwortete: "Da hast du Recht. Wir können in unserem Wohlstandsstaat nicht untätig bleiben, wenn viele ihre Rechnungen nicht mehr zahlen können. Aber dann muss die Politik den Gaspreis in Ruhe lassen und Pauschalen an Bedürftige bezahlen. Die können dann entscheiden, ob sie das zusätzliche Geld für Heizung, warme Kleidung oder etwas anderes ausgeben wollen. Ein gutes Beispiel war das Energiegeld, wenn es einkommensabhängig gezahlt worden wäre. Der Millionär hätte es nicht gebraucht."
Kurt Kappe fragte nun: "Aber wer will denn entscheiden, wer bedürftig ist?" Stefan Steuer: "Das ist in der Tat schwierig, wie das Gezerre um Hartz 4 beziehungsweise jetzt das Bürgergeld zeigt. Aber wir haben keine besseren Grenzen."
Beim Stichwort "Bürgergeld" meldete sich
Bernard Brumm zu Worte: "Ich habe gelesen, dass in teuren Städten das Nichtarbeiten finanziell besser ist als wenn man mit dem Mindestlohn (oder etwas mehr) arbeitet."
Dieter Durchblick kam zum Thema zurück: "Das gleiche Problem der Zahlung an die Bedürftigen hatten wir in der Corona Pandemie. Hier hat die Politik ihre Hausaufgaben nicht gemacht, so dass es immer noch keine Möglichkeit gibt, direkte Zahlungen an die Bürger zu leisten."
Stefan Steuer relativierte: "Für viele Gruppen ist das möglich. Hierzu zählen Rentner, Arbeitnehmer und Sozialhilfeempfänger. Aber es bleiben einige, die dann einen Antrag stellen müssen."
Als
Dieter Durchblick nach den Gesamtkosten aller Programme gefragt wurde, war seine Antwort schockierend: "Dafür sind ca. 200 Milliarden Euro vorgesehen. Das wird die Schulden dramatisch nach oben treiben und Ihr wisst ja, dass die Schulden von heute die Steuern von morgen sein werden. Und ich darf Euch daran erinnern, dass die Zeit der niedrigen Zinsen vorbei ist."
Ein großes Stöhnen war zu vernehmen, zumal die Gruppe bereits heute meinte, die steuerliche Belastung sei zu hoch. Der Fuhrpark vor dem Golfclub zeigte aber, dass es so schlimm noch nicht sein konnte….
Norbert Naseweis, der Marketingberater, hielt dagegen: "Die neueste Steuerschätzung hat aber doch ein Plus von 126 Milliarden Euro ergeben. Damit lässt sich doch fast alles bezahlen."
Stefan Steuer seufzte unhörbar, fragte dann aber gefasst: "Für welches Jahr soll das denn gelten?"
Norbert Naseweis wurde rot, weil er zugeben musste, dass er diese wichtige Info nicht hatte. Er versuchte es mit Frechheit: "Bin ich der Wirtschaftsprofi? Das musst du uns schon sagen?"
Stefan Steuer führte nachsichtig aus: "Das ist auch in vielen Nachrichten unvollständig – also in diesem Fall sehr irreführend – dargestellt worden. Es ging nicht um ein Jahr Prozent – zum Beispiel 2023 –, sondern um den Zeitraum von 2022 bis 2026, also von fünf Jahren. In der Fachpresse konnten die Wissbegierigen lesen, dass bei dieser Schätzung die Sonderbelastungen durch die Subventionen oder die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr nicht enthalten waren. Wenn man das sauber dargestellt hätte, wäre ein großes Minus herausgekommen. Die Schlagzeilen waren aber entgegen der Wirklichkeit extrem positiv."
Kurt Kappe haute in die gleiche Kerbe: "Habt ihr mal die Entwicklung der Staatschulden gesehen? Absolute Rekordstände. Und wir bräuchten große Reserven, weil 100 Berufstätige bald nicht mehr 50, sondern dann 70 Rentner ernähren müssen. An das Thema wagt sich die Politik nicht heran."
Norbert Naseweis versuchte es noch einmal: "Dafür hält die Privatindustrie aber die Preisgrenzen ein. Kein Händler darf unter dem Einstandspreis verkaufen."
Stefan Steuer musste lachen: "Mein lieber Norbert, das ist reine Theorie. In der Praxis gibt es viele Rabatte und sogenannte Handelsförderungen. Je nachdem wie ein Handelsunternehmen diese zuordnet, kann es für eine bestimmten Zeitraum unter Einstandspreis anbieten. Eine Preisbremse – auch wenn es in diesem Fall in die umgekehrte Richtung geht – funktioniert also auch in der Wirtschaft nicht. Die Bürger und die Wirtschaft sind viel zu erfindungsreich."
Dieter Durchblick beendete die Diskussion versöhnlich: "Die Preise für Gas sind in den letzten Wochen stark gefallen. Bis die Politik ihre "Bremse" eingeführt hat, brauchen wir dieses ungeeignete Instrument vielleicht gar nicht mehr."
letzte Änderung P.D.P.H.
am 30.05.2023
Autor:
Dr. Peter Hoberg
Bild:
Bildagentur PantherMedia / ADDRicky
|
Autor:in
|
Herr Prof. Dr. Peter Hoberg
Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms. Seine Lehrschwerpunkte sind Kosten- und Leistungsrechnung, Investitionsrechnung, Entscheidungstheorie, Produktions- und Kostentheorie und Controlling. Prof. Hoberg schreibt auf Controlling-Portal.de regelmäßig Fachartikel, vor allem zu Kosten- und Leistungsrechnung sowie zu Investitionsrechnung.
|
weitere Fachbeiträge des Autors
| Forenbeiträge
|