Green Controlling beim japanischen Autozulieferer Takata: Das Unternehmen hat eigene
grüne Kennzahlen entwickelt und seinen Mitarbeitern ökologisch orientierte Ziele gesetzt. Die Péter-Horváth-Stiftung und der Internationale Controller Verein (ICV) zeichneten diesen Ansatz im Dezember 2014 mit dem Green-Controlling-Preis aus. Für das Unternehmen rechnet sich das Green Controlling durch Kosteneinsparungen, erklärt Jörg Henry Dinkat (Foto, Mitte) im Interview. Er leitet das Zentralcontrolling für den europäischen Wirtschaftsraum bei der Takata AG in Aschaffenburg, die das Europageschäft des Unternehmens bündelt.
Herr Dinkat, wie entstand die Idee für ein Green Controlling bei Takata?
Jörg Henry Dinkat: Teilweise gab es schon Einzelprojekte im Unternehmen, die wir zusammengefasst haben. So müssen wir beispielsweise die Vorgaben der EU-Chemikalienverordnung REACH einhalten. Es geht aber auch um Wünsche unserer Kunden. Ein Beispiel: Ein Lenkrad entsteht im Magnesiumdruckgussverfahren. Dabei entstehen Schadstoffemissionen. Danach wird das Lenkrad mit Polyurethan ummantelt. Dabei entstehen Abfälle. Abschließend wird Leder aufgezogen. Das ist das größte Problem: Bisher gibt es kein lösemittelfreies Verfahren, um Polyurethanschaum mit Leder zu überziehen, ohne dass die Qualität darunter leidet. Der Trend geht aber zu Produkten ohne Schadstoffe oder Lösemittel.
Ihre Kunden fordern also möglichst schadstoffarme und umweltverträgliche Produkte?
Dinkat: Wir befinden uns immer noch im Zeitalter der niedrigsten Kosten. Aber der Trend ist da. Wir haben jetzt das erste Projekt mit BMW zur lösemittelfreien Belederung von Lenkrädern. Wer eine Zukunft haben will, muss sich jetzt positionieren. Und was die lösemittelfreie Lederausstattung von Lenkrädern angeht, zählen wir weltweit zu den Pionieren.
Ein Unternehmen verspricht sich vom Green Controlling einen Wettbewerbsvorteil, weil Kunden beim Einkauf immer stärker auf Nachhaltigkeit achten. Dieser Effekt tritt erst mit einiger Verzögerung ein. Das gilt umso mehr für einen Automobilzulieferer, der ja nur mittelbar, quasi auf Umwegen, von einem nachhaltigen Image des Endproduktes profitieren kann. Mit welcher Verzögerung hat sich Green Controlling für Ihr Unternehmen ausgezahlt?
Dinkat: Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Innovationen wie das lösemittelfreie Beledern werden sich erst langfristig auszahlen. Bis die ersten grünen Fahrzeuge auf den Markt kommen, wird es noch sechs oder sieben Jahre dauern. Was sich direkt ausgewirkt hat, sind die Green KPIs (Key Performance Indicators). Wir haben 19 Prozent niedrigere Energiekosten, obwohl die Produktion gleichzeitig um 10 Prozent gestiegen ist. Und auch auf die die Green MbOs (Management by Objectives) haben sie sich direkt ausgewirkt.
Lassen Sie uns diese Punkte der Reihe nach betrachten. Green KPIs – auf Deutsch könnte man von "grünen Kennzahlen" sprechen – lassen sich ja oft nur schwer in Euro und Cent ausdrücken. Wie sehen Ihre Kennzahlen aus, und wie haben Sie sie entwickelt?
Dinkat: Bei unseren Green KPIs geht es im Wesentlichen um Energiekosten und Abfallkosten. Das sind in unserer Branche die Kostentreiber. Wir haben also Energiekosten pro Monat bezogen auf den Abfall neu berechnet. Wir haben die Abfallkosten pro Bereich erhoben, und diese Zahlen verfolgen wir auch. Andere Faktoren, wie zum Beispiel die Vermeidung von Emissionen, haben wir nicht in das Kennzahlensystem aufgenommen. Aber wir haben sie in die Zielvorgaben für die Abteilungen übernommen. Unsere Green KPIs sind harte Zahlen, über die sie dann auch mit der Produktion reden können. Aber es gibt viele Verbindungen zwischen KPIs und MbOs.
Lassen Sie uns über die Green MbOs sprechen. Unter Management by Objectives versteht man Zielvorgaben für Abteilungen und Führungskräfte. Wie sehen diese Zielvereinbarungen bei Ihnen aus?
Dinkat: Wir haben für jeden Mitarbeiter zwischen fünf und acht individuellen Zielen. Zusätzlich zu den "klassischen" Zielen müssen "green MbOs" in Produktion & General Services aus 3 Kategorien enthalten sein: Minimize Impact on Environment (Schäden für die Umwelt verringern), Limit Potential of Ecologic Hazards and Risks (Ökologische Risiken begrenzen) und Rational Materials Consumption (Sparsamer Materialverbrauch). So fällt beispielsweise die Einführung eines lösemittelfrei hergestellten Lederlenkrads unter die Minimierung von schädlichen Umwelteinflüssen. Denn wir vermeiden damit ja die Entstehung schädlicher Lösemittelgase, die sonst in die Umwelt entweichen würden. Unter die Abfallvermeidung fällt zum Beispiel die Verringerung der Austriebe aus Polyurethanschaum an den Formen. Oder wir können als Ziel vorgeben, dass die Öfen vorbeugend instandgehalten und turnusmäßig gereinigt werden. Dadurch fällt weniger Abfall an, den wir nicht wiederverwerten können. Es bestehen also viele direkte Verbindungen zwischen den Zielvorgaben durch MbOs einerseits und den Kennzahlen andererseits.
Welche Erfahrungen haben Sie im Unternehmen bei der Einführung von Green Controlling gemacht? Mussten Sie Widerstände überwinden, oder wurde das neue Konzept sogar begrüßt?
Dinkat: Die MbOs sind insgesamt begrüßt worden. Wir haben Prämien vereinbart und besprechen in der Produktion wöchentlich den Zielerreichungsgrad. So kann ein Mitarbeiter schon in der wöchentlichen Produktionsbesprechung absehen, welche Prämie er am Jahresende bekommt. Der Mitarbeiter hat klare Ziele vor Augen. Widerstände gab es natürlich auch. Wenn zum Beispiel ein Arbeiter plötzlich für ein Lederlenkrad 110 Minuten statt 90 Minuten braucht. Die Mitarbeiter in der Produktion fragen in solch einem Fall natürlich: Was soll das denn jetzt? Produktionsleiter werden schließlich am Output gemessen. Dann ist die Unterstützung durch das Management gefordert. Wir haben das durch Verbesserungen im Arbeitsumfeld aufgefangen.
Wären Sie Unternehmensberater: Was würden Sie einem Unternehmer raten, wenn er über die Einführung von Green Controlling nachdenkt?
Dinkat: Wenn es sich nicht um ein großes Unternehmen handelt, das einfach eine Abteilung für die Einführung von Green Controlling einrichten kann, dann muss sich eine solche Entscheidung nur nach drei Faktoren richten. Erstens darf die Einführung von Green Controlling keinen zusätzlichen Aufwand erfordern. Zweitens muss ein solcher Prozess vom Top-Management mitgetragen und im gesamten Unternehmen vermittelbar sein. Und schließlich muss das Unternehmen damit Geld verdienen. Das Unternehmen muss an irgendeiner Stelle Geld einsparen können, dann ist Green Controlling sinnvoll.
Jörg Henry Dinkat ist Direktor des Controllings für die weltweite Produktion von Lenkrädern und des Zentralcontrollings für den europäischen Wirtschaftsraum (EMEA) bei dem japanischen Automobilzulieferer Takata.
Foto (von links): Jürgen Volk und Jörg Henry Dinkat von Takata mit dem Juryvorsitzenden Péter Horváth bei der Verleihung des Green-Controlling-Preises 2014 (Quelle: Internationaler Controller Verein, ICV).
letzte Änderung W.V.R.
am 25.05.2022
Autor:
Wolff von Rechenberg
Bild:
Internationaler Controller Verein (ICV)
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Autor:in
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