Die
Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) wird auch als "einfache Buchhaltung" bezeichnet – weil es bei ihr im Vergleich zur
doppelten Buchführung keine doppelte Verbuchung von Geschäftsvorfällen gibt und weil sie nicht so komplex wie die doppelte Buchführung ist. Dennoch gibt es auch bei der Ermittlung des Betriebsgewinns per EÜR einiges zu beachten. Außerdem kann sie nur anwenden, wer nicht der Buchführungspflicht unterliegt.
Wer zur EÜR berechtigt ist
§ 238 HGB (Handelsgesetzbuch) verpflichtet alle Kaufleute zur Buchführung. Nach § 6 Abs. 1 HGB gelten die Vorschriften für Kaufleute auch für Handelsgesellschaften und damit für die offene Handelsgesellschaft (OHG) und die Kommanditgesellschaft (KG). Ebenso sind die Aktiengesellschaft (AG; nach § 3 Abs. 1 AktG) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH; nach § 13 Abs. 3 GmbH-Gesetz) durch die Rechtsform buchführungspflichtig. Das Steuerrecht übernimmt diese Regelung in § 140 AO (Abgabenordnung).
Die Möglichkeit zur Anwendung einer EÜR ist in § 4 Abs. 3 EStG geregelt. Die
Anwendung der EÜR stellt gewissermaßen eine
Ausnahme für bestimmte Unternehmergruppen dar. Dies sind zum einen Freiberufler, wie Ärzte, Anwälte, Ingenieure, Wissenschaftler, Journalisten, sofern sie selbstständig tätig sind, also nicht angestellt sind. Die freien Berufe nennt § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Einkommensteuergesetz). Für Freiberufler gilt die Befreiung von der
Buchführungspflicht unabhängig von Umsatz und Gewinn.
Für Einzelkaufleute, Gründer, Gewerbetreibende sowie Forst- und Landwirte gelten bestimmte Obergrenzen:
- Einzelkaufleute und Gründer sind nach § 241a HGB von der Buchführungspflicht befreit, wenn sie „an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als jeweils 800.000 Euro Umsatzerlöse und jeweils 80.000 Euro Jahresüberschuss aufweisen“; für Gründer gilt dies bereits, wenn beide Werte am Ende des ersten Geschäftsjahres nicht überschritten werden.
- Nach § 141 AO gilt diese Regelung im Steuerrecht auch für Gewerbetreibende. Sobald einer der beiden Werte überschritten ist, werden sie vom Finanzamt zur doppelten Buchführung verpflichtet. Diese Pflicht gilt ebenso, wenn das Unternehmen im Handelsregister eingetragen ist.
- Für Forst- und Landwirte gilt die Befreiung nur dann, wenn der Wirtschaftswert (nach § 46 BewG – Bewertungsgesetz) der selbstbewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Flächen nicht mehr als 25.000 Euro beträgt.
Unternehmer, die die
Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG (Umsatzsteuergesetz) in Anspruch nehmen können, sind wegen der oben genannten Grenzwerte von der Buchführungspflicht befreit. Die Kleinunternehmerregelung besagt, dass Unternehmer, die im vorangegangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von maximal 22.000 Euro gemacht haben und im laufenden Geschäftsjahr voraussichtlich nicht über 50.000 Euro kommen werden, keine Umsatzsteuer erheben und abführen müssen. Seit 2024 ist auch keine Umsatzsteuer-Jahreserklärung mehr abzugeben.
Auch wer nicht buchführungspflichtig ist, kann
freiwillig die doppelte Buchführung anwenden. Wer einmal dem Finanzamt eine Bilanz übermittelt, wählt damit die doppelte Buchführung und ist für die Folgejahre an diese Wahl gebunden.
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Zufluss- und Abflussprinzip
Die
Bilanz als
Jahresabschluss in der doppelten Buchführung ist deutlich komplexer als die EÜR. Das ist schon daran erkennbar, dass die EÜR mit der
Gewinn- und Verlust-Rechnung (GuV) als ein Bestandteil der Bilanz vergleichbar ist. Ein entscheidender Unterschied ist jedoch das
Zufluss- und Abflussprinzip der EÜR: Betriebseinnahmen und -ausgaben werden genau dann registriert, wenn die entsprechende Geldsumme fließt, wenn also ein Kunde die vom Unternehmer gestellte Rechnung bezahlt oder der Unternehmer das Geld für den Einkauf von Rohstoffen überweist.
Bei der EÜR gelten also die
tatsächlich stattgefundenen Einnahmen und Ausgaben, während bei der doppelten Buchführung Forderungen an Kunden (entsteht mit dem Zeitpunkt der Rechnungstellung) zu den Einnahmen und Verbindlichkeiten gegenüber anderen Unternehmen zu den Ausgaben zählen. Bei der doppelten Buchführung ist der Zeitpunkt der Entstehung einer Forderung oder Verbindlichkeit entscheidend, bei der EÜR der Zeitpunkt des Geldflusses. Eine im alten Jahr gestellte Rechnung, die der Kunde im neuen Jahr bezahlt, wird in der Buchführung dem alten Jahr (weil die Forderung dann entstanden ist), in der EÜR jedoch dem neuen Jahr zugerechnet.
Eine Ausnahme von dieser Regel gibt es jedoch:
Wiederkehrende Einnahmen und regelmäßige Ausgaben werden auch bei der EÜR dem Jahr zugerechnet, zu dem sie wirtschaftlich gehören, wenn sie "kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres" stattgefunden haben (§ 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2). Als "kurze Zeit" werden allgemein zehn Tage angesehen. Wenn also eine Miete für Januar bereits Ende Dezember bezahlt wird, kann bei der EÜR diese Einnahme dem neuen Jahr zugerechnet werden. Entsprechend wird beispielsweise die Zahlung des Dezembergehalts erst Anfang Januar noch zu den Ausgaben des alten Jahres gezählt.
Aufzeichnungspflichten und Belege
Auch wenn bei der Ermittlung des Gewinns mittels EÜR keine doppelte Buchführung angewendet werden muss, so sind dennoch bestimmte
Aufzeichnungspflichten zu beachten. Grundsätzlich genügt eine einfache, aber nachvollziehbare
Auflistung von Betriebseinnahmen und -ausgaben. § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG verlangt jedoch, dass Wirtschaftsgüter des Anlage- und des Umlaufvermögens (nach § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG) mit Tagesdatum und Kosten "in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufzunehmen" sind.
Die
Abschreibungsvorschriften nach
AfA (Abschreibung für Abnutzung) gelten auch für die Gewinnermittlung mit EÜR; dementsprechend ist ein Abschreibungsverzeichnis zu führen. Bei Ausgaben, die nur teilweise als Betriebsausgaben geltend gemacht werden können, etwa die Bewirtung von Geschäftspartnern, sind der abziehbare und der nicht abziehbare Teil der Ausgabe getrennt zu erfassen. Für die Zwecke der Umsatzsteuer müssen zudem die Einnahmen nach Steuersätzen getrennt (19 %, 7 %, 0 %) aufgezeichnet werden.
Für jede Betriebseinnahme und -ausgabe muss mindestens ein Beleg vorhanden sein. Wie bei bilanzierenden Unternehmen gilt eine
Aufbewahrungspflicht für Originalbelege von zehn Jahren. Die Steuererklärung mit einer EÜR besteht wesentlich aus den folgenden Dokumenten:
- Hauptvordruck oder Mantelbogen
- Anlage S (für Freiberufler) oder Anlage G (für Gewerbetreibende)
- Anlage EÜR (für die Gewinnermittlung)
- ggf. Anlage AVEÜR (als Anlageverzeichnis)
- ggf. Umsatzsteuererklärung (für das Geschäftsjahr, zuzüglich zu den Voranmeldungen)
- ggf. Gewerbesteuererklärung
Weiterhin bei der EÜR zu beachten
- Darlehen: Die Aufnahme eines Kredits und dessen Tilgung zählen nicht zu den Betriebseinnahmen bzw. -ausgaben. Die Provisionen und Zinsen können hingegen als Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Bareinlagen werden ebenfalls wie Darlehen behandelt.
- Sacheinlagen: Wer Gegenstände, wie Schreibtisch, Computer, Werkzeug, in sein Betriebsvermögen einbringt, nachdem er sie zunächst privat genutzt hat, muss sie zum Zeitpunkt der Aufnahme ins Betriebsvermögen mit dem Sachwert als Einnahme registrieren. Der Sachwert entspricht dem Neuwert abzüglich der AfA. Wer einen zwei Jahre alten Drucker überwiegend geschäftlich nutzt, kann vom Neuwert zwei Drittel abziehen, weil ein Drucker nach AfA-Tabellen über drei Jahre abgeschrieben wird.
- Umsatzsteuer: Die von den Kunden erhaltene Umsatzsteuer und die vom Finanzamt erstattete Umsatzsteuer gelten als Betriebseinnahmen. Umgekehrt gelten die an Lieferanten gezahlte Umsatzsteuer und die ans Finanzamt abgeführte Umsatzsteuer als Betriebsausgaben.
- Anzahlungen: Auch hier gilt das Zufluss-und-Abflussprinzip: Erhaltene Anzahlungen gehören zu den Betriebseinnahmen, geleistete Anzahlungen zu den Betriebsausgaben.
Beispiel für die Gewinnermittlung mit der EÜR
Die grundlegende Formel zur Gewinnermittlung per EÜR lautet:
Betriebseinnahmen minus Betriebsausgaben. Wenn die Ausgaben größer sind als die Einnahmen, steht ein Minus vor der Summe und weist einen Verlust aus. Das folgende Beispiel zeigt grob die Betriebseinnahmen und -ausgaben. Ein detaillierteres Beispiel zur EÜR ist in diesem Artikel zu finden:
Beispiel einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung >>
Betriebseinnahmen
|
|
|
Umsatzerlöse
|
100.000 €
|
+
|
Sonstige Erlöse (z. B. Verkauf von Anlagevermögen, private Nutzung des Geschäftstelefons)
|
7.000 €
|
+
|
Vereinnahmte Umsatzsteuer (19 % und 7 %)
|
13.000 €
|
|
Summe Betriebseinnahmen
|
120.000 €
|
Betriebsausgaben
|
|
–
|
Wareneinsatz
|
40.000 €
|
–
|
Personalkosten (Minijob)
|
6.000 €
|
–
|
Sonstige betriebliche Aufwendungen (darunter Raumkosten, Versicherungen, Fahrzeug, Werbekosten, Bürobedarf, …)
|
20.000 €
|
–
|
Zinsaufwendungen
|
200 €
|
–
|
Verauslagte Vorsteuern (19 %)
|
11.400 €
|
|
Summe Betriebsausgaben
|
77.600 €
|
|
Betriebseinnahmen – Betriebsausgaben =
|
42.400 €
|
Vor- und Nachteile der EÜR
Da jeder Unternehmer, der die EÜR verwendet, auch die doppelte Buchführung nutzen könnte, muss letztlich jeder anhand von Argumenten eine Entscheidung treffen. Zu den Vorteilen der EÜR zählen:
- Die vereinfachte Gewinnermittlung ist leichter und ohne Fachkenntnisse durchzuführen, spart dadurch Zeit und Kosten.
- Einnahmen werden erst dann registriert, wenn das Geld tatsächlich im Unternehmen ist, während bei der Bilanzierung auch die noch unbezahlten Forderungen bereits als Einnahmen gelten. Entsprechend müssen auch Einkommen- und Umsatzsteuer erst ans Finanzamt überwiesen werden, wenn der Kunde gezahlt hat. Das verhilft den Unternehmern zu mehr Liquidität.
- Es muss keine Inventur durchgeführt und keine Bestandskonten geführt werden.
Zu den Nachteilen der EÜR gehören:
- Die tatsächlichen Werte des Betriebsvermögens sind nicht sofort erkennbar, weil Forderungen und Verbindlichkeiten bei der Gewinnermittlung keine Rolle spielen.
- In der Regel ist es schwieriger, an einen Bankkredit zu kommen, da Banken die Bilanzierung bevorzugen.
- Wegen der fehlenden Inventur ist nicht sichtbar, mit welchem Wareneinsatz der Umsatz erzielt wurde.
letzte Änderung S.P.
am 18.06.2024
Autor(en):
Stefan Parsch
Bild:
Bildagentur PantherMedia / focuspocusltd
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Autor:in
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Herr Stefan Parsch
Stefan Parsch ist freier Journalist und Lektor. Er schreibt Fachartikel für die Portale von reimus.NET und Artikel über wissenschaftliche Themen für die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Für den Verein Deutscher Ingenieure lektoriert er technische Richtlinien. Mehr als zwölf Jahre lang war er Pressesprecher der Technischen Hochschule Brandenburg.
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