Alle Entscheider müssen sich damit abfinden, dass ihre Schätzungen der Zukunft mit großen Unsicherheiten behaftet sind. Diese Schwierigkeiten zeigen sich auch darin, dass ca. 80 % der Neuprodukteinführungen als Flop enden. Ähnlich sieht es bei Unternehmenskäufen aus, welche in der Mehrzahl nicht zu einer Werterhöhung beim Käufer führen.
Der verantwortungsvolle Entscheider muss also immer damit rechnen, dass die von ihm aufgestellten Szenarien der zukünftigen Entwicklung nicht wie erwartet eintreten werden. Er muss versuchen, sich auf möglichst viele andere Szenarien einzustellen. Dabei befindet er sich in einem Dilemma, weil es prinzipiell unendlich viele Szenarien gibt. Demütig muss der Entscheider versuchen, wenigstens die wichtigsten Szenarien zu berücksichtigen, wohl wissend, dass ihm das nur partiell gelingen wird. Sowohl bei Neuprodukteinführungen als auch bei Unternehmenskäufen unterstreicht die hohe Floprate die Problematik. Als zusätzliche Gefahr muss genannt werden, dass ein Unternehmen bankrott gehen kann, wenn beim Aufkauf eines anderen Unternehmens ein sehr negatives Szenario eintritt.
1. Wesentliche Weichenstellungen
In einigen Fällen kann man bei großen
Investitionen wie z. B. Unternehmenskäufen oder Großanlagen (z. B. die Stahlwerke von Thyssen-Krupp in Amerika) wichtige
Erfolgsfaktoren identifizieren, von denen der Erfolg bzw. das Scheitern wesentlich abhängen. Manche dieser Faktoren liegen außerhalb des Einflussbereiches der Unternehmen. Solche externen Weichenstellungen müssen von den Unternehmen akzeptiert werden. Wenn sie eintreten, sollte das Unternehmen darauf vorbereitet sein.
Als Beispiel sei der Brexit genannt, der wesentliche Auswirkungen insb. auf europäische Geschäfte ausübt bzw. ausüben wird. Viele Exporteure nach England mussten ihre
Kapazitätsentscheidungen unter der Unsicherheit eines Brexits treffen. Da wohl kaum ein Fall ausgeschlossen werden konnte, sollten sich die Investitionen in den positiven Szenarien des Brexits rechnen, ohne aber zu einer Katastrophe zu führen, wenn negativere Szenarien eintreten.
Ähnliche kaum beeinflussbare Entscheidungen sind die des Gesetzgebers. Bestimmte Schadstoffgrenzen bei Autos sollten eingehalten werden können. Ein Herumtricksen wie im VW Dieselskandal ist sicher eine katastrophale Entscheidung.
Auch können Gerichtsentscheidungen wichtige Vorgaben machen, wie die Ablehnung der deutschen Mautlösung durch den EuGH. Das Nichtberücksichtigen der möglichen Ablehnung wird den Steuerzahler viele hundert Millionen Euro kosten.
In allen Fällen wäre es besser gewesen, die möglichen
negativen Ergebnisse der Ereignisse stärker zu berücksichtigen. Dabei wäre es ideal, wenn ein Teil der Entscheidungen erst dann getroffen werden müsste, wenn sich geklärt hat, welches der Szenarien eingetreten sein wird.
2. Der Ansatz der flexiblen Planung
Die
flexible Planung (vgl. hierzu z. B. Götze, S. 407 ff.) arbeitet mit bedingten Strategien. In Abhängigkeit des Ausgangs zukünftiger Ereignisse werden heute (t=0)
bedingte Entscheidungen getroffen. Die Projekte werden dazu in Phasen unterteilt, wobei die Ergebnisse einer Phase noch Einfluss auf die Entscheidungen der späteren Phasen ausüben. Als Beispiel sei wieder der Brexit angeführt. Ein deutsches Unternehmen plane den Markteintritt in England zunächst mit Export.
Im zweiten Schritt sei ein Werk in der Planung, von dem man dann auch die skandinavischen Länder beliefert will, was bei Zöllen und langwierigen Abwicklungsprozeduren in Folge eines Brexits nicht vorteilhaft wäre. Wenn der Brexit eintritt, würde man nur ein kleines Werk bauen für den Inlandsbedarf. Wenn der Brexit nicht kommt, könnte man die große Exportvariante durchführen. Dadurch dass die Strategien angepasst werden und hohe Investitionen nur dann durchgeführt werden, wenn ein positives Ereignis eintritt, sind die Ergebnisse meistens besser.
Mit der flexiblen Planung kauft man sich somit Zeit, um dann bessere
Folgeentscheidungen treffen zu können. Ohne diesen Ansatz müssten die Szenarien Brexit ja und nein durchgeplant werden. In der Bewertung würden dann im Extremfall englische Investitionen vorgesehen, auch wenn in t=0 noch nicht klar ist, ob sie sinnvoll sind. Die bedingten Strategien der flexiblen Planung können somit einen wesentlichen Fortschritt im Vergleich zur einfachen Bildung von
Erwartungswerten darstellen, was im Folgenden anhand des Kaufes von Monsanto durch Bayer gezeigt werden soll.
3. Flexible Planung für den Kauf von Monsanto
3.1 Ausgangssituation
Als das Unternehmen Bayer sich in den Jahren 2016 bis 2018 entscheiden musste, ob es Monsanto kaufen sollte, war die Marktsituation in der Agrochemie schwierig. Denn im Markt hatte es bereits Konzentrationen gegeben. Durch Zusammenschlüsse und Aufkäufe geriet auch die Agrochemie von Bayer in das Visier der
Aufkäufer. Ähnliches galt für Monsanto, das fürchtete, im Konzert der Großen nicht mehr mithalten zu können. Somit musste Bayer befürchten, dass Monsanto von einem der verbleibenden Oligopolisten aufgekauft werden würde, wenn man nicht selbst kaufen würde.
Damit war ein Spezialfall der
Do Nothing Variante (
Nullalternative, Unterlassensalternative) gegeben. Üblicherweise besteht die Nullalternative aus der Entscheidung, nichts Neues zu machen, so dass sich die Zahlen in der Nullalternative nicht ändern. Die Differenzmethode führt somit in der Do Nothing Variante meistens zum Wert von Null. Wenn sich jedoch beim Unterlassen des Kaufes eine Stärkung des Wettbewerbers ergibt, nimmt die Nullalternative einen negativen Wert an (vgl. zu dieser modifizierten
Differenzmethode Hoberg (2015), S. 132 ff.).
Letzte Änderung W.V.R am 13.04.2023
Autor(en):
Dr. Peter Hoberg
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