Ohne
Agilität läuft heute (fast) nichts mehr: Hersteller und Serviceanbieter, Behörden und Verbände - und natürlich jeder einzelne Mitarbeiter - müssen heute agil sein, um den
digitalen Wandel erfolgreich zu gestalten. Ein Bereich ist jedoch besonders gefordert, seine Agilität signifikant zu erhöhen, wenn er seiner künftigen Rolle gerecht werden will: Die Finanzabteilungen der Unternehmen. In Gestalt der Prinzipien des Agile Manifesto und des Scrum Frameworks können zwei Ansätze aus der
Software-Entwicklung entscheidende Unterstützung bieten.
Controlle oder
Buchhalter sind heute weit mehr als die Verwalter des Bestehenden, die geschäftliche Prozesse und Zustände in Zahlen fassen. Eine zeitgemäße Buchhaltung nutzt die Vorteile der Digitalisierung und Technologien wie KI, um systematisch
Daten zu generieren und zu
analysieren. Damit übernimmt sie die Funktion eines
strategischen Akteurs und aktiven
Wertschöpfers. Voraussetzung hierfür ist, dass sie ihre Effizienz maßgeblich erhöht. Das bedeutet nichts Geringeres, als dass die gesamte Finanzfunktion in den Unternehmen eine beispiellose Transformation durchläuft.
Doch wie kann das gelingen in Zeiten, in denen die Rahmenbedingungen ausgesprochen volatil erscheinen - auch jenseits der Pandemie? Allein der Verlauf der allgemeinen digitalen Transformation ist in seinen Auswirkungen auf Unternehmen schwer zu kalkulieren. Die Anpassung an einen
langanhaltenden und
tiefgehenden Wandel in vielen Bereichen erfordert vor allem Flexibilität und Agilität. Also die Fähigkeit, die eigenen Prozesse so zu gestalten, dass sie unter den gegebenen Umständen dem strategischen Ziel der aktiven Wertschöpfung gerecht werden können - von eigenen
Projekten bis hin zum Management des Wandels im ganzen Unternehmen.
Agilität mit System
Doch was bedeutet Agilität für das Controlling genau? Wie kann die Transformation gelingen, wo sind die Ansatzpunkte? Neben der allgemeinen Bedeutung beschreibt "Agilität" auch einen konkreten Ansatz der
Software-Entwicklung mit entsprechend abgeleiteten Prinzipien. Dieser Ansatz geht zurück auf die Initiative der so genannten "Agile Alliance" und ihres "Agile Manifesto" zur Jahrtausendwende. Die Autoren formulierten
zwölf Prinzipien:
- Die Kundenzufriedenheit steht an erster Stelle;
- Änderungen sind immer dann gut, wenn sie dem Kunden zugutekommen - auch in einer späteren Entwicklungsphase;
- Qualität ist alles;
- Vertreter des Business und Entwickler müssen kollaborieren;
- Alle Beteiligten müssen hochmotiviert sein;
- Die Informationsweitergabe sollte in unmittelbarem Kontakt stattfinden;
- Das Ergebnis ist der Maßstab für den Fortschritt;
- Die Prozesse müssen so nachhaltig sein, dass sie im Bedarfsfall lange fortgeführt werden können;
- Das Niveau von Technologieeinsatz und Design entscheidet über die Agilität;
- Alles sollte dennoch so einfach wie möglich gehalten werden;
- Selbstorganisierte Teams bringen die besten Ergebnisse;
- Regelmäßige Reflexion erhöht die Effizienz.
Beschleunigung der Transformation
Durch die
Übertragung und
Einbettung dieser Prinzipien in die Businessprozesse der Finanzabteilung können deren Mitarbeiter effizienter mit dem
operativen Geschäft zusammenarbeiten. Die nachhaltige Transformation
der Teams wird beschleunigt und die Weichen für fortlaufende Optimierungsinitiativen werden gestellt - sodass die Finanzteams die steigenden Anforderungen insbesondere bei anspruchsvollen Daten- und Insight-basierten Analysen besser bewältigen. Ziel ist es, Wissen schneller bereichsübergreifend teilen und projektgebundene Partnerschaften mit anderen funktionalen und operativen Teams im Unternehmen zu realisieren.
Schnell erkennen, schnell reagieren
In der Finanzabteilung stehen die Prinzipien der
Agile Alliance vor allem für die Fähigkeit, Entwicklungen und Disruptionen schnell erkennen und darauf reagieren zu können. Um eine
Wertschöpfung auch unter volatilen Bedingungen zu gewährleisten, müssen die Beteiligten jederzeit sowohl ein leistungsfähiges
Risikomanagement implementieren als auch Kurskorrekturen vornehmen können - in diesem Fall vor allem im Hinblick auf datenbasierte Analysen und Insights zur strategischen
Entscheidungsfindung. Idealerweise führt die Anwendung der Leitsätze auch zu mehr Skalierbarkeit von Initiativen, mehr Transparenz bei der Daten- und Metriken-Nutzung, einer schnellen Reaktion im Bedarfsfall sowie zu besonders kompetenten Teams.
Höhere Wertschöpfung mit Scrum
Von den Prinzipien der Agile Alliance existieren verschiedene Ableitungen. Hiervon lässt sich das
Scrum Framework besonders gut im Accounting einsetzen. "Scrum" bedeutet wörtlich übersetzt "Gedränge" - ein bewusst luftig gehaltenes Rahmenwerk, das die Nutzung
adaptiver Lösungen für komplexe Probleme einsetzt und damit eine höhere Wertschöpfung erzielt.
Ein so genannter
Scrum Event ist jedoch
systematisch aufgebaut und folgt einem klaren Procedere in fünf Schritten. Der Scrum-Prozess beginnt mit dem Sprint Planning und der Definition des Product- und Sprint Backlogs. Er führt über tägliche Arbeitssessions der Teammitglieder und dem daraus resultierenden Sprint zu konkreten Ergebnissen oder Produktversionen (sogenanntes Increment) und endet mit einem Review-Prozess. (s. Abbildung).
Vor allem bei komplexen Projekten geeignet
Die Nutzung eines Scrum Frameworks empfiehlt sich vor allem bei komplexen Projekten mit volatilen Einflussfaktoren und einer hohen Abhängigkeit vom
unmittelbaren Kunden- oder
Nutzerfeedback.
Der Vorteil: Es lässt sich mehr Arbeit in geringerer Zeit schaffen. Multidisziplinare Teams mit dem Auftrag, ihren Wertschöpfungsbeitrag im Unternehmen zu steigern, erreichen ihre Ziele deutlich besser. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Mitglieder sattelfest in der Scrum-Systematik und -Terminologie sind. Ein Teammitglied aus der Finanzabteilung fungiert als Product Owner und ist verantwortlich für den Beitrag zur Unternehmens-Wertschöpfung des Projekts, priorisiert die Backlog-Inhalte und ist an allen Phasen, also dem Sprint Planning, dem Review und der Retrospektive, beteiligt.
Ob Financial Planning oder Budgeting-Prozesse: Solche eher statischen Prozesse lassen sich mit den beschriebenen Ansätzen flexibler im Hinblick auf Veränderungen gestalten. So träte an Stelle einer verbindlichen
Fiskalplanung ein beweglicher 12-Monats-Ausblick. Die Gesamtperformance wird anhand eines Abgleichs mit jeweils erstellten Vierteljahresplänen gemessen, die aktuelle Marktkonstellationen und Risikoprofile besser berücksichtigen können.
Mehr Transparenz - breite Einsatzmöglichkeiten
Ein grundlegendes Kennzeichen des
Scrum-Ansatzes ist die Möglichkeit zu kontinuierlicher
Optimierung. Gerade bei Unternehmen mit einer großen Finanzabteilung können mehrere Scrum Teams jederzeit Verbesserungsinitiativen starten. Auch Audits können flexibler und mit geringerem Vorbereitungsaufwand umgesetzt werden, und notwendige Verbesserungen sind bereits vor der traditionellen Abfassung des Schlussreports realisierbar.
Wird die Scrum-Systematik im Berichtswesen der Finanzabteilung eingesetzt, ergeben sich vor allem
Vorteile bei den Monats- und Quartalsberichten: Sie sorgen für mehr
Transparenz bei der Definition der anstehenden Aufgaben zum Monatsende sowie möglicher Hindernisse.
Die Implementierung von AGILE- und Scrum-Elementen verspricht vielfältige Vorteile. Doch wie können sich CFOs und andere Akteure aus der Finanzabteilung diesem Thema am besten nähern? Zunächst sollten sie das aktuelle
Agilitätspotenzial ihrer Teams gründlich analysieren. Nach Abschluss der Bestandsaufnahme erfolgt die Erarbeitung eines strategischen Ansatzes und die Bildung der erforderlichen
multidisziplinären Arbeitsgruppen. Ebenfalls von großer Bedeutung: Die Führungspersönlichkeit muss während der gesamten Prozesse sichtbar sein, und es müssen Qualifikations- und Unterstützungsangebote bereitgestellt werden.
Richtig eingesetzt können AGILE und ein Scrum Framework die Transformation im Controlling maßgeblich beschleunigen - und denen, die sie nutzen, damit einen klaren
Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Quelle:
Institute of Management Accountants (IMA)
letzte Änderung B..G.
am 05.10.2024
Autor:
Bernardin Generalao
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Autor:in
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Herr Bernardin Generalao
Bernardin Generalao ist Director und Regional Partner Relations des Instituts of Management Accountants (IMA) in Deutschland, Schweiz und Österreich. Er ist zuständig für die Entwicklung von Partnerschaften, u. a. zu Unternehmen und Universitäten. Darüber hinaus verantwortet er den Zuwachs der IMA-Mitgliedschaften und CMA-Kandidaten in Europa.
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