In diesem Artikel wird die umgekehrte Steuerschuldnerschaft "
Reverse Charge" nach dem deutschem Umsatzsteuergesetz erläutert. Dabei werden folgende Fragen geklärt:
- Was ist die umgekehrte Steuerschuldnerschaft?
- Wo ist der Unterschied zum Regelfall der Steuerschuldnerschaft?
- Auf welche Geschäftsvorfälle findet die Vorschrift Anwendung?
- Welche Anforderungen ergeben sich an die Rechnungsstellung?
Regelfall - Steuerschuldnerschaft bei der Umsatzsteuer
Die Steuerschuldnerschaft richtet sich bei der Umsatzsteuer grundsätzlich nach dem §13a UStG. Dabei liegt sie
regelmäßig bei dem die Lieferung oder sonstige Leistung ausführenden Unternehmer [1]. Dieser vereinnahmt per Rechnungszahlung die Umsatzsteuer und führt sie im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung an das Finanzamt ab. Der empfangende Unternehmer macht, im Falle der Berechtigung zum Vorsteuerabzug, die gezahlte
Vorsteuer beim Finanzamt geltend.
§13b UStG – Leistungsempfänger als Steuerschuldner
Das Prinzip der umgekehrten Steuerschuldnerschaft
Der §13b UStG führt zu einer
Umkehr der Steuerschuldnerschaft, für Auslands- und Inlandsgeschäfte mit bestimmten Waren bzw. Lieferungen und sonstigen Leistungen. Dabei wird die Steuerschuldnerschaft vom ausführenden Unternehmer auf den Käufer übertragen. Der Veräußerer stellt in Folge dessen den Nettobetrag in Rechnung. Der Käufer ist sodann für die Anmeldung der zu zahlenden Umsatzsteuer in Deutschland im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung verantwortlich.
Die Abzugsfähigkeit der Umsatzsteuer wird dabei zunächst nicht beeinträchtigt. [2] Der §13b UStG führt somit nicht, wie die Regelung eventuell auf den ersten Blick vermuten lässt, zu einer höheren Steuerbelastung des Käufers, sondern ist eine reine Modifikation des Verfahrens. Tatsächlich ist dies für den Käufer sogar ein Vorteil, da die Mehrwertsteuer nicht bis zur Erstattung der Vorsteuer vorgestreckt werden muss. Nachzahlungen ergeben sich nur für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer. Das
Reverse Charge Verfahren dient vor allem der Vereinfachung des Steuerwesens, aber auch der Bekämpfung von Steuerbetrug (s.g. "Karussellbetrug"). [3]
Anwendungsbereich des §13b UStG
Von der Regelung erfasste Geschäftsvorfälle
Die Absätze (1) und (2) des §13b regeln zunächst die Steuerentstehung für bestimmte Geschäftsvorfälle. In Absatz (5) sind die Konstellationen festgehalten, bei denen der empfangende Unternehmer die Umsatzsteuer schuldet.
Im Folgenden findet sich eine
Übersicht der von der Regelung erfassten Geschäftsvorfälle. Sie stellt keine abschließende Aufzählung dar und ersetzt keine abschließende Prüfung. Zu beachten sind auch etwaige Zusatzbedingungen und Ausnahmeregelungen.
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§13b Absatz
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Beschreibung
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Ausnahmen
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Erbringung durch ...
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Erbringung an ...
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(1)
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sonstige Leistung im Inland nach §3a (2)
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- wenn Leistungserbringer Kleinunternehmer ((5) S. 8)
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im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer
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Unternehmer oder juristische Person (Abs. (5) S. 1 - 1. Hs.); auch wenn für nichtunternehmerischen Bereich (Abs. (5) S. 6)
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(2) Nr. 1
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Werklieferungen
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- wenn Leistungserbringer Kleinunternehmer ((5) S. 8)
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im Ausland ansässigen Unternehmer
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Unternehmer oder juristische Person (Abs. (5) S. 1 - 1. Hs.); auch wenn für nichtunternehmerischen Bereich (Abs. (5) S. 6)
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(2) Nr. 1
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nicht unter (1) fallende sonstige Leistung
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- wenn Leistungserbringer Kleinunternehmer ((5) S. 8)
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im Ausland ansässigen Unternehmer
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Unternehmer oder juristische Person (Abs. (5) S. 1 - 1. Hs.); auch wenn für nichtunternehmerischen Bereich (Abs. (5) S. 6)
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(2) Nr. 4
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Bauleistungen, Werklieferungen + sonst. Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken (Definition in S. 2)
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- wenn Leistungserbringer Kleinunternehmer ((5) S. 8) oder
- Planungs- & Überwachungsleistungen (Ausnahme gilt nicht, wenn unter Nr. 1 - Ausland); oder
- Empfänger Person des öffentlichen Rechts und Leistung für nichtunternehmerischen Bereich (Abs. (5) S. 10)
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Unternehmer (auch Subunternehmer), wenn er die Leistung nachhaltig erbringt; Annahme bei Bescheinigung durch Finanzamt. (Abs. (5) S. 2); auch wenn für nichtunternehmerischen Bereich (Abs. (5) S. 6)
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(2) Nr. 8
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Reinigen von Gebäuden
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- wenn Leistungserbringer Kleinunternehmer ((5) S. 8)
- Empfänger Person des öffentlichen Rechts und Leistung für nichtunternehmerischen Bereich (Abs. (5) S. 10)
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Unternehmer (auch Subunternehmer), wenn er die Leistung nachhaltig erbringt; Annahme bei Bescheinigung durch Finanzamt. (Abs. (5) S. 5); auch wenn für nicht unternehmerischen Bereich (Abs. (5) S. 6)
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(2) Nr. 10
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Lieferung Handys, Tablets, Spielekonsolen und integrierte Schaltkreise zwecks Einbaus
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- wenn Leistungserbringer Kleinunternehmer (Abs. (5) S. 8)
- bei Differenzbesteuerung (Abs. (5) S. 9) oder
- Empfänger Person des öffentlichen Rechts und Leistung für nichtunternehmerischen Bereich (Abs. (5) S. 10)
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an einen Unternehmer (Abs. (5) S. 1 - 2. Hs.); auch wenn für nichtunternehmerischen Bereich (Abs. (5) S. 6)
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Reverse Charge - Rechnung
Rechnungsanforderungen bei Reverse Charge
Die Rechnungsstellung erfolgt
mit Mehrwertsteuerausweis, jedoch mit einem Prozentsatz von null. Seit 2013 ist ein Hinweis auf die Anwendbarkeit der umgekehrten Steuerschuldnerschaft auf dem Rechnungsdokument verpflichtend.
[4] Dies geschieht in der Praxis z.B. durch den Satz "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" oder "Local VAT applicable".
[5] Fehlt diese Angabe, ändert dies nichts an der Anwendbarkeit des Reverse Charge Verfahrens und der Steuerschuldnerschaft, da der §13b keine korrekte Rechnungsstellung voraussetzt.
Fehlerhafte Reverse-Charge Rechnung
Gehen der ausführende und der empfangende Unternehmer fälschlicher Weise von der Anwendbarkeit des §13b UStG aus, kann die umgekehrte Steuerschuldnerschaft unter Umständen trotzdem bestehen, solange hierdurch keine Steuerausfälle entstehen.
[6]
Beispiele – Reverse Charge
Beispielfall – Anwendbarkeit der umgekehrten Steuerschuldnerschaft
Unternehmer A hat seinen Sitz in Irland und betreibt eine Online Suchmaschine mit Werbefunktion. Unternehmer B (vorsteuerabzugsberechtigt) mit Sitz in Deutschland schaltet für einen Monat eine Werbeanzeige in der Suchmaschine des Unternehmers A. Hierfür stellt dieser einen Betrag von 100 Euro exkl. Mehrwertsteuer in Rechnung.
Die Fallkonstellation erfüllt die Voraussetzungen des §13b (2) Nr. 1 UStG. Somit schuldet der Unternehmer B, mit Sitz in Deutschland, die Mehrwertsteuer.
Unternehmer A aus Irland stellt zum Ende des Monats eine Rechnung an Unternehmer B aus über einen Rechnungsbetrag von 100 Euro mit 0 Prozent Mehrwertsteuer. Auf der Rechnung wird auf die Anwendbarkeit der Reverse Charge Regelung hingewiesen.
Unternehmer B zahlt den Rechnungsbetrag in Höhe von 100 Euro. Er gibt im Rahmen seiner Umsatzsteuervoranmeldung den Rechnungsbetrag von 100 Euro in Feld Nummer 46 und die darauf entfallende Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Euro in Feld Nummer 47 an.
Gleichzeitig kann er die geschuldeten 19 Euro in Feld Nummer 67 angeben, sodass sich die Steuerschuld mit der abzuziehenden Vorsteuer saldiert.
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Beispielfall – Nichtanwendung der Reverse Charge Regelung trotz Vorliegen der Voraussetzungen
Fallkonstellation wie im obigen Beispiel; trotzdem stellt Unternehmer A eine Rechnung an Unternehmer B über 100 Euro + 19 Euro Mehrwertsteuer.
Trotz klarer Rechtslage haben beide Parteien die Regelung der umgekehrten Steuerschuldnerschaft nicht angewendet. Unternehmer A schuldet, trotz der Anwendbarkeit der Reverse Charge Regelung die vereinnahmte Mehrwertsteuer (unrichtiger Steuerausweis).[7] Der Unternehmer B muss darauf achten, dass er in diesem Fall die gezahlte Vorsteuer im Rahmen des allgemeinen Besteuerungsverfahrens geltend zu machen hat.
Zusammenfassung
Die wichtigsten Fakten zur umgekehrten Steuerschuldnerschaft noch einmal zusammengefasst:
- Die Reverse Charge Regelung verschiebt die Steuerschuldnerschaft zu dem die Lieferung oder Leistung empfangenden Unternehmer
- Nur gewisse Geschäftsvorfälle fallen unter die Regelung
- An die Rechnung und die Umsatzsteuervoranmeldung werden spezielle Anforderungen gestellt
- Vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer, die i.R.d. Regelung Mehrwertsteuer schulden, können diese als abziehbare Vorsteuer geltend machen
Fußnoten:
[1] Siehe §13a Nr. 1 UStG.
[2] Siehe §15 (1) Nr. 4 UStG.
[3] vgl. Sölch/Ringle/Heuermann „Umsatzsteuergesetz“ - §13b Rn. 1-2.
[4] Siehe Art. 226 Nr. 11 MwStSystRL.
[5] Siehe auch §14a (1) und (5) UStG.
[6] Siehe §13b (5) S. 7 UStG.
[7] Siehe §14c (1) UStG.
letzte Änderung A.R.
am 19.04.2023
Autor(en):
Alexander Rodosek
Bild:
Bildagentur PantherMedia / Pe3check
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Autor:in
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Herr Alexander Rodosek
ist Mitgründer der Plattformen meinBafoeg.de und dasElterngeld.de. Als Geschäftsführer leitet er in seinem Unternehmen die Bereiche Recht und Finanzen. Rodosek absolvierte ein Wirtschaftsrechtstudium (LL.B.) in Köln und erwarb den Master in Wirtschaftsprüfung, Steuern, Recht und Finanzen (M.Sc.). Er verfügt über Berufserfahrung in der Versicherungswirtschaft, verfasst regelmäßig Fachbeiträge für Controlling-Portal.de und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der TH Köln.
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