In der Gliederung der Bilanz nach § 266 HGB (Handelsgesetzbuch) sind "Rechnungsabgrenzungsposten" (RAP) sowohl auf der Aktivseite als auch auf der Passivseite zu finden. Entsprechend wird nach aktiven RAP (auch ARAP) und passiven RAP (PRAP) unterschieden. Dieser Artikel zeigt anhand von mehreren Beispielen, wie diese RAP auszugestalten sind.
Notwendigkeit der Rechnungsabgrenzung und gesetzliche Grundlagen
Die Notwendigkeit einer
Rechnungsabgrenzung ergibt sich aus § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB: "Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs sind unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen im Jahresabschluß zu berücksichtigen." Weil die
Leistungserbringung und die zugehörige Zahlung nicht immer im selben Geschäftsjahr erfolgen, müssen für eine Handelsbilanz RAP gebildet werden, die in § 250 HGB definiert sind.
Für das
Steuerrecht regelt
§ 5 Abs. 5 EStG (Einkommensteuergesetz) die Bildung von RAP in der Steuerbilanz. Auf die Unterschiede der RAP in der Handels- und der Steuerbilanz geht der letzte Abschnitt ein.
Aktive und passive RAP, transitorische und antizipatorische RAP
Zwei mögliche Geschäftsvorfälle führen zur Bildung von RAP:
- Der Unternehmer bezahlt für eine Leistung, die erst im folgenden Geschäftsjahr erbracht werden wird (aktiver RAP).
- Der Unternehmer erhält eine Zahlung für eine Leistung, die er erst im folgenden Geschäftsjahr erbringen wird (passiver RAP)
Nun ist aber auch der Fall möglich, dass eine Leistung bereits erbracht wurde, die Zahlung jedoch erst im folgenden Geschäftsjahr erfolgen wird. Deshalb wird zwischen
transitorischen und
antizipatorischen RAP unterschieden:
- Ein transitorischer RAP ist zu bilden, wenn die Zahlung in einem früheren Geschäftsjahr als die Leistungserbringung erfolgt (aktiver oder passiver RAP).
- Ein antizipatorischer RAP muss in die Bilanz aufgenommen werden, wenn die Zahlung in einem späteren Geschäftsjahr als die Leistungserbringung erfolgt (sonstige Forderung und sonstige Verbindlichkeit).
Die folgende
Matrix macht das
Abgrenzungsprinzip noch deutlicher:
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Transitorische Posten: Zahlung vor dem Bilanzstichtag, Leistungserbringung danach
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Antizipatorische Posten: Zahlung nach dem Bilanzstichtag, Leistungserbringung davor
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Der Unternehmer zahlt für eine eingekaufte Leistung
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aktiver RAP
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sonstige Verbindlichkeit
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Der Unternehmer erhält eine Zahlung für eine selbst erbrachte Leistung
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passiver RAP
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sonstige Forderung
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Im Folgenden sind
praktische Beispiele für aktive und passive RAP aufgeführt.
Praxisbeispiele für aktive RAP
Beispiel 1
Das kleine Unternehmen Insta L. zahlt im Dezember 2022 die
Betriebshaftpflichtversicherung für das komplette Jahr 2023 in Höhe von 1200 €. Im Unternehmen entspricht das Kalenderjahr dem Geschäftsjahr, also erfolgen Zahlung und Leistungserbringung in getrennten
Geschäftsjahren. In seinem Jahresabschluss muss Insta L. einen aktiven RAP in voller Höhe bilden. Die zugehörigen Buchungen in der Bilanz des Jahres 2022 lauten:
- Betriebshaftpflichtversicherung an Bank: 1.200 €
- Aktiver RAP an Betriebshaftpflichtversicherung: 1.200 €
-
Im Jahr 2023 muss dieser Posten dann buchhalterisch wieder aufgelöst werden (das darf nicht vergessen werden!):
- Betriebshaftpflichtversicherung an aktiven RAP: 1.200 €
Beispiel 2
Die kleine Handelskette L. S., die lokale Spezialitäten verkauft, eröffnet
eine
neue Filiale. Weil in der Stadt der Markt für Gewerbeflächen in der Innenstadt angespannt ist, muss der Inhaber der Handelskette dem Vermieter des Objekts sechs Monatsmieten im Voraus versprechen, um den
Zuschlag für das Ladenlokal zu erhalten.
Das Unternehmen
mietet den Laden ab November 2022 an, um noch das Weihnachtsgeschäft mitzunehmen. Die Leistung für die Mietzahlung im Jahr 2022 wird also teilweise im selben Jahr, teilweise im folgenden Jahr erbracht. Genauer gesagt: Die Miete für zwei Monate (4.000 €) betreffen das Jahr der Zahlung, die Miete für vier Monate (8.000 €) das folgende Jahr. Im Jahr 2022 ist wie folgt zu buchen:
- Ladenmiete an Bank: 12.000 €
- Aktiver RAP an Ladenmiete: 8.000 €
Der aktive RAP enthält also nur den Betrag, der
wirtschaftlich dem Jahr 2023 zuzurechnen ist. 2023 muss dann die
Gegenbuchung vorgenommen werden:
- Ladenmiete an aktiven RAP: 8.000 €
Beispiel 3
Unternehmerin B. U. bucht drei
Plakatwände für ihre
Außenwerbung. Für die Buchung von 24 Monaten gibt die Werbefirma einen deutlichen Rabatt, deshalb schließt B. U. einen Vertrag über diese Laufzeit ab. Den Gesamtbetrag von 7.200 € hat B. U. jedoch zu Beginn der Laufzeit Juni 2022 bis Mai 2024 zu zahlen. Für drei folgenden Bilanzen muss der Betrag nun entsprechend der Zuordnung zum Geschäftsjahr zugeordnet werden. Der Monatsbetrag ist 7.200 : 24 = 300 €. Im Jahresabschluss 2022 bucht ihr Buchhalter:
- Kosten für Plakatwände an Bank: 7.200 €
- Aktiver RAP an Kosten für Plakatwände: 5.100 € (Plakatwandmiete für 17 Monate)
2023 wird nur ein Teil des aktiven RAP gegengebucht:
- Kosten für Plakatwände an aktiven RAP: 3.600 € (Plakatwandmiete für 12 Monate)
2024 erfolgt dann die Auflösung des aktiven RAP durch die Buchung:
- Kosten für Plakatwände an aktiven RAP: 1.500 € (Plakatwandmiete für 5 Monate)
Weitere Geschäftsvorfälle, zu denen aktive RAP gebildet werden müssen, können beispielsweise sein:
- Wartungsverträge,
- Leasingsonderzahlung,
- Erschließungskosten,
- Bearbeitungsgebühren und die
- Kraftfahrzeugsteuer.
Praxisbeispiele für passive RAP
Beispiel 4
Das Fitnessstudio Muscles XXL verkauft im Dezember 2022 eine
Jahreskarte für die Nutzung ihres Studios im Jahr 2023. Es erhält dementsprechend Einnahmen im Geschäftsjahr 2022, erbringt die Leistung jedoch erst im folgenden Jahr. Die Buchhalterin bucht im Jahresabschluss 2022:
- Bank an Erträge aus Jahreskarten: 1.200 €
- Erträge aus Jahreskarten an passiven RAP: 1.200 €
2023 löst die Buchhalterin den passiven RAP durch die Gegenbuchung wieder auf:
- Passiver RAP an Erträge aus Jahreskarten: 1.200 €
Beispiel 5
Die Softwarefirma Winzigweich erhält im November 2022 von einem Kunden 1.800 € an
Spezialsoftware-Lizenzgebühren für den Zeitraum 01.12.2022 bis 30.11.2023. Dementsprechend ist ein Zwölftel der Gebühren (150 €) dem aktuellen Geschäftsjahr zuzuordnen, in dem die Zahlung stattgefunden hat; die übrigen elf Zwölftel entfallen auf das kommende Geschäftsjahr, das am 01.01.2023 beginnt (bitte beachten: Nicht alle Geschäftsjahre stimmen mit den Kalenderjahren überein. Entscheidend ist immer das Geschäftsjahr). In der Bilanz für 2022 ist folgende Buchung zu finden:
- Bank an Erträge aus Lizenzgebühren: 1.800 €
- Erträge aus Lizenzgebühren an passiven RAP: 1.650 € (elf Zwölftel der Gesamtsumme)
2023 wird folgende Gegenbuchung vorgenommen:
- Passiver RAP an Erträge aus Lizenzgebühren: 1.650 €
Wichtig: Die eingenommene Umsatzsteuer gehört nicht in den passiven RAP. Nach § 13 Abs. 1 UStG (Umsatzsteuergesetz) entsteht die Steuer zum Zeitpunkt der Zahlung und ist in voller Höhe in der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Zeitraum, in dem die Zahlung erfolgt ist, ans Finanzamt zu überweisen.
Beispiel 6
Ein Hersteller von Wärmepumpen gewährt dem mittelständischen Unternehmen Pump-Hose einen
Zuschuss für die Entwicklung eines verbesserten Steuergeräts für seine Wärmepumpen von 48.000 € für zwei Jahre. Zum 01.09.2022 wird der komplette Zuschuss auf das Firmenkonto von Pump-Hose überwiesen. Die Buchhalterin bildet im Jahresabschluss einen passiven RAP und berechnet die wirtschaftliche Zuordnung der Zuschusssumme auf die einzelnen Monate im vereinbarten Zeitraum. Sie bucht folgendermaßen:
- Bank an Wärmepumpen-Zuschuss: 48.000 €
- Wärmepumpen-Zuschuss an passiven RAP: 40.000 € (Gesamtsumme abzüglich des Betrags für vier Monate im Jahr 2022)
2023 wird folgende Gegenbuchung vorgenommen:
- Passiver RAP an Wärmepumpen-Zuschuss: 24.000 € (Zuschuss für 2023)
Die Buchung im Jahr 2024 lautet:
- Passiver RAP an Wärmepumpen-Zuschuss: 16.000 € (restlicher Zuschuss)
Weitere Erträge, für die passive RAP in Frage kommen, sind beispielsweise vorab gezahlte Mieten und Pachten sowie monatliche Erträge aus Abonnements.
Ausnahmen von der Bildung von RAP
Lange Zeit orientierten sich kleine und mittlere Unternehmen an einem Urteil des
Bundesfinanzhofs (BFH, Beschluss vom 18.03.2010, Az. X R 20/09): Demnach musste nicht unbedingt ein aktiver RAP für geringfügige Wirtschaftsgüter (damals bis 401 €) gebildet werden.
Die Praxis wurde auch fortgesetzt, als die Grenze für
geringfügige Wirtschaftsgüter im Jahr 2018 auf 800 €
angehoben wurde. In einem aktuellen Urteil (vom 16.03.2021, X R 34/19) hat der BFH dieser Praxis allerdings einen Riegel vorgeschoben und betont, dass es an einer rechtlichen Grundlage für ein Wahlrecht zur Bildung von aktiven RAP in Fällen von geringer Bedeutung fehle. Es gibt also keine Untergrenze für aktive RAP.
Keine aktiven RAP sind bei verschiedenen Provisionszahlungen zu bilden, etwa bei Maklerprovisionen für den Abschluss eines Mietvertrags oder Provisionsvorschüsse für Handelsvertreter. Gleiches gilt für Mieterumbauten und -einbauten sowie Aufwendungen, die Teil der Herstellungskosten von Erzeugnissen sind. Passive RAP wiederum sind u. a. nicht zulässig bei Gutscheinen für einen Preisnachlass beim nächsten Einlauf, Werkzeugkostenbeiträgen und öffentlichen Investitionszuschüssen.
Unterschiede in Handels- und Steuerbilanz hinsichtlich RAP
Wie Handels- und Steuerbilanz in mancher Hinsicht nicht deckungsgleich sind, so weichen sie auch bei den RAP voneinander ab. Für
Steuern gilt im Handelsrecht im Hinblick auf RAP ein
Aktivierungsverbot, doch im Steuerrecht ist das anders. So heißt es in § 5 Abs. 5 Satz 2 EStG zur Steuerbilanz: "Auf der Aktivseite sind ferner anzusetzen
- als Aufwand berücksichtigte Zölle und Verbrauchsteuern, soweit sie auf am Abschlussstichtag auszuweisende Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens entfallen,
- als Aufwand berücksichtigte Umsatzsteuer auf am Abschlussstichtag auszuweisende Anzahlungen."
Letzte Änderung W.V.R am 17.10.2023
Autor(en):
Stefan Parsch