Es war wieder soweit. Nach einer anstrengenden Woche trafen sich die erfolgreichen Unternehmer der Kleinstadt wie üblich im örtlichen Golfclub. Weniger des Sportes wegen, sondern hauptsächlich um unter sich zu sein. So war auch ihr größtes Handicap, dass viele kaum wussten, wo es auf das Grün ging. Sie saßen im Kaminzimmer und wurden von Ihrer Lieblingskellnerin Pauline bedient. Sie war BWL-Studentin und freute sich immer auf die Unternehmerrunde. Neben den großzügigen Trinkgeldern gab es häufig amüsante Streitgespräche.
In deren Verlauf warfen die Unternehmer ihr Praxisferne vor. Sie konnte aber häufig mit neuen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen frisch aus der Vorlesung verblüffen. Dies war für die erfolgsgewohnten Unternehmer nicht ganz unwichtig, denn als Patriarchen der alten Schule achteten sie in ihren Unternehmen nicht auf Diskussionskultur. Viele Mitarbeiter hatten sich damit abgefunden, dass der Chef immer Recht hatte und wagten kaum, auf Probleme hinzuweisen. Auch deswegen war der Golfclub nützlich, denn von Kollegen konnte man ja Ratschläge annehmen - und natürlich Aufträge.
Die Runde begann immer gleich. Nachdem jeder unaufgefordert sein Lieblingsgetränk erhalten hatte, fragte einer: "Nun, Paulinchen, was hast Du denn diese Woche Besonderes an der Hochschule gelernt?" Meist wurde noch ein Studentenwitz angehängt: "Schön, dass Du uns zuliebe schon um 15 Uhr aufgestanden bist."
Entscheiden in unsicheren Zeiten: Plan A, oder Plan B, oder ...
Diese Woche wurde darüber diskutiert, wie Unternehmensführung in Zeiten großer Unsicherheiten aussehen solle. Die Teilnehmer der Runde waren sehr unterschiedlich durch die
Coronakrise und die
Energiekrise gekommen. Da die meisten Mitglieder der Runde als selbstständige Unternehmer ihre Betriebe leiteten, war Aufgeben für sie keine Option, auch wenn sie stark unter den Folgen litten.
Kurt Kappe, der Hersteller von Flaschenverschlüssen, fasste es wie folgt zusammen: "Da muss man halt die Zähne zusammenbeißen und durchhalten, auch wenn größere Summen aus dem Privatvermögen eingesetzt werden müssen." Er traf mit seinem Kommentar die Meinung der meisten Kollegen, die zustimmend nickten.
Stefan Steuer, der Chefcontroller eines großen Markenartikelunternehmens, erklärte: "Diese Einstellung ehrt Euch, zumal es in der Krise ja auch große Chancen gegeben hat. Und mit einem Lächeln ergänzte er: "Ich meine nicht nur für die Verkäufer von Klopapier. Aber auf der anderen Seite ist auch vielen Unternehmen die Geschäftsgrundlage weggebrochen. Insbesondere die langen Lockdowns haben die Unternehmen in Gewinner und Verlierer eingeteilt. Je direkter der Kundenkontakt war, umso schwieriger wurde es. Wie habt Ihr denn reagiert?“
Ludwig Luxus, der Besitzer eines 5-Sterne-Luxushotels, das seit drei Generationen von der Familie geführt wurde, erklärte seinen Ansatz: "Uns hat es in der Tat hart getroffen. Innerhalb weniger Tage hatten wir kein Geschäft mehr. Aber uns kam nie der Gedanke des Aufgebens. Wir können nicht einfach drei Generationen Familiengeschichte wegwerfen. Es war im Laufe der Verhandlungen allerdings notwendig, für einen zusätzlich notwendigen Kredit persönlich zu haften. Die Banken wollten auf Nummer sicher gehen und haben uns wegen der Sicherheiten praktisch erpresst."
Stefan Steuer fragte: "Hast Du dann wenigstens niedrigere Zinssätze erhalten nach Deiner Haftungszusage? Denn durch Deine persönliche Haftung gab es ja kaum Risiko für die Banken."
Ludwig Luxus wurde rot: „So ein Mist. Die Bank hat die Zinssätze nicht gesenkt, nachdem wir dann doch in die Haftung gegangen sind. Die werde ich anrufen und Ihnen was erzählen:
Risikoaufschläge nehmen, wenn kein Risiko vorhanden ist."
Zu seinem Glück war
Zacharias Zaster, der Bankdirektor, am heutigen Tage verhindert. Aber das nächste Treffen mit der edlen Runde würde nicht so angenehm für ihn verlaufen. Es gab zu viele Fragen zur Berechtigung von Risikoaufschlägen. Nun wollte man wissen, welche Maßnahmen denn ergriffen wurden. Ludwig Luxus führte aus: "Wir sind sogar ohne Kündigungen ausgekommen, indem wir die Möglichkeiten zur Kurzarbeit genutzt haben. Und wir haben mit unserem Restaurant viele neue Angebote gemacht."
Dieter Durchblick, der Chefredakteur einer Wirtschaftszeitung, ergänzte: "Dazu habt Ihr ja auch vom Staat Unterstützungszahlungen erhalten."
Pauline wandte sich an Ludwig Luxus und wollte wissen: "Haben Sie wohl ausgerechnet, wie lange Sie hätten durchhalten können?" Denn sie hatte gerade an der Hochschule gelernt, warum das wichtig war und wie solche Rechnungen funktionieren.
Seine Antwort war negativ: "Nein, wir wollten durchhalten, koste es, was es wolle. Oder wie man heute wohl sagt: Whatever it takes. Und heute sind uns die Angestellten sehr dankbar und engagieren sich überdurchschnittlich. Aber selbstverständlich haben wir alle Einsparregister gezogen. Keine neuen Fahrzeuge für die Führungskräfte und mich. Dazu konnten wir mit der Besitzgesellschaft unserer Hotelimmobilie eine vorübergehende Pachtreduzierung erreichen."
Stefan Steuer fragte: "Aber gehört Euch nicht auch die Besitzgesellschaft?" Ludwig Luxus nickte.
Daraufhin folgerte Stefan Steuer: „Also habt Ihr da auch noch Opfer gebracht. Mein Respekt. Aber Paulines Frage ist schon berechtigt. Bitte schätze einmal, wie lange Ihr hättet durchhalten können? Wie viel Reserven habt ihr gehabt?“
Letzte Änderung W.V.R am 08.05.2023
Autor(en):
Dr. Peter Hoberg
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