Die
Gewinn- und Verlustrechnung (
GuV) ist neben der
Bilanz ein wesentlicher Teil des
externen Rechnungswesens und des
Jahresabschlusses eines Unternehmens. Nach deutschem Handelsrecht besteht bei der Erstellung der GuV die Wahl zwischen dem
Gesamtkosten- und dem
Umsatzkostenverfahren (§ 275 Abs. 1 HGB – Handelsgesetzbuch). Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile und führen bei korrekter Anwendung zum gleichen Jahresüberschuss oder -fehlbetrag.
Hintergründe zum Gesamtkosten- und zum Umsatzkostenverfahren
Traditionell wird in Deutschland die GuV nach dem
Gesamtkostenverfahren (GKV) durchgeführt, bei vielen
kleinen und mittelständischen Unternehmen ist dies bis heute der Fall. Dabei werden alle Umsätze
eines
Betrachtungszeitraums (Monat, Quartal, Jahr) ins Verhältnis gesetzt zu allen Aufwendungen in diesem Zeitraum.
Wenn jedoch ein Firmenprodukt in einem Jahr produziert, aber erst im folgenden Jahr verkauft wird, dann sind die Kosten in einer anderen Rechnungsperiode angefallen als die Erlöse. Bei diesem Verfahren muss deshalb immer genau der Bestand an
halbfertigen und
nicht abgesetzten Produkten berücksichtigt werden.
Anders betrachtet, bewertet das GKV die Produktionsleistung einer Firma in einer Periode nach der produzierten Menge, unabhängig davon, ob diese schon verkauft worden sind oder nicht. Das Verfahren gilt deshalb als produktionsorientiert und wird auch als
Produktionserfolgsrechnung bezeichnet.
Im englischsprachigen Raum kommt üblicherweise das
Umsatzkostenverfahren (UKV) zum Einsatz. Hierbei werden den Umsatzerlösen nur diejenigen
Kosten gegenübergestellt, die den abgesetzten Waren zugeordnet werden können.
Halbfabrikate und
Lagerbestände bleiben bei der Betrachtung außen vor. Während Aufwendungen beim GKV nach Aufwandsarten, wie
Material,
Personal und
Abschreibungen, unterschieden werden, sind sie beim UKV nach Funktionsbereichen, wie Herstellung, Verwaltung und Vertrieb, unterteilt. Das Verfahren ist absatzorientiert und wird auch Umsatzerfolgsrechnung genannt.
International wird überwiegend das UKV angewendet. Nach den
International Financial Reporting Standards (
IFRS) ist das GKV zwar erlaubt, doch wird dem UKV der Vorzug gegeben. Die United States Generally Accepted Accounting Principles (
US-GAAP) schreiben zwingend das UKV vor. Gerade bei Konzernen und international aufgestellten Unternehmen kommt zunehmend das UKV zum Einsatz. Für kleine und mittelständische Unternehmen ist es in der Regel jedoch mit einem Mehraufwand gegenüber dem GKV verbunden, siehe Abschnitt zu den Vor- und Nachteilen der Verfahren.
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Vorgaben des Handelsgesetzbuchs
Das
HGB listet in § 275 genau auf, wie die GuV nach den beiden Verfahren gegliedert werden muss. Beide Verfahren beginnen mit den
Umsatzerlösen, doch danach fangen die Unterschiede an. Beim GKV (§ 275 Abs. 2 HGB) wird eine Erhöhung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen hinzugezählt oder eine Verminderung abgezogen.
Denn wenn der Bestand steigt, also mehr produziert als verkauft worden ist, dann erhöht dies nach dem GKV die Erträge. Außerdem werden andere
aktivierte Eigenleistungen (z. B. eine selbst entwickelte Software) sowie sonstige betriebliche Erträge addiert.
Das Ergebnis wird allgemein als "
Gesamtleistung" bezeichnet, auch wenn der Begriff im Gesetz nicht auftaucht. Von dieser Gesamtleistung werden nun verschiedene Kosten abgezogen: Materialaufwand, Personalaufwand, Abschreibungen, jeweils noch mit Unterkategorien, sowie
sonstige betriebliche Aufwendungen (z. B. Verwaltungskosten).
Aus dieser Rechnung ergibt sich das
Betriebsergebnis. Was folgt, ist dann wieder für GKV und UKV gleich: Addiert werden Erträge aus Beteiligungen und aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens, sonstige Zinsen und ähnliche Erträge. Subtrahiert werden Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens sowie Zinsen und ähnliche Aufwendungen.
Schließlich werden
Steuern auf das Einkommen und auf den Ertrag hinzugezählt oder abgezogen – je nach Betriebsergebnis. Es ergibt sich das Ergebnis nach Steuern, von dem die Zahlung weiterer Steuern abgezogen oder deren Erstattung hinzugezählt wird.
Schließlich erhält man den
Jahresüberschuss oder den
Jahresfehlbetrag. Beim UKV sind nach § 275 Abs. 3 HGB bis zum Betriebsergebnis andere Posten auszuweisen. Von den Umsatzerlösen werden lediglich die Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen abgezogen (bei Handelswaren entsprechen die Anschaffungskosten den Herstellungskosten).
Die Kosten für
Produkte, die
nicht verkauft wurden, sondern im Lager gelandet sind, bleiben hier außen vor. Umsatz minus Herstellungskosten ergibt das Bruttoergebnis vom Umsatz, das eigens aufgeführt werden muss.
Vom
Bruttoergebnis werden Vertriebskosten, allgemeine Verwaltungskosten und sonstige betriebliche Aufwendungen subtrahiert und sonstige betriebliche Erträge addiert. Daraus ergibt sich das Betriebsergebnis. Die weiteren
Rechenschritte sind dieselben wie beim GKV.
Eine Besonderheit gilt für
Kleinstkapitalgesellschaften. Dies sind nach § 267a HGB Kapitalgesellschaften, die zwei der drei folgenden Merkmale nicht überschreiten: 350 000 Euro Bilanzsumme; 700 000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag; im Jahresdurchschnitt zehn Arbeitnehmer.
Kleinstkapitalgesellschaften müssen nach § 275 Abs. 5 HGB in der GuV lediglich
acht Posten ausweisen, nämlich Umsatzerlöse, sonstige Erträge, Materialaufwand, Personalaufwand, Abschreibungen, sonstige Aufwendungen, Steuern, Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag.
Durchführung des Gesamtkostenverfahrens
An einem
Beispiel soll die Durchführung des GKV bis zum Betriebsergebnis veranschaulicht werden. Das Unternehmen "Vier Beine" stellt Tische und Stühle her. Von beiden gibt es
mehrere Modelle, aber der Produktionsaufwand ist für alle Modelle derselbe.
Die Firma fertigt in einem Geschäftsjahr 20.000 Tische und 80.000 Stühle. Sie verkauft 18.000 Tische zum Preis von je 75 € und 70.000 Stühle zum Preis von je 25 € an Groß- und Einzelhändler; das ergibt einen Umsatzerlös von 3.100.000 €. In ihren Lagerbestand nimmt sie dementsprechend 2.000 Tische und 10.000 Stühle auf.
Bei der
Produktion entstehen
folgende Kosten:
- Materialaufwand: 15 € pro Tisch, 5 € pro Stuhl
- Personalaufwand: 15 € pro Tisch, 5 € pro Stuhl
- Abschreibungen: 9 € pro Tisch, 3 € pro Stuhl
- Verwaltungskosten: 9 € pro Tisch, 3 € pro Stuhl
Die
Herstellungskosten pro Tisch betragen also 48 €, pro Stuhl 16 €. Um die Bestandserhöhung zu berechnen, werden die Kosten pro Stück mit den Mengen multipliziert: 48 × 2.000 = 96.000 €, 16 × 10.000 = 160.000 €.
Zusammengenommen macht die
Bestandserhöhung also 256.000 € aus. Die weitere Berechnung des Betriebsergebnisses – ohne andere aktivierte Eigenleistungen und sonstige betriebliche Erträge – kann der folgenden Tabelle entnommen werden.
Operator
|
Posten
|
Rechnung
|
Ergebnis
|
|
Umsatzerlöse
|
|
3.100.000 €
|
+
|
Bestandserhöhung
|
|
256.000 €
|
=
|
Gesamtleistung
|
|
3.356.000 €
|
–
|
Materialaufwendungen
|
(15 × 20.000) + (5 × 80.000)
|
700.000 €
|
–
|
Personalaufwendungen
|
(15 × 20.000) + (5 × 80.000) + 150.000 (Vertrieb)
|
850.000 €
|
–
|
Abschreibungen
|
(9 x 20.000) + (3 × 80.000) + 150.000 (Vertrieb)
|
570.000 €
|
–
|
sonstige betriebl Aufwendungen
|
(9 x 20.000) + (3 × 80.000)
|
420.000 €
|
=
|
Betriebsergebnis
|
|
816.000 €
|
Hinter den sonstigen betrieblichen Aufwendungen stehen in diesem Beispiel nur die
allgemeinen Verwaltungskosten. Die Firma "Vier Stühle" hat also nach dem GKV ein Jahresbetriebsergebnis von 816.000 € erzielt.
Durchführung des Umsatzkostenverfahrens
Nach dem UKV sollte nun
dasselbe Ergebnis erreicht werden. Es gelten dieselben Umsatzerlöse und Kosten wie beim GKV, nur werden die
Stückkosten nicht für alle hergestellten Tische und Stühle berechnet, sondern nur für die verkauften:
- Materialaufwand: (15 × 18.000) + (5 × 70.000) = 620.000 €
- Personalaufwand: (15 × 18.000) + (5 × 70.000) = 620.000 €
- Abschreibungen: (9 × 18.000) + (3 × 70.000) = 372.000 €
Die drei Posten ergeben beim UKV zusammengerechnet die Herstellungskosten, in diesem Fall 1.488.000 €. Wenn man die sonstigen betrieblichen Erträge und Aufwendungen außen vor lässt, ergibt sich folgende Berechnung:
Operator
|
Posten
|
Rechnung
|
Ergebnis
|
|
Umsatzerlöse
|
|
3.100.000 €
|
–
|
Herstellungskosten des Umsatzes
|
|
1.612.000 €
|
=
|
Bruttoergebnis vom Umsatz
|
|
1.488.000 €
|
–
|
Vertriebskosten
|
150.000 (Gehalt) + 150.000 (Abschreibungen)
|
300.000 €
|
–
|
allgemeine Verwaltungskosten
|
für Tische und Stühle (9 × 18.000) + (3 × 70.000)
|
372.000 €
|
=
|
Betriebsergebnis
|
|
816.000 €
|
Trotz der unterschiedlichen Rechenwege stimmen die Betriebsergebnisse der Firma "Vier Stühle" nach dem GKV und nach dem UKV überein.
Vor- und Nachteile der beiden Verfahren
Das GKV hat folgende Vorteile:
- Das GKV kann im Wesentlichen die Daten aus der Finanzbuchhaltung/doppelten Buchführung nutzen.
- Es zeigt sich auf einen Blick die Gesamtleistung und den Gesamtaufwand des Unternehmens.
- Die Entwicklung der Kostenarten Material, Personal und Abschreibungen kann unmittelbar abgelesen werden.
- Das GKV ist auch für Unternehmen ohne Kosten- und Leistungsrechnung geeignet.
Das GKV hat folgende Nachteile:
- Die Lagerbestände müssen permanent akkurat nachgehalten werden, etwa durch monatliche Erfassung oder Inventur.
- Die Beiträge einzelner Produkte oder Produktgruppen zum Betriebserfolg können nicht aus den GKV-Angaben abgelesen werden.
- Wenn das Unternehmen in einen Konzern eingegliedert wird, kann die GKV in der Regel nicht mehr angewendet werden.
- Die Ergebnisse bieten keine gute Basis für zukünftige Planungen.
Das UKV hat folgende Vorteile:
- Das Bruttoergebnis vom Umsatz stellt einen guten Indikator für Markterfolg und Wirtschaftlichkeit dar.
- Für eine kurzfristige (z. B. monatliche) Ergebnisrechnung ist die UKV aussagekräftiger, weil sich die Betriebsergebnisse für einzelne Produkte, Produktgruppen oder Vertriebswege einfacher ermitteln lassen.
- Die Lagerbestände müssen nicht permanent akkurat nachgehalten werden.
- In großen Unternehmen und Konzernen entspricht das UKV in der Regel dem Kalkulationsschema.
- Die mit dem UKV erstellte GuV ist international besser vergleichbar und erleichtert eine Kapitalbeschaffung auf internationalen Kapitalmärkten.
Das UKV hat folgende Nachteile:
- Das UKV setzt eine Kostenrechnung und statistische Berechnungen voraus, was einen größeren Aufwand als bei der GKV bedeutet, zumindest für Unternehmen, die keine Kostenrechnung neben der Buchhaltung führen.
- Betriebliche Aufwendungen sind nicht immer eindeutig einem Funktionsbereich, wie Herstellung, Vertrieb oder Verwaltung, zuzuordnen.
- Das HGB verlangt in § 285 Nr. 8, dass der Materialaufwand und der Personalaufwand, gegliedert wie beim GKV, im Anhang der GuV anzugeben sind.
Bei der Umstellung vom Gesamt- zum Umsatzkostenverfahren zu beachten
Wenn es zu einer
Umstellung des Verfahrens zur Erstellung einer GuV kommt, dann in aller Regel vom GKV zum international gebräuchlichen UKV. Dabei gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: die Einführung des UKV auf der Auswertungsebene oder auf der Erfassungsebene.
Die
Auswertungsebene umfasst lediglich die GuV und wie sie ausgewiesen wird. Die Erfassungsebene betrifft auch die Erfassung von Geschäftsvorfällen und damit den Kontenplan. In beiden Fällen ist die Erstellung einer Übergangsmatrix sinnvoll. Diese Matrix schreibt vor, wie die einzelnen Konten aus der GKV-Gliederung in eine UKV-Gliederung zu überführen sind.
Das kann beispielsweise auch bedeuten, dass bei einem GKV-Konto einzelne
Kostenstellen verschiedenen UKV-Konten zugeordnet werden müssen. Die meisten in Deutschland verwendeten
Kontenrahmen sind in erster Linie nach dem GKV gegliedert, auch die Standardkontenrahmen SKR 03 und SKR 04.
Beim Einsatz auf der
Auswertungsebene muss die
Übergangsmatrix im IT-System lediglich für die Erstellung einer GuV hinterlegt werden. Wird das UKV auf der Erfassungsebene eingeführt, muss der komplette Kontenplan geändert, müssen die Kontierungs- und Buchungsanleitungen angepasst und die Mitarbeiter entsprechend geschult werden.
Das gilt meist auch für die Geschäftsprozesse im
Rechnungswesen und im
Controlling. Ebenso werden neue Managementberichte und Analysen sowie Kennzahlen der Jahresabschlüsse notwendig.
Die Einführung der UKV auf der
Erfassungsebene ist üblicherweise ein umfangreiches Projekt, das gut geplant werden sollte. Es empfiehlt sich eine Umstellung zu einem neuen Geschäftsjahr, weil der Rechenaufwand sonst noch größer wird. Auch sollte der Verfahrenswechsel einschließlich der Übergangsmatrix dokumentiert werden, um
Qualitätssicherungsstandards zu entsprechen.
letzte Änderung S.P.
am 27.11.2023
Autor(en):
Stefan Parsch
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Autor:in
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Herr Stefan Parsch
Stefan Parsch ist freier Journalist und Lektor. Er schreibt Fachartikel für die Portale von reimus.NET und Artikel über wissenschaftliche Themen für die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Für den Verein Deutscher Ingenieure lektoriert er technische Richtlinien. Mehr als zwölf Jahre lang war er Pressesprecher der Technischen Hochschule Brandenburg.
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