Die
XRechnung ist da. Was bedeutet das für Unternehmen? Wie aufwendig wird der Umstieg, und ist er überhaupt notwendig? Diese Fragen hat Rechnungswesen-Portal.de dem Experten
Jörgen Erichsen gestellt.
Die XRechnung ist seit 27. November 2020 Standard für Geschäfte mit Bundesbehörden. So legt es die
E-Rechnungsverordnung (E-Rech-VO) fest. Doch nicht nur Landes- und Kommunalverwaltungen werden folgen, sondern auch die Privatwirtschaft. Davon geht der Leverkusener Unternehmensberater Jörgen Erichsen im Gespräch mit Rechnungswesen-Portal.de aus. Erichsen ist Fachautor zum Thema XRechnung beim Haufe Verlag und sieht durchaus Vorteile im neuen Standard. Die XRechnung erspart zeitraubende und oft fehlerbehaftete manuelle Nacharbeiten im Rechnungslauf. Der Experte rät zu einem geplanten Umstieg, sieht aber keinen Grund zur Panik. Ohnehin werden die Softwareanbieter den neuen Standard in ihren Produkten umsetzen und in den Unternehmen implementieren.
Die Bundesbehörden beginnen im Augenblick mit der Einführung der XRechnung. Viele Unternehmen fürchten eine aufwendige Umstellung. Komme ich als Unternehmer um den Standard herum, wenn ich keine Geschäfte mit Behörden mache?
Jörgen Erichsen: Das Thema befindet sich heute natürlich noch im Fluss. Aber die Behörden geben die Richtung vor, wie Sie richtig sagten. In diesem und im nächsten Jahr werden alle Behörden auf die X-Rechnung umstellen. Unternehmen, die keine Geschäftsbeziehungen mit Behörden haben – egal auf welcher Ebene -, werden kurzfristig eher weniger Umsetzungsdruck haben. Wobei ich kurzfristig als Zeitraum von 12 bis 18 Monaten ansehe. Wenn ich als kleiner oder mittelständischer Unternehmer aber oft mit großen Unternehmen oder großen Mittelständlern zu tun habe, dann kann das Thema für mich doch etwas schneller einholen, denn auch diese Firmen stellen um oder sind dabei es zu tun. Unternehmer im B2G-Bereich – also Business to Government – und im B2B-Bereich sollten sich frühzeitig mit der XRechnung auseinandersetzen. Wer nur Rechnungen an Privatkunden ausstellt, kann sich vielleicht noch ein bisschen länger Zeit nehmen. Aber klar ist aus heutiger Sicht: Die XRechnung wird sich mittel- oder langfristig durchsetzen.
Damit sprechen Sie an, dass Unternehmen, die mit Behörden Geschäfte machen, ja ohnehin auf die XRechnung umsteigen müssen?
Erichsen: Nach aktuellem Stand wird der Bund nur die XRechnung akzeptieren. Bei den Ländern oder Kommunen könnte es Ausnahmen geben. Ich gehe aber nicht davon aus, dass wir einen Wildwuchs von unterschiedlichen Formaten und Lösungen haben werden. Die XRechnung wird sich schon deshalb durchsetzen, weil sie ja nicht nur national gilt, sondern auch international.
Wildwuchs ist ein gutes Stichwort. Viele Unternehmen stellen ja jetzt schon Rechnungen per PDF. Für den Rechnungssteller ist das ein Mausklick, dann entsteht die PDF-Rechnung aus dem Office- oder Buchhaltungsprogramm. Aber die PDF-Rechnung ist keine XRechnung. Hat sie dennoch eine Zukunft?
Erichsen: Gerade weil die PDF-Rechnung so einfach zu erstellen und zu versenden ist, wird sie für eine Übergangszeit noch erhalten bleiben, vielleicht sogar über die nächsten zwei bis drei Jahre hinaus. Viele kleinere Unternehmen haben immer noch nicht auf einen elektronischen Rechnungslauf umgestellt, auch nicht mittels PDF. Die Nutzung von PDF ist meist der erste Schritt in Richtung E-Rechnung und wird uns wohl noch eine Weile begleiten. Aber der Druck auf die reine PDF-Rechnung zu verzichten, wird kontinuierlich steigen. Mit dem Standard
ZUGFeRD haben wir eine hybride Rechnung, die aus einem PDF und einem XML-Datensatz gleichzeitig besteht.
Wie verträgt sich ZUGFeRD mit der XRechnung? Nach der Europäischen Norm EN 16931 müssen XRechnungen an die zentrale Rechnungseingangsplattform des Bundes (ZRE) gestellt werden. ZUGFeRD basiert ja bisher auf einem Versand der Rechnung. Müssen Unternehmen am Ende zweigleisig fahren?
Erichsen: Seit längerem umgesetzt ist der Standard 1.0 von ZUGFeRD. Der ist nicht kompatibel mit der XRechnung. Erst der kürzlich veröffentlichte neue Standard 2.0 erfüllt alle Anforderungen an eine echte elektronische Rechnung im XML-Format. Dabei muss man aufpassen. ZUGFeRD 2.0 bietet fünf Versionen, und nur die Versionen Comfort und Extended erfüllen die Anforderungen an den europäischen Standard, auf dem die XRechnung beruht. Was das Rechnungseingangsportal angeht, so ist das noch nicht fertig implementiert. Viele Experten gehen davon aus, dass das Portal künftig auch in der Lage sein wird, Rechnungen nach dem ZUGFeRD-Standard anzunehmen. Aber im Augenblick ist das noch nicht abschließend geklärt.
Wie aufwendig ist die Umstellung auf die XRechnung?
Erichsen: Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Der ZUGFeRD-Standard ist in den gängigen Buchhaltungsprogrammen enthalten und auch der Standard 2.0, der mit der XRechnung kompatibel ist, wird ganz sicher umgesetzt. Das Problem sind eher die internen Abläufe in den Betrieben, die neben der Buchhaltung betroffen sind. Etwa der Einkauf und der Vertrieb, die Rechnungsfreigaben leisten müssen. Der Aufwand lässt sich so allgemein nicht in Euro und Cent beziffern. Unternehmen sollten schon mehrere Monate für die Transformation einplanen, weil Arbeitsschritte im Unternehmen angepasst werden müssen. Ich empfehle, eine solche Umstellung in Projektform abzuwickeln. Dabei sollte nicht nur die Buchhaltung, sondern alle Unternehmensbereiche berücksichtigt werden, die mit Rechnungen zu tun haben. Dabei empfiehlt es sich, an bestehenden Prozessen einer Papierrechnung zu orientieren: Wie läuft mein Debitorenprozess, und wie läuft mein Kreditorenprozess? Diese Prozesse sollte man adaptieren.
Die Umstellung auf die XRechnung ist also ein durchaus aufwendiger Prozess. Zumindest im Vergleich zur PDF-Rechnung, die ja nur aus einem Mausklick im Anschluss an die Erstellung einer Papierrechnung besteht. Welche Vorteile hat die XRechnung eigentlich für Unternehmen, gerade für die kleineren?
Erichsen: Auch die PDF-Rechnung hat den Unternehmen ja Vorteile gebracht. Ich kann Kosten für Papier, Toner, Porto oder für den Weg zum Briefkasten einsparen. Durch die Volltextsuche in Dokumenten habe ich sehr viel bessere Recherchemöglichkeiten, wenn ich eine bestimmte Rechnung wiederfinden will. Beispielsweise bei Rückfragen oder Reklamationen. Mit der XRechnung habe ich keine Medienbrüche mehr. Die Kosten für eine Papierrechnung werden auf 20 bis 25 Euro pro Vorgang geschätzt. Da ist auch die Arbeitszeit mit berechnet. Die Kosten für eine elektronische Rechnung liegen laut Schätzung zwischen 5 und 7 Euro. Damit können auch kleine Unternehmen leicht Kostenvorteile von 3.000 bis 5.000 Euro im Jahr erreichen.
Könnten Sie erläutern, was Sie mit Medienbrüchen meinen?
Erichsen: Wenn ich eine PDF-Rechnung aus meinem Buchhaltungsprogramm exportiere und versende, dann beschere ich meinem Kunden Medienbrüche. Das bedeutet: Er muss die Rechnung ausdrucken und weiterverarbeiten, oder er versucht es mit der Texterkennung in Scannern und Softwareprodukten. Die weisen aktuell noch Fehlerquoten von 10 bis 20 Prozent auf. Ich verlagere also die Probleme beim Verarbeiten der Rechnung an den Kunden. Die Daten im XML-Format können automatisiert und weitgehend fehlerfrei verarbeitet werden. Ich kenne den Stand bei allen Anbietern nicht im Detail, bin aber sicher, dass die großen Anbieter wie SAP,
Lexware oder
DATEV schon jetzt eine XML-Rechnung automatisiert verarbeiten können, oder in Kürze dazu in der Lage sein werden. Das gilt sehr wahrscheinlich auch für die meisten kleineren Anbieter.
Jörgen Erichsen
ist als Unternehmensberater in Leverkusen spezialisiert auf die Beratung von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Zum Thema XRechnung hat er für den Haufe Verlag mehrere Fachbeiträge verfasst. Erichsen ist Vorsitzender des Arbeitskreises Controlling beim Bundesverband der Bilanzbuchhalter und Controller (BVBC). Zu Controllingthemen veröffentlicht er regelmäßig Fachbeiträge auf Controlling-Portal.de und im Controlling-Journal.
letzte Änderung W.V.R.
am 06.04.2023
Autor(en):
Wolff von Rechenberg
Bild:
panthermedia.net / scanrail
|
Autor:in
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