Die Portfolio-Analyse gehört zu den klassischen, oft
strategisch eingesetzten,
Controlling-Werkzeugen und -methoden. Bei der Portfolio-Analyse werden Entwicklungen in einem Unternehmen meist anhand von nur
zwei Parametern dargestellt und in einer
Vier-Felder-Matrix visualisiert.
Für jedes Feld gibt es so genannte
Standard- oder
Grundsatzstrategien, die bevorzugt umgesetzt werden sollten, um den Geschäftserfolg zu verbessern. Die Portfolio-Analyse wurde ursprünglich entwickelt, um den
Erfolgsbeitrag von strategischen Geschäftseinheiten, Sparten oder
Produkten anhand der Faktoren Marktanteil und Marktwachstum zu bewerten. Mit einigen Adaptionen ist sie auch bei anderen Untersuchungsobjekten, z.B. Kunden oder
Risiken, einsetzbar.
Was ist die Portfolio-Analyse?
Mit der klassischen Portfolio-Analyse werden Entwicklungen im Unternehmen anhand von zwei Parametern in einer Vier-Felder-Matrix dargestellt. Konzipiert wurde die Portfolio-Analyse in den 1960er Jahren von der
Boston Consulting Group, um den Erfolgsbeitrag von z.B. Geschäftsfeldern oder Unternehmenssparten mithilfe der Faktoren "relativer Marktanteil" und "Marktwachstum" zu analysieren. Die Ergebnisse werden einer Vier-Felder-Matrix zugeordnet. Die ursprüngliche Variante wird daher häufig "
Marktwachstum-Marktanteil-Matrix" genannt.
Die
Matrizenfelder tragen meist die Namen Fragezeichen, Nachwuchs oder Question-Marks (Feld links oben), Sterne oder Stars (rechts oben), Milchkühe oder Cash-Cows (rechts unten) und Arme Hunde, Poor- oder Dying-Dogs (links unten) und weisen folgende grundlegende Besonderheiten auf:
Matrizenfeld
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Besonderheiten /Ausprägungen
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Fragezeichen
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Geschäftsfelder / Sparten mit hohen Wachstumsraten, aber (noch geringem) Marktanteil. Es handelt sich oft um Neuprodukte, von denen man ein hohes Entwicklungspotenzial erwartet. Lässt sich das nicht erreichen, werden sie zu "Armen Hunden" und i.d.R. vom Markt genommen. Die Erträge, vor allem Deckungsbeiträge sind gering. Der Anteil von Fragezeichen sollte bei ca. 20-25% liegen:
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Sterne
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Entwickeln sich Fragezeichen positiv, erhöhen sie also ihre Marktanteile, werden sie zu Sternen. Es handelt sich um Sparten oder Geschäftsfelder mit hohen Wachstumsraten und Marktanteilen. Mit ihnen erwirtschaften Unternehmen bereits hohe Erträge. Der Anteil Sterne sollte ca. 30% oder mehr betragen.
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Milchkühe
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Lässt das Wachstum nach, werden aus "Sternen" "Milchkühe". Diese sind für Unternehmen wichtig, weil sie oft noch über einen längeren Zeitraum hohe Erträge abwerfen, aus denen sich neue Produkte ("Fragezeichen") entwickeln lassen. Gleichzeitig sind die laufenden Kosten eher gering, weil vor allem in die Vermarktung, weniger in die Entwicklung, investiert wird. Der Anteil Milchkühe sollte bei ca. 30% oder mehr liegen.
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Arme Hunde
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Gehen die Erträge von "Milchkühen" zurück, werden sie zu "armen Hunden", mit denen ein Unternehmen nur noch wenig verdient. Der Anteil sollte ca. 5-10% nicht überschreiten
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Das
Marktwachstum wird durch die Gegenüberstellung des aktuellen Marktvolumens mit dem der Vorjahre ermittelt. Der
relative Marktanteil ergibt sich im Vergleich mit dem oder den größten Wettbewerbern. Die so bewerteten Geschäftsfelder und -sparten lassen sich in einer Vier-Felder-Matrix visualisieren (Abb. 1), was Übersichtlichkeit und Transparenz erhöht.
Abb. 1 Beispiel einer klassischen Portfolio-Matrix
Zwar sind die Einteilungen in der Portfolio-Matrix
idealtypisch und auch nicht immer eindeutig; Abb. 1 zeigt u.a., dass sich ein Produkt zwischen "Fragezeichen" und "Sternen" bewegt.
Standard- oder Grundsatzstrategien als Einstieg in Verbesserungen
Dennoch lassen sich grundlegende Erkenntnisse zur
Profitabilität ableiten und es können Maßnahmen zur Verbesserung des Portfolios umgesetzt werden. Dabei wird auf so genannte Standard- oder Grundsatzstrategien zurückgegriffen, die aber fast immer modifiziert und an die Lage eines Unternehmens angepasst werden müssen:
Fragezeichen
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Investitionen in den Ausbau von Markanteilen, Beobachtung der Marktentwicklung, um über Beibehaltung oder Herausnahme aus dem Portfolio zu entscheiden. Die Mittel werden zumindest rechnerisch zu großen Teilen von den Milchkühen erwirtschaftet.
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Sterne
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Investitionen in den Ausbau von Markanteilen bzw. eine Steigerung der Produktions- und Verkaufsmengen, die Mittel hierfür werden, ebenfalls rechnerisch, von den Sternen selbst erwirtschaftet.
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Milchkühe
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Milchkühe werden "gemolken", d.h., man versucht die Verkaufsmengen möglichst lange stabil zu halten und investiert nur noch in Werbung und kleinere Produktmodifikationen. Derartige Strategien finden sich u.a. im Konsumgüterbereich, wo z.B. Einweg-Taschentücher nur kleinere Modifikationen erhalten, z.B. ein neuer Duft oder die Möglichkeit, eine Packung leichter zu öffnen. Damit ist eine "Streckung" des Lebenszyklus und der damit verbundenen Mittelzuflüsse oft über mehrere Jahre möglich. Die Mittel hierfür kommen von den Milchkühen selbst und die verbleibenden Beträge gehen in die Entwicklung oder den Zukauf von z.B. Sparten.
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Arme Hunde
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Arme Hunde haben ihren Zenit überschritten und sollten möglichst vom Markt genommen oder verkauft werden. Bei Vollsortimentern, die auch Produkte dieser Sparte anbieten müssen, besteht u.U. die Notwendigkeit, Artikel als Handelsware zuzukaufen oder sie durch Fremdhersteller fertigen zu lassen, wenn das Risiko von Kundenverlusten durch eine Herausnahme besteht.
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Von der strategischen Analyse zu konkreten Auswirkungen im Tagesgeschäft
Aus den
Grundsatzstrategien erhalten Unternehmen fast immer wichtige Hinweise für das Tagesgeschäft. Zum einen wird ersichtlich, wie ausgewogen das Portfolio ist und wo ggf. Veränderungen notwendig sind. Gibt es z.B. zu wenig Fragezeichen, muss in höherem Umfang investiert werden, etwa in Produktentwicklung oder Zukäufe.
Gleiches gilt, wenn es nur wenige Sterne oder Milchkühe im Sortiment gibt. Das hat im
operativen Bereich u.a. Folgen für die
Budgetierung. Gegebenenfalls müssen zusätzliche Mittel bereitgestellt oder in anderen Bereichen
Budgets gekürzt und "umgeleitet" werden.
Portfolio-Darstellung bildet Lebenszyklus ab
Mit der Einteilung in die vier Felder wird im Prinzip der
typische Lebenszyklus von Geschäftsfelder oder Sparten dargestellt. Diese gehen in der Regel von der
Markteinführung (oder ggf. auch einem Zukauf) in eine Phase des Wachstums, einer Reifephase und einer Degeneration (Eliminierung, Herausnahme vom Markt, Verkauf).
Abhängig davon, in welcher Phase sich eine Sparte oder ein Produkt befindet, ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen auf Umsatz,
Gewinn und auch
Liquidität. Abb. 2 zeigt die grundlegenden
Zusammenhänge.
Abb. 2 Grundlegender Produktlebens von Geschäftsfeldern und Sparten
Vor- und Nachteile der Portfolio-Analyse
Wie jedes
betriebswirtschaftliche Instrument hat die klassische Portfolio-Analyse spezifische Vor- und Nachteile, die man bei der Anwendung berücksichtigen sollte, etwa
Vorteile
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Nachteile
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Transparent, übersichtlich, Einstufungen leicht nachzuvollziehen
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Nicht alle wichtigen Faktoren werden abgebildet
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Ableitung von Grundsatzstrategien
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Grundsatzstrategien müssen in der Regel angepasst und detailliert werden
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Vergleichbarkeit von Unternehmen möglich
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Es besteht das Risiko, dass Führungskräfte automatisch nach Einstufung von Sparten u.ä. entscheiden, ohne weitere Sachverhalte zu berücksichtigen
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Guter erster Einstieg in eine Bewertung
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Durch Bewertung mit nur zwei Faktoren können wichtige Aspekte verloren gehen
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Auch für andere Untersuchungsobjekte nutzbar, z.B. Produkte, Kunden, Risiken Automatische Entscheidungen anhand der Bewertung sind nicht immer möglich
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Portfolio-Analyse mit Modifikationen für kleinere Betriebe nutzbar machen
Die Portfolio-Analyse lässt sich nicht nur einsetzen, um die Profitabilität und das Wachstumspotenzial von Geschäftsfeldern oder Sparten zu bewerten. Mit ihr ist mit einigen
Modifikationen u.a. auch die
Bewertung von Produkten, Kunden,
Projekten oder Unternehmensrisiken möglich.
Damit ist die Analyse auch für
kleinere Unternehmen nutzbar, die in der Regel nicht in der Lage sind, das Wachstumspotenzial von z.B. Geschäftsfeldern zu bewerten und mit anderen Betrieben zu vergleichen. Im Folgenden wird am Beispiel von Produkten gezeigt, wie die Umsetzung in kleinen Unternehmen relativ einfach möglich ist. Die zugehörige
Excel-Arbeitshilfe (
Download hier >>) hilft bei der sofortigen Anwendung.
Grundsätzlich gilt, dass Eingaben nur im gleichnamigen Tabellenblatt in blauen Zellen getätigt werden müssen. Im
Tabellenblatt Matrix sind keine Eingaben notwendig; es können aber im unteren Teil Kommentierungen eingetragen werden. Die Excel-Arbeitshilfe kann für verschiedene Untersuchungsobjekten genutzt werden. Die Tabellenblätter werden jeweils auf einer Seite ausgedruckt.
Eingabe allgemeiner Daten
Zunächst sind allgemeine Angaben erforderlich, etwa, um welche Untersuchungsobjekte es sich handelt, im Beispiel sind es Produkte. Dann muss eingegeben werden, anhand welcher Zahl die Bewertung erfolgt, z.B. Umsatz oder
Deckungsbeitrag (DB). Anschließend können bis zu
25 Untersuchungsobjekte in Spalte C eingetragen werden sowie ggf. Artikel- oder Kundennummern (Spalte E). Sollen mehr Objekte analysiert werden, müssen ggf. Zusammenfassungen, etwa zu
Produkt- oder Kundengruppen, vorgenommen werden.
Dann werden die
monetären Bewertungsgrößen benötigt. Hier kann man z.B. Umsätze oder Erfolgsbeiträge nehmen. Umsätze sind leichter zu erheben, aber nur mit Erfolgsbeiträgen lässt sich wirklich beurteilen, welche Objekte besonders zum Unternehmensergebnis beitragen. Der Prozentanteil an der Gesamtmenge wird automatisch ausgerechnet.
Die
Erfolgsbeiträge fließen als eine Bewertungsgröße in die Auswertung ein. Als zweite Bewertungsgröße kann, aufbauend auf den Zusammenhängen mit dem Lebenszykluskonzept, das Alter bzw. die Dauer der Verkaufsphase von Produkten (bei Kunden entspricht das der Kundenbeziehungsdauer) in Monaten oder Jahren herangezogen werden.
Grundsätzlich gilt, dass Produkte, die sich noch nicht lange im Portfolio befinden, als
neue Artikel klassifiziert werden können, und damit meist als Fragezeichen oder Stern eingestuft werden. Je länger sich ein Artikel im Sortiment befindet, desto eher handelt es sich um eine Milchkuh oder einen armen Hund.
Die benötigten Daten sollten aus der
Buchhaltung und dem
Vertrieb einfach zu erheben sein, zumindest was die Umsätze und Produktalter oder Kundenzugehörigkeit anbelangt. Soll der Deckungsbeitrag als Größe hinzugezogen werden, sind ggf. Nebenrechnungen bzw. Kalkulationen erforderlich. Um einen Eintrag im richtigen Feld der Matrix zu bekommen, kann man entweder direkt auf das Alter der einzelnen Untersuchungsobjekte zurückgreifen.
Die Eingaben müssten dann in Spalte H, nicht wie vorgesehen in Spalte G, eingetragen werden. Diese Vorgehensweise kann aber die Übersichtlichkeit bei der Visualisierung beeinträchtigten. Das ist der Fall, wenn, wie im Beispiel, das Alter von wenigen Monaten bis zu 180 Monaten geht. Daher ist es meist besser,
Kategorien von
1-10 zu benennen. Die Kategorien erstrecken sich dann über einen frei wählbaren Zeitraum.
Abb. 3 Tabellenblatt Eingaben (Auszug)
Im Beispiel ist zu sehen, dass sehr
junge Produkte bis 12 Monate in der Kategorie 10, jüngere bis 24 Monate in Kategorie 9 usw. erfasst werden. Bei der Kategorisierung muss so vorgegangen werden, dass junge Produkt einen hohen Zahlenwert, alte Produkte einen niedrigen Wert bekommen. Das ist notwendig, um die Produkte oder andere Untersuchungsobjekte in den richtigen Feldern der Matrix erfassen und ausweisen zu können.
Im Beispiel hat
Produkt 10 einen Umsatz von 1.000 Euro und fällt als neues Produkt in Kategorie 10. Damit wird es im oberen linken Feld dem "
Nachwuchs" zugeordnet. Die Kategorien können verändert werden, indem in den Zellen C31 und ggf. G31 andere Texte eingegeben werden. Statt dem Alter kann auch die Eintrittswahrscheinlichkeit bei Risiken, von gering (Kategorie 1) bis sehr hoch (Kategorie 10) gewählt werden.
Auch die
Relevanz von Projekten, Kunden oder Produkten für den
Unternehmenserfolg ist als Kategorie möglich. Die Ergebnisse aus dem Eingabeblatt werden dann in eine Vier-Felder-Matrix "übersetzt" und entsprechend zugeordnet (Abb. 4).
Im Beispiel ist zu sehen, dass es im Unternehmen eine auf den ersten Blick
ungünstige Verteilung gibt, da sich ein Großteil der Produkte in den Feldern Fragezeichen und arme Hunde befindet. Bei diesen Produkten ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie demnächst ausgelistet werden müssen und bei den Fragezeichen ist auch immer das Risiko gegeben, dass sie ebenfalls vom Markt genommen werden müssen. Insofern sollte geprüft werden, wie sich der Anteil von Sternen und Milchkühen möglichst zeitnah erhöhen lässt.
Möglichst nicht nur automatisch entscheiden
Die Einteilung anhand der Kategorien ist
nicht immer absolut genau und nicht immer sollten sofort bzw. automatisch Entscheidungen ableitet werden. Beispielsweise kann es sich bei einem sehr alten Produkt um eine Dienstleistung handeln, die auch künftig benötigt wird, etwa im Fall einer Beratung. Oder Stammkunden fragen immer auch Produkte nach, die für das Unternehmen nur geringe Erträge abwerfen.
Würden solche Artikel aus dem Portfolio genommen, besteht das Risiko, dass man diese Kunden verliert oder dass sie weniger kaufen. In solchen oder ähnlichen Fällen ist es natürlich nicht sinnvoll, dieses Produkt auszulisten. Insofern sollten vor allem vor
strukturellen Entscheidungen gehende
Analysen und Einzelfallentscheidungen vorgenommen werden.
Abb. 4 Tabellenblatt Portfolio-Matrix
Download der Excel-Arbeitshilfe zur Erstellung einer Portfolio-Analyse hier >>
letzte Änderung J.E.
am 13.03.2024
Autor:
Jörgen Erichsen
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Autor:in
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Herr Jörgen Erichsen
Jörgen Erichsen ist selbstständiger Unternehmensberater. Davor hat er in leitenden Funktionen in Konzernen gearbeitet, u.a. bei Johnson & Johnson und Deutscher Telekom. Er ist Autor von Fachbüchern und -artikeln rund um Rechnungswesen und Controlling. Außerdem ist er als Referent zu diesen Themen für verschiedene Träger tätig. Beim Bundesverband der Bilanzbuchhalter und Controller (BVBC) leitet Jörgen Erichsen den Arbeitskreis Controlling.
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28.06.2010 20:26:36 - Gast
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